Yoko Ono feiert am 18. Februar 2023 ihren 90. Geburtstag. Wir werfen einen Blick zurück auf ihre große Einzelausstellung in der SCHIRN und ihre Performance „Promise Piece“, die dieses Jahr ihr Jubiläum hat.

Vor genau zehn Jahren widmete die SCHIRN der vielseitigen Konzept- und Performancekünstlerin eine Retrospektive. „Yoko Ono – Half-A-Wind Show“ war die bislang größte Überblicksausstellung in Deutschland. Die Schau machte anschließend Station im Louisiana Museum of Modern Art, Humblebæk, in der Kunsthalle Krems und im Guggenheim Museum, Bilbao. Angesichts der mittlerweile weltweiten Anerkennung, kann man Yoko Ono heute wohl nicht mehr – wie das früher John Lennon zu tun pflegte – als die „bekannteste unbekannte Künstlerin der Welt“ bezeichnen.

In Frankfurt wurden den Ausstellungsbesucher*innen gleich am Eingang klar, dass dies keine konventionelle Kunstausstellung war. Betrat man die dort installierte gläserne Drehtür, bewegte man sich im Kreis herum und kam genau dort wieder heraus, wo man hineingegangen war. Nichts war wie es schien und erst der zweite Blick offenbarte: eine unscheinbare Öffnung nebenan, von einem blauen Perlenvorhang verborgen, führte in die Ausstellungsräume. Unverhofft entpuppte sich so bereits der Eingang als ein Kunstwerk.

Die Ausstellung bot einen umfassenden Überblick über Onos Schaffen. Darunter waren ikonische Frühwerke, zum Beispiel das „Cut Piece“ (1964), eine Performance, bei der sich die Künstlerin von ihrem Publikum die Kleidung vom Leib schneiden ließ. Die Arbeit wurde in Form von Fotoabzügen und Videos gezeigt. Andere Arbeiten waren partizipativ, darunter das „Painting To Be Stepped On“ (1961). Dieses Konzept-Gemälde hängt nicht an der Wand, sondern liegt auf dem Boden und fordert die Besucher*innen dazu auf, es zu betreten.

Cut Piece, performed by Yoko Ono, Carnegie Recital Hall, New York, 1965 Foto: Minoru Niizuma © Courtesy LENONO PHOTO ARCHIVE

Partizipativ waren auch viele der späteren, installativen Werke, die im zweiten Teil der Ausstellung zu sehen waren. Darunter das „Telephone in Maze“ (1971/2011/2013), ein Labyrinth aus Plexiglasscheiben mit einem Telefon in der Mitte. Wer Glück hatte und zur richtigen Zeit am richtigen Ort war, konnte hier einen Anruf der Künstlerin höchstpersönlich entgegennehmen. Die Ausstellung zeigte außerdem verschiedene Filmarbeiten und inkludierte erstmals auch Yoko Onos musikalisches Schaffen in einer eigenen Abteilung (intern liebevoll „der Plattenladen“ genannt). Damit würdigte die Ausstellung nicht nur sechzig Jahren ihres künstlerischen Schaffens, sondern auch die enorme Vielseitigkeit der Künstlerin.

Yoko Onos Performances im Frankfurter Dominikanerkloster

Ein Ereignis, das vielen Frankfurter*innen bis heute in besonderer Erinnerung bleibt, ist Yoko Onos Performance am 13. Februar 2013. Es war ein aufregender Abend. Die Tickets waren rasend schnell ausverkauft, der Saal im Frankfurter Dominikanerkloster bis auf den letzten Stehplatz gefüllt. Yoko Ono kam unbemerkt in einer Limousine vorgefahren und betrat das Gebäude durch den Hintereingang, in Begleitung ihres Assistenten und eines Bodyguards. Ihre Anforderungen an die Backstage-Garderobe waren bescheiden: Es sollte ein privater Raum sein und Teewasser sollte bereitstehen.

Ausstellungsansicht, Schirn Kunsthalle, 2013, Foto: Norbert Miguletz
Ausstellungsansicht, Schirn Kunsthalle, 2013, Foto: Norbert Miguletz

Als sie pünktlich im Veranstaltungssaal erschien, wie gewohnt mit Hut, Sonnenbrille und elegant in Schwarz gekleidet, wurde sie von tosendem Applaus und „I love you!“ Rufen begrüßt. Auf dem Programm standen drei Performances: „Sky Piece to Jesus Christ“ (1965), ein „Action Painting“ und das „Promise Piece“ (1966). Ein kurzes Video hält die Performances für die Nachwelt fest.

Zuerst kamen die Musiker*innen der Jungen Deutsche Philharmonie auf die Bühne. Für das „Sky Piece“ stimmten sie – passend zum Ausstellungstitel – Antonín Dvořáks „Serenade for Wind“ an. Mitarbeiter*innen der SCHIRN hatten nun die Aufgabe, die Musiker*innen mit Mullbinden zu umwickeln. Die Performance endete, als alle Musiker*innen soweit eingewickelt waren, dass sie keinen Ton mehr hervorbringen konnten. Im Laufe der Performance verwandelte sich der Wohlklang zunehmend zur Kakophonie, in die sich bisweilen Gelächter des Publikums mischte. Für einen Moment beschwor die Performance so den Geist der Fluxus-Konzerte der 1960er-Jahre herauf.

Im zweiten Akt, dem „Action-Painting“ malte Ono mit schwungvollen Gesten japanisch anmutende Schriftzeichen auf eine weiße Leinwand. Ihr Assistent reichte ihr Farbe und Pinsel. Im Anschluss an diese Aktion gab es die Gelegenheit für das Publikum, Fragen an die Künstlerin zu richten. Diese fielen teilweise kurios aus und erinnerten daran, dass Ono eben nicht nur als Künstlerin, sondern vielen vor allem als Pop-Ikone und Friedensaktivistin bekannt ist.

Action Painting, performt von Yoko Ono, Dominikanerkloster Frankfurt, 2013, Foto: Bernd Kammerer
Ein Versprechen der Verbundenheit

Den Abschluss des Abends bildete das zunächst unscheinbare und doch folgenreiche „Promise Piece“. Ein großes Steingutgefäß mit den typischen blauen Bembel-Verzierungen und ein Scherbenhaufen aus demselben Material wurden auf der Bühne platziert. Yoko Ono wies auf die Scherben und das Gefäß und erklärte: “This was a vase exactly like this. And one day in ten years’ time let’s all get together again and make these pieces of ceramics into the vase that it was. Today just take one piece each and in ten years come back with a piece.”

Inzwischen sind zehn Jahre vergangen und das Datum, das damals unendlich fern schien, ist gekommen. Wie nun umgehen mit diesem Werk? War alles nur eine unrealistische Träumerei? Oder lässt sich die Idee vielleicht tatsächlich realisieren? Zur großen Überraschung der SCHIRN-Mitarbeiter*innen, erreichten sie in den vergangenen Wochen zahlreiche Nachrichten von Menschen, die ihre Scherbe gehütet haben, wie ein wertvolles Kunstwerk. Der Geist Yoko Onos ist in Frankfurt offenbar noch immer präsent.

Yoko Ono: Performance „Promise Piece" im Dominikanerkloster Frankfurt, 2013, Filmstill: Varvani

Eine „offizielle“ Zusammenkunft im Dominikanerkloster soll es allerdings nicht geben. Grund dafür ist nicht nur, dass wir Yoko Ono mit ihren 90 Jahren keine lange Überseereise zumuten wollen. Es geht auch um die Anerkennung des poetischen Momentes oder besonderen Schwebezustandes, der ihr Werk kennzeichnet. Wer die Ausstellung gesehen hat, weiß, dass Yoko Ono eine Ideen-Künstlerin ist, die das Immaterielle dem Materiellen oft vorzieht. Viele ihrer Arbeiten zeugen von einem festen Glauben an die Kraft der Imagination. So auch das „Promise Piece“. Hier geht es weniger um die tatsächliche Reparatur eines zerbrochenen Gefäßes, sondern, wie der Titel schon sagt, um das Versprechen selbst und die Verbundenheit oder Gemeinschaft, die es hervorbringt. An diese Möglichkeit der Gemeinschaft – allen Unwägbarkeiten zum Trotz – mögen uns die wohlbehüteten Scherben auch weiterhin erinnern.