Spielentwickler Keen Games: „Wir waren Nachtschattengewächse, haben in Kellern und Kinderzimmern gesessen“

08.12.2025

6 min Lesezeit

Autor*in:
Markus Wölfelschneider

Vor 20 Jahren gründeten die ehemaligen Informatikstudenten Jan Jöckel und Antony Christoulakis zusammen mit Pete Walentin den Frankfurter Videospiele-Entwickler Keen Games. Ein Besuch bei den erfolgsverwöhnten Machern von „Enshrouded“.

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Wir sind zu Gast bei Keen Games. Der Frankfurter Spieleentwickler belegt stattliche eineinhalb Etagen in einem Bürohochhaus mitten in Sachsenhausen. Die meisten der rund 75 Angestellten – viele leben im europäischen Ausland – befinden sich nicht vor Ort, sondern arbeiten im Homeoffice. An einer Wand im Flur lädt eine Reihe Flugzeugsitze zum Verweilen ein. Eine Ecke weiter hängt die beeindruckende Sammlung gerahmter Auszeichnungen an der Wand, die Keen Games im Laufe seiner zwanzigjährigen Geschichte für seine Erzeugnisse einheimsen konnte.

Der Flur in der fünften Etage biegt um vier Ecken. Wer ihn abläuft, beschreibt ein Quadrat. „Gerüchteküche“ steht auf einem Schild an der Tür zum Gemeinschaftsraum mit dem Tischkicker. Die „Gerichteküche“ mit Herd und Kühlschrank befindet sich direkt gegenüber. In den Büros der Mitarbeitenden bevölkern Plastikfiguren aus Computerspiel- und Comicwelten die Regale. Fanartikel der Simpsons zum Beispiel. In einem Terrarium sitzt eine – echte – Schlange. „Das ist Günther“, erklärt uns Jan Jöckel. „Den hat vor einigen Jahren ein Mitarbeiter hier vergessen. Seitdem kümmern wir uns um das Tier.“

Wandtafel mit humorvollen Zeichnungen, Notizen und Fotos von Tieren und Personen, kreativ und ansprechend gestaltet.
Foto: Neven Allgeier
Detaillierte Drachenfigur mit Flügeln und Kristall, umgeben von Gaming-Zubehör und Alltagselementen.
Foto: Neven Allgeier
Anatomische Modelle eines männlichen und weiblichen Körpers stehen auf einem Tisch zwischen Computer und Büromaterialien.
Foto: Neven Allgeier
Schwarze Wanduhr mit mathematischen Formeln und Gleichungen als Ziffern auf weißem Hintergrund.
Foto: Neven Allgeier

Eine Art Mincraft für Erwachsene

Jan Jöckel und Antony Christoulakis empfangen uns im Konferenzraum, der scherzhaft als „Dojo“ – also Trainingsraum für Kampfkünste – ausgeschildert ist. Pappaufsteller, die für „Enshrouded“ werben, stehen rings um den riesigen Tisch. Mit dem Spiel hat Keen Games einen gewaltigen Hit gelandet: 2025 wurde es mit dem Deutschen Computerspielpreis ausgezeichnet. Über 4,5 Millionen Menschen weltweit haben es im Early-Access gekauft. Nächstes Jahr soll „Enshrouded“ in der Vollversion auf den Markt kommen und nicht nur auf dem PC, sondern auch auf diversen Konsolen zu erwerben sein.

Ziel des Spieles ist es, die Welt von einem tödlichen Nebel zu befreien. Bis zu 16 Personen können sich dafür zusammenschließen. „Enshrouded“ ist ein sogenanntes Sandbox-Game. Das heißt: Die aus Voxeln – eine Art Bauklötzchen – gestaltete Umgebung lässt sich nach Belieben verändern. Auch die Geschichte verläuft nicht streng linear, sondern lässt viel Raum für eigene Ideen. „Das ist ein bisschen so, wie viele es von Minecraft kennen – nur für eine erwachsenere Zielgruppe“, erklärt Christoulakis. „Unser Spiel verbindet verschiedene Genres. Man kann bauen, kämpfen oder gärtnern. Es gibt nicht nur ein einziges Feature und es ist genau diese Mischung, die ‚Enshrouded‘ so einzigartig macht.“

Künstlerisches Banner zu "Enshrouded" mit vier Kämpfern in einer mystischen Umgebung, erleuchtet vom Mondschein.
Foto: Neven Allgeier

„Das reine Spielen fand ich aber bald nicht mehr interessant genug. Lieber wollte ich wissen: Wie kann ich so etwas selber machen?“

Jan Jöckel, Gründer, Geschäftsführer und Gamedesigner bei Keen Games

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Jöckel und Christoulakis kennen sich schon seit ihrer Schulzeit. „Das war damals genauso klischeehaft, wie man sich das heute wahrscheinlich vorstellt. Wir waren Nachtschattengewächse, haben zusammen in Kellern und Kinderzimmern gesessen und programmiert“, erinnert sich Christoulakis. Und Jöckel ergänzt: „Ich bin mit Spielhallenspielen von Arcade aufgewachsen. Das reine Spielen fand ich aber bald nicht mehr interessant genug. Lieber wollte ich wissen: Wie kann ich so etwas selber machen? Was ich wissen musste, habe ich mir mit Hilfe von Büchern beigebracht.“

Nach dem Abi schrieben sich die beiden an der Hochschule in Darmstadt ein. „Ehrlich gesagt, war es eher so, dass ich meinen Eltern bloß vorgespielt habe, dass ich ernsthaft ein Informatikstudium betreibe“, sagt Jöckel und lacht. Ihr Studium vernachlässigten sie jedoch aus einem guten Grund: Zusammen mit zwei Mitstreitern hatten Jöckel und Christoulakis die Firma Neon Studios gegründet – den Vorläufer von Keen Games. „Bald bekamen wir einen Vertrag mit einem großen Publisher. Es ging um viel Geld. Wir konnten eigene Spiele entwickeln. Das hat uns deutlich mehr gereizt, als das Studium zu Ende zu bringen.“

Diagramm mit Anmerkungen zu Gameplay-Elementen wie Abenteuer, Kampf, Loot und NPCs. Pfeile zeigen Optionen und Wege.
Foto: Neven Allgeier
Bunte Sammlung von Energy-Drink-Dosen, darunter Marken wie Monster und Rockstar, an einer Wand angeordnet.
Foto: Neven Allgeier

Von einer kompetitiven Branche und kreativer Freiheit

Als nach vielen erfolgreichen Jahren der britische Publisher pleite war, wurde Neon Studios an eine österreichische Firma verkauft, die ebenfalls Konkurs ging. Jöckel und Christoulakis kauften Teile ihrer Firma zurück, zogen an den Main und gründeten gemeinsam mit Pete Walentin Keen Games. „Für Frankfurt haben wir uns wegen der zentralen Lage entschieden“, erzählt Jöckel. „Videokonferenzen waren damals noch unüblich. Wir haben mit internationalen Publishern zusammengearbeitet. Das war unser Geschäftsmodell. Zu Besprechungen reiste man mit dem Flugzeug an. Wenn die Konkurrenz bei einem Pitch eine gleich gute Idee präsentierte, konnte der Standort durchaus ausschlaggebend sein.“

In ihren Anfangsjahren lieferten die Frankfurter Spieleentwickler oft Ideen für bereits etablierte Videospielreihen. Der bekannten „Anno“-Serie aus dem Hause Ubisoft zum Beispiel steuerten sie zwei Konsolenspiele bei. Mit „Portal Knights“, das von dem italienischen Software-Unternehmen 505 Games veröffentlicht wurde, schuf Keen Games viele Jahre später ein Sandbox-Game, das 2017 den Deutschen Computerspielpreis gewann. Enshrouded ist nun das erste Videospiel, das die Firma komplett in Eigenregie herausbringt – ohne einen Verlag in Hintergrund. „Das gibt uns ein Höchstmaß an kreativer Freiheit“, freut sich Christoulakis.

Cover des Spiels "Anno: Create a New World" für Wii, zeigt ein Schiff und eine sonnige Hafenlandschaft.
Foto: Neven Allgeier

„Die Hierarchien bei uns sind flach. Ideen kommen aus allen Ecken des Teams“

Antony Christoulakis, Gründer und Gamedesigner bei Keen Games

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Bei ihm und Jöckel laufen alle Fäden zusammen. Die beiden arbeiten als Gamedesigner. Jöckel ist außerdem Geschäftsführer von Keen Games. „Die Hierarchien bei uns sind flach. Ideen kommen aus allen Ecken des Teams“, sagt Christoulakis. „Bei uns arbeiten Charakter-Artists, deren Aufgabe es ist, Figuren zu erstellen. Andere kümmern sich ausschließlich um die Umgebungsgrafik. Level-Designer*innen bauen alles zu einer stimmigen Welt zusammen. Alles ist mit allem verbunden“, erklärt Jöckel. „Deshalb ist es wichtig, dass man trotz der Spezialisierung untereinander viel kommuniziert und immer das große Ganze im Blick hat.“

Finanziert wurde Enshrouded auch mit Fördergeldern des Bundes. „Die Konkurrenz ist groß und bei einem Spiel in der Größenordnung von Enshrouded ist das wie mit einem Film: Du musst viel Zeit und Geld investieren und das Ergebnis kann trotzdem ein Flop sein“, sagt Christoulakis. Der Erfolg ist nicht selbstverständlich. Die Spielebranche wächst nicht mehr ganz so stark wie in der Coronazeit, als es einen regelrechten Boom gab. Die Produkte einiger großer Firmen blieben hinter den Erwartungen zurück. Keen Games schaut aber optimistisch in die Zukunft.

Zeichnung von zwei süßen Hunden, die sich küssen, mit einem Herz darüber auf einer weißen Tafel.
Foto: Neven Allgeier

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