„Wir wollen queer-feministische Stadtgeschichte der Öffentlichkeit zugänglich machen“

04.07.2025

6 min Lesezeit

Autor*in:
Markus Wölfelschneider
LUQS
Blick auf ein Bücherregal mit bunten Buchrücken und einem Tisch voller Unterlagen in einem Arbeitsraum.

Kollektiv organisiert und eine wahre Fundgrube, um in die regionale Geschichte der queeren Community einzutauchen. Das LUQS (Lesbenarchiv und queere Sammlung) versteht sich als Living Archive, Treffpunkt und Begegnungsstätte. Wir haben Marie und Katharina vor Ort getroffen.

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Neben rund 5300 Büchern von internationalen Autor*innen zu queeren Themen lagern im LUQS (Lesbenarchiv und queere Sammlung) auch Zeitschriften, Magazine, Filme, CDs, Fotos, Plakate, Flyer und Broschüren – eine wahre Fundgrube, um in die regionale Geschichte der queeren Community einzutauchen.

Filmplakat "Aimée & Jaguar" in goldenem Rahmen, zeigt die emotionale Verbindung zweier Frauen.
Foto: Neven Allgeier
Foto: Neven Allgeier

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Klingeln in der Klingerstraße. „Lesbenarchiv“ steht auf dem Schild. Die Bibliothek im zweiten Stock macht einen gemütlichen Eindruck. Vielleicht, weil der Raum eine überschaubare Größe hat. Vielleicht aber auch, weil die Einrichtung dank der Holzregale in verschiedenen Farben und Formen nicht so kühl und streng wirkt, wie in anderen Bibliotheken. Katharina und Marie füllen unsere Gläser mit kühlem Wasser – gegen die sommerliche Hitze. Die beiden gehören zu einem zehnköpfigen Kollektiv, das ehrenamtlich tätig ist und sich alle zwei Wochen zu einem Plenum trifft. Ein leseraumtypischer Flüsterton ist nicht nötig – wir sind heute Abend die einzigen Besucher.

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Wir befinden uns unter dem Dach des LSKH Queeren Kulturhauses, das Anfang der Neunzigerjahre als Lesbisch-Schwules-Kulturhaus von zwei Frankfurter Vereinen gegründet wurde. Nach einem Generationswechsel vor rund fünf Jahren führt auch das Lesbenarchiv seit 2024 den Zusatz „und queere Sammlung“ (LUQS), um deutlich zu machen, dass hier Menschen mit den unterschiedlichsten Geschlechteridentitäten und sexuellen Orientierungen willkommen sind. „Wir wollten das Archiv zum Beispiel auch für trans Personen, nicht-binäre und intersexuelle Menschen öffnen und die Literatur entsprechend erweitern“, sagt Katharina.

Neben rund 5300 Büchern von internationalen Autor*innen zu queeren Themen lagern hier auch Zeitschriften, Magazine, Filme, CDs, Fotos, Plakate, Flyer und Broschüren – eine wahre Fundgrube, um in die regionale Geschichte der queeren Community einzutauchen. Wir betreten das Zeitschriftenarchiv, einen fensterlosen Raum im ersten Stock. „Wir sind hier zurzeit damit beschäftigt, die Zeitschriften archivarisch korrekt in blickdichte Boxen umzulagern“, erzählt Katharina. Bis vor kurzem standen sie noch aufrecht in halboffenen Pappschubern im Regal. In einem roten Schubladenschrank werden großformatige Poster aufbewahrt. Zum Beispiel die hauseigenen Blanko-Plakate mit der Doppelaxt – dem alten Logo des Lesbenarchivs. Per DIY-Prinzip wurden sie individuell gestaltet, um für Veranstaltungen zu werben.

Plakat für die Demonstration in Frankfurt, 5.-7.7.1990, mit „HOMO“ und künstlerischen Handzeichnungen.
Foto: Neven Allgeier

„Wir wollten das Archiv zum Beispiel auch für trans Personen, nicht-binäre und intersexuelle Menschen öffnen und die Literatur entsprechend erweitern“

Katharina

Alte Ausgaben des "Frankfurter Frauenblatts" mit Schwarz-Weiß-Bildern und Schlagzeilen aus den frühen 80ern.
Foto: Neven Allgeier

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Gesammelt wurde nicht strikt nach System. Vieles, was im Archiv gelandet ist, verdankt sich dem Zufall. „Wir entdecken gerade wieder, was unsere Vorgänger*innen für relevant und bewahrenswert hielten“, sagt Marie. „Es gibt immer noch Kartons, die lange nicht geöffnet wurden und in denen vermutlich so mancher Schatz schlummert.“ Auch Merchandising-Artikel, etwa vom CSD oder den Gay Games, sind Teil der Sammlung. „Bei unseren Büchern handelt es sich manchmal um Schenkungen von Leuten, die aus Platzgründen ihre Bücherschränke verkleinern mussten“, ergänzt Katharina.

Buchcover mit dem Titel „Unsere Körper, unser Selbst“ und Frauen, die ein Schild mit „Frauen vereint“ halten.
Foto: Neven Allgeier
Blick auf ein Bücherregal mit bunten Buchrücken und einem Tisch voller Unterlagen in einem Arbeitsraum.
Foto: Neven Allgeier
Buntes Plakat mit stilisierter Gesichtsskizze und Palmbaum-Elementen, datiert auf den 15.09.1990.
Foto: Neven Allgeier

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Oben in der Bibliothek stehen sich vor dem weit geöffneten Fenster zwei Schreibtische gegenüber. An den beiden Computerarbeitsplätzen werden aktuell Zeitschriften aus den Beständen des Archivs erfasst und digitalisiert – etwa die Ausgaben des „Frankfurter Frauenblattes“ und das aus Darmstadt stammende Frauenmagazin „Mathilde“. Das Projekt wird mit Fördergeldern des Deutschen Digitalen Frauenarchivs finanziert und ist für die Dauer eines Jahres angelegt. Zwei – vorübergehend – bezahlte Arbeitsstellen wurden auf diese Weise geschaffen.

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„Die beiden bezahlten Stellen sind ein erster Schritt“, sagt Marie. „Langfristig streben wir eine weitreichende institutionelle Förderung an.“ Die Arbeit im Archiv mache ihr großen Spaß. „Die Bedingungen sind aber immer auch ein wenig prekär.“ Und Katharina fügt hinzu: „Wir haben das Bedürfnis nach mehr finanzieller Unterstützung. Unser Anliegen ist es, queer-feministische Stadtgeschichte der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Finanzielle Unterstützung kann dabei durchaus ein Zeichen der Wertschätzung sein.“

Die Miete für die Archivräume wird vom selbstverwalteten LSKH Queeren Kulturhaus bezahlt, das wiederum vom Frankfurter Amt für multikulturelle Angelegenheiten gefördert wird. Ein Gehalt bekommen die Kollektivmitglieder abseits der Projektförderung nicht. Wer das Archiv nutzen will, muss sich vorher anmelden. Feste Öffnungszeiten gibt es aktuell keine. Die Bücher der Bibliothek können nicht ausgeliehen, sondern nur vor Ort gelesen werden. „Wer Interesse am Archiv hat, oder mit einer speziellen Rechercheanfrage kommt, kann sich gerne an uns wenden“, sagt Marie. „Dann vereinbaren wir einen Termin und helfen bei der Suche nach Materialien.“

Im META-Katalog des Dachverbandes i.d.a kann man online nach Titeln suchen. Als Teil der freien Archivszene ist das LUQS deutschlandweit auch mit anderen Community-Archiven vernetzt – etwa der Gruppe „Archive von unten“ oder dem Verband QueerSearch. „Wir treffen uns regelmäßig und schauen, was wir voneinander lernen können“, erzählt Katharina. Auf einem der Schreibtische steht eine Schale voller Ansteckbuttons, auf denen die Worte „Lesbian Herstory Archives“ prangen. „Das ist das größte Lesbenarchiv der Welt und steht in New York“, sagt Marie voller Anerkennung. „Die haben dort wichtige Pionier*innenarbeit geleistet.“

Ein überfüllter Raum mit Regalen, die voller Aktenordner und Kisten stehen, und einem Stuhl in der Mitte.
Foto: Neven Allgeier
Bücherregal mit verschiedenen Comics und Mangas, darunter auch lesbische Themen und Illustrationen.
Foto: Neven Allgeier
Titelblatt der Frankfurter Frauenblatt-Ausgabe vom September 1981 mit Protestaktion für nukleare Abrüstung.
Foto: Neven Allgeier

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Das LUQS versteht sich nicht zuletzt auch als Living Archive – als Treffpunkt und Begegnungsstätte. „Wir wollen Sichtbarkeit für die Community schaffen und sind ein wichtiger Ort für queere Menschen, die sich vernetzen wollen“, sagt Marie. „Man kann bei uns nicht nur in die Geschichte eintauchen, sondern auch in das gegenwärtige queere Leben.“ Hin und wieder organisiert das LUQS Veranstaltungen wie Film-Screenings, Bar-Abende, Vorträge und Lesungen – die meist aber nicht in den Archivräumen stattfinden, sondern im Erdgeschoss des LSKH Queeren Kulturhauses. Dort gibt es barrierefreien Zugang. Wer nun das Archiv so schnell wie möglich kennenlernen möchte, sollte sich den 13. Juli merken. Dann findet in den Räumen des LUQS um 14 Uhr eine öffentliche Führung statt.

Plakat für Gay Pride 1995 in Frankfurt: Ankündigung zur Demo und Straßenfest mit Datum und Veranstaltungsdetails.
Foto: Neven Allgeier
Gelbes Plakat mit Informationen zu feministischen Themen und einer Grafik einer lesenden Frau.
Foto: Neven Allgeier

„Man kann bei uns nicht nur in die Geschichte eintauchen, sondern auch in das gegenwärtige queere Leben.“

Marie

Plakat für einen Vortrag über Georgia O'Keeffe, organisiert von Lebendiges Lesben Leben, im bunten Design.
Foto: Neven Allgeier
Buchcover von "Laura Dean und wie sie immer wieder mit mir Schluss macht" mit Illustrationen und pinkem Hintergrund.
Foto: Neven Allgeier