KEREN CYTTER

Die musikalisch begleiteten, asynchron aufeinander treffenden Bilder, geschriebenen oder gesprochenen Texte in Keren Cytters Filmen erwecken den Eindruck, als würde alles um einen Inhalt kreisen. Es sind meist psychologische Themen, die den Figuren zugeordnet werden. Ob der Film diese Zusammenhänge vorgibt oder ob sie vom Betrachter selbst evoziert werden, bleibt unklar und erzeugt eine fast unheimliche Stimmung. Die bühnenhafte Inszenierung der Protagonisten erinnert ans Theater, gleichzeitig macht das Medium des Films durch harte Schnitte, Kameraführung, Überblendung und den offensichtlichen Gebrauch von „found footage“ deutlich auf sich aufmerksam. Die 1977 in Tel Aviv, Israel geborene und heute in New York lebende Künstlerin arbeitet neben dem Film mit Performances, in denen die von ihr orchestrierten Szenen direkt vor Publikum stattfinden. Einzelausstellungen ihrer Arbeiten fanden unter anderem im Stedelijk Museum, Amsterdam,im Moderna Museet, Stockholm, Mumok, Wien und in der Tate Modern, London statt.

KEREN CYTTER, THE DATE SERIES, 2014

MATHILDE TER HEIJNE

Die Analyse und Aufdeckung von patriarchalischen Denk- und Machtmustern in der Gesellschaft ist ein zentrales Thema in den Arbeiten von Mathilde ter Heijne. Zudem verfolgt ter Heijne die Möglichkeiten, das Wissen von gesellschaftlichen Minderheiten zu bewahren und weiterzugeben. So entstand das Video „Lament“ (2010) auf Grundlage eines von der Künstlerin veranstalteten Trauerworkshops in Suomenlinna, Helsinki, Finnland, wo eine professionelle Sängerin Unterricht im Klagegesang erteilte: Die Kombination von Gesang und Weinen als traditionelle Form der Trauerbewältigung wurde weltweit von Frauen betrieben. Es sollte helfen, traumatische Erlebnisse zu überwinden, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden und den Weg in die Zukunft zu ebnen. Die niederländische Video- und Installationskünstlerin wurde 1969 in Straßburg geboren, studierte Kunst an der Stadsacademie, Maastricht und in der Rijksacadmie Amsterdam. Seit 2011 lehrt sie an der Kunsthochschule in Kassel.

MATHILDE TER HEIJNE, OLACAK! U.A., 2014

NEIL BELOUFA

Neil Beloufa wurde 1985 in Paris geboren und studierte von 2004 bis 2009 in Paris, New York und Valencia. Mit seiner Videoarbeit „Kempinski“ (2007) gewann er zahlreiche Preise, u. a. bei den Oberhausener Kurzfilmtagen 2008. In diesem frühen Werk ist sein Interesse an ethnografischen Beobachtungen, Science-Fiction und gegenwärtiger, gesellschaftlicher Analyse bereits vorgezeichnet. Das in Neil Beloufas künstlerischer Arbeit zunehmend installativ auftretende Video reflektiert eine räumliche Dimension, die gleichzeitig auch in den Videos selbst zum Tragen kommt: eine Landschaft, in nächtliches Schwarz getaucht, wie etwa in „Kempinski“, oder die futuristische Glasarchitektur einer Arbeit und Leben verbindenden, sogenannten Corporate City in dem Video von 2011 „People’s passion, lifestyle, beautiful wine, gigantic glass towers, all surrounded by water“. Neil Beloufa hatte Ausstellungen im Hammer Museum Los Angeles, im Palais de Tokyo in Paris, im Kunsthaus Bregenz und im Kunstraum Innsbruck.

NEIL BELOUFA, SELECTION OF WORKS, 2014

ED ATKINS

In seinen Arbeiten korrelieren Traditionen von Film und Literatur mit der virtuellen Ästhetik der zeitgenössischen Bildmedien wie dem digitalen Film, computergenerierten Bildern oder dem Internet. Seine Analyse der Wiedergabemöglichkeiten von Realität und Erzählstruktur decken die Grenzen zwischen der Immaterialität des Mediums und des materiellen Welt des Betrachters auf. Die Videoinstallationen des britischen Künstlers Ed Atkins, geboren 1982, waren unter anderem auf der Lyon und Venedig Biennale 2013 präsentiert und sind derzeit in einer Einzelausstellungen im Kunsthaus Zürich zu sehen.

Ed Atkins, Even Pricks, 2013

JAMES RICHARDS

Entgegen Behauptungen linearer Erzählformen stehen das Fragment und das Fragmentarische seit den 1980er Jahren auf den Speisekarten postmoderner Diskurse. Der 1983 geborene James Richards schneidet seine Filme aus vorgefundenen Filmen und internetalen Bilddaten zusammen. Anstatt bloßes Mixen liefern seine Ergebnisse Inkommensurables, Kompositionen aus Zutaten, die für sich und herausgehoben aus dem Strom der Erzählung mit reichlich Affekt ausgestattete Archetypen abgeben. Indem er die unterschiedlichsten Schichten und Ebenen von Bildern freilegt, befreit er diese zugleich von der Ideologie ihres ursprünglichen Mediums und entlockt ihnen ambivalente Wirkungen. Der aus Wales stammende und aktuell in Berlin lebende Künstler hatte Ausstellungen unter anderem im Fridericianum in Kassel (2013-14), in der Chisenhale Gallery (2011) und in der Tate Britain (2010) in London sowie im New Museum in New York (2009).

JAMES RICHARDS, UNTITLED, 2014

ULLA VON BRANDENBURG

Rituale sind Eingewöhnungen in soziale Identitäten, Formen des Gleichklangs von individuell polyphonen Stimmen. Eindringlinge in ritualisierte Konstitutionen stellen deren Ordnungen in Frage oder erweitern sie, je nach gegenseitiger Akzeptanz. Die bühnenartigen Schauplätze, auf denen die 1974 in Karlsruhe geborene Ulla von Brandenburg solche Konfrontationen „spielen“ lässt, ermöglichen die Sichtbarwerdung ritualisierter und reglementierter Ordnungen. Es sind gleichwohl Dramen, die sich auf den Außenstehenden, allgemein den Betrachter, physisch wie psychologisch übertragen. Die heute in Paris lebende Künstlerin, in deren Arbeit Film und Bühne eine skulpturale Dimension erfahren, hatte bereits zahlreiche Einzelausstellungen, darunter in der Kunsthalle Zürich (2006), im CCA Wattis Institute for Contemporary Art in San Francisco (2008), in der Chisenhale Gallery in London (2009) und in der Hamburger Kunsthalle (2013), um nur einige zu nennen.

Ulla von Brandenburg, Die Straße, 2013

BERTILLE BAK

Osteuropäische Einwanderer in New York, Sinti und Roma in Paris, die Bewohner eines dem Abriss bevorstehenden Wohnhauses in Bangkok sind die Protagonisten von Bertille Baks Filmen. Sie werden weniger als individuelle Personen, sondern Teil einer gesellschaftlichen Minderheit vorgestellt, die sich innerhalb eines übermächtigen, kapitalistischen Systems befinden, aus dem sie ausgeschlossen sind. Die tailändischen Mieter führen, mit Taschenlampen ausgerüstet, vor Abriss ihres Hauses auf den Balkon ihrer Wohnungen die Partitur eines revolutionären Liedes auf, die Bak in eine Abfolge von Lichtsignalen übersetzt hat. Das stumme Lied wird zum Zeichen ihres Unvermögens, sich lautstark gegen den Abriss des Hauses zu wehren. Die 1983 in Arras, Frankreich geboren Künstlerin lebt und arbeitet in Paris. Ihre Arbeit wurde bereits im Musee d'Art Moderne de la Ville de Paris, im Palais du Tokyo, dem Bielefelder Kunstverein und im Rahmen der Triennale Paris gezeigt.

BERTILLE BAK, FAIRE LE MUR

DANI GAL

Ausgangsmaterial von Dani Gals Filmarbeiten sind historische Dokumente und Gespräche mit Zeitzeugen. Sein neuester Film „Wie aus der Ferne“ basiert auf dem Briefwechsel zwischen Simon Wiesenthal, Architekt und Holocaustüberlebender, und Albert Speer, Hitlers Architekten. Grundlage für „Nacht und Nebel“ sind Interviews mit Michael Goldmann-Gilad, der an der geheimen Mission der Entsorgung von Adolf Eichmanns Asche beteiligt war. Der Zugriff auf das historische Ereignis tritt innerhalb der filmischen Fiktion deutlich hervor, so dass eine Reflexion über die Entstehung historischer Narrative, Rolle und Funktion der Erinnerung sowie deren Übersetzung ins Jetzt stattfindet. Gals Arbeiten waren bereits auf der Biennale di Venezia und im New Museum New York ausgestellt. Derzeit sind sie in einer Einzelausstellung der Kunst Halle Sankt Gallen zu sehen, bevor sie Ende 2014 ans Jewish Museum New York wandern.

DANI GAL, WIE AUS DER FERNE, 2014

NEVIN ALADAG

Oftmals bilden Situationen oder auch Gegenstände aus dem Alltagsleben die Grundlage für Nevin Aladağs Arbeiten. Dabei interessiert sie sich für die Besonderheiten kultureller Prägung, die sich über die Geschichte, das Material und die Herkunft von Gegenständen vermitteln. In ihren Filmen werden beispielsweise Musikinstrumente verschiedener Kulturen von Naturgewalten wie dem Wind oder Regen zum Klingen gebracht. Aladağ wurde 1972 in der Türkei geboren, studierte an der Kunstakademie in München und lebt seit 2002 in Berlin. Ihre Arbeiten waren u.a. bei der Sharjah Biennale (2013), im Haus der Kunst, München (2011), The Hayward Gallery, London (2010) und der 11th International Istanbul Biennial (2009) ausgestellt und sind diesen Sommer in der Kunsthalle Basel zu sehen.

NEVIN ALADAG, SESSION, 2014

MOHAMED BOUROUISSA

In Mohamed Bourouissas Videoarbeiten diktiert das Aufgenommene die Form der filmischen Präsentation: am deutlichsten in „Temps mort“, die den whatsapp-Austausch des Künstlers mit einem Gefängnisinsassen dokumentiert. Die Aufnahmen sind unspektakulär, die schriftlichen Aufforderungen des Künstlers an seinen Gesprächspartner, Bilder seiner Umgebung wie Fensterausblick und Essensraum zu schicken, strukturieren den Film. Wir nehmen abwechselnd die Perspektive des Künstlers und des Häftlings ein. Bourouissa macht die Personen in seinen Filmen nicht nur zu Protagonisten, sondern zu Autoren der Aufnahmen. Bourouissas Arbeiten waren bereits im Philadelphia Museum of Art, New Museum New York und zeitgleich zu seiner Teilnahme in Double Feature in einer Einzelausstellung im Haus der Kunst, München, zu sehen. In der SCHIRN zeigt er seine Arbeit „La valeur du produit“ (2013) und danach von Tracy Moffatt „Night Cries: A Rural Tragedy“ (1990).

MOHAMED BOUROUISSA, LA VALEUR DU PRODUIT

BJØRN MELHUS

Der deutsch-norwegische Künstler Bjørn Melhus widmet sich in seinen Arbeiten seit den frühen 1990er-Jahren dem Einfluss des Kinos und des Fernsehens. Durch Verwendung von filmischen Zitaten und wiederholten Inszenierungen, durch gezielte Übertreibungen und Aussparungen in bekannt erscheinenden Vorlagen schafft er bedrohliche Doppelgänger. Seine Geschichten, in denen alle vorkommenden Personen ausschließlich von Melhus selbst dargestellt werden, schwanken zwischen Groteske und unheimlichem Märchen. Im Mittelpunkt seiner Arbeiten steht nicht nur die eigene Identität, sondern die Grenze zwischen dem Ich und der Medienwelt. Bjørn Melhus lehrt seit 2003 an der Kunsthochschule Kassel. Seine Filme und Filminstallationen waren u.a. in der Serpentine Gallery in London, dem Witte de With in Rotterdam, dem Whitney Museum in New York und dem Sprengelmuseum in Hannover zu sehen.

BJØRN MELHUS, I'M NOT THE ENEMY, 2014

JEREMY SHAW

Jeremy Shaw kommt aus Vancouver. Er lebt seit 2007 in Berlin. Mit seiner Arbeit sucht er nach neuen Formen der Transzendenz und der Ausweitung. Die Kunst als angesiedelt zwischen Wissenschaftlichkeit und Überschreitung des Alltäglichen findet sich im Werk des Techno-Schamanen, dessen Studio mit chemischen Substanzen ebenso ausgestattet ist wie mit Schwarzlicht und Beamer. In einer seiner ersten Videoarbeiten hat er Freunden die halluzinogene Droge DMT verabreicht und ihre Wirkungsgeschichte aufgenommen. So genannte Kirlianfotografien, durchgeführt am eigenen Körper, beweisen die Manipulierbarkeit, die in Jeremy Shaws Fall die Unterschiedlichkeit der konsumierten Musik anzeigt. Neben der Kunst sucht Jeremy Shaw auch noch in anderen Bereichen nach dem Potential von Drogen und Rausch. Etwa mit seinem musikalischen Elektroprojekt namens Circlesquare oder dem tanzbaren Ableger Headgear, das Shaw zusammen mit Konrad Black betreibt.

JEREMY SHAW, QUICKENERS, 2014