Die Künstler*innen Marcel Walldorf, Anna Nero und Robert Schittko bilden die Ateliergemeinschaft Mars und möchten in ihrem neu geschaffenen Veranstaltungsraum gesellschaftlich relevante Arbeit leisten. Am 1. April feiern sie ihre Eröffnung.
Ein Industriegelände an der Ginnheimer Landstraße 35. In unmittelbarer Nähe befinden sich die Türme des Studierendenwohnheims und die Sportanlage des VfR Bockenheim. Auf dem sechsteiligen Firmenschild an der Einfahrt zum Hof fehlt Anfang März noch jeder Hinweis auf die Ateliergemeinschaft Mars. Im vergangenen September sind der Bildhauer Marcel Walldorf, die Malerin Anna Nero sowie der Fotograf und Bildhauer Robert Schittko eingezogen.
„Wir sind noch ein bisschen inkognito hier“, sagt Walldorf, während er seinen Lockenkopf aus der Tür einer Halle steckt, die früher einem Online-Versand für Büroartikel als Lager diente. Wer das Gebäude betritt, steht zunächst im 85 Quadratmeter großen Ausstellungsraum, der durch ein Mosaik aus Glasbausteinen mit Licht geflutet wird. Bei unserem Besuch ist der Ort noch eine Baustelle. Zwischen weißen Trockenbauwänden Marke Eigenbau stehen Kartons voller Kabelstrippen. Eimer mit Epoxidharz, wie es bei der Versiegelung von Fußböden zum Einsatz kommt, bilden einen Turm. „Entschuldigt bitte den Staub!“, sagt ein extrem höflicher Robert Schittko.
Zwei Ausstellungen haben hier bereits während der Renovierungsphase stattgefunden. „Die hatten aber eher den Charakter von Teasern“, sagt Schittko. Offizielle Eröffnung ist am 1. April. Dann startet die von Anna Nero kuratierte Schau „Immaculate“ mit Skulpturen und Bildern des Wiener Künstlers Thilo Jenssen und der Dresdner Künstlerin Layla Nabi, die zurzeit ein Gastsemester an der Städelschule verbringt. Die beiden arbeiten mit vermeintlich glatten, abweisenden Oberflächen, die auf den zweiten Blick für Irritationen sorgen, private sowie politische Perspektiven offenbaren und die Betrachtenden ins Werk hineinziehen.
Wir wollen nicht bloß ein trendiger Off-Space sein, sondern gesellschaftlich relevante Arbeit leisten und für die Menschen hier im Stadtteil da sein.
Regelmäßig soll es Kooperationen mit sozial engagierten Vereinen und Institutionen geben. Anfang des Jahres war der Münchner Verein Lichterkette e.V. zu Gast, der sich gegen Fremdenfeindlichkeit einsetzt. Vor Ort entstand eine Reihe von Videos, in denen Menschen von ihren Erfahrungen mit Rassismus berichten. Im kommenden Sommer werden die „Salongespräche“ des Frankfurter Frauenreferats stattfinden. „Als eine Ateliergemeinschaft, die Randgruppen beinhaltet – ich bin queer und Anna ist jüdisch – möchten wir nicht zuletzt auch ein Safe-Space sein“, sagt Schittko. Zusammen mit Jutta Stocksiefen vom Fotografie Forum Frankfurt und dem queeren Zentrum Kuss41 leitet er einen Fotoworkshop, der sich an junge, queere Erwachsene richtet. Zum Abschluss des halbjährigen Kurses ist eine Ausstellung am Christopher Street Day geplant.
Zur Ausstattung der Ateliergemeinschaft sollen bald auch ein Keramikofen und ein 3D-Drucker gehören, die in Workshops zum Einsatz kommen. In einem kleinen Raum steht ein Hochbett. Gleich um die Ecke gibt es ein Bad und eine Küche. Gastkünstler*innen können hier Quartier beziehen. Langfristiges Ziel ist es, ein Artist-in-Resident-Programm zu etablieren.
Zwischen Einhorn-Mythos, Malerei und fragiler Männlichkeit
Walldorf, Nero und Schittko führen uns nacheinander in ihre Ateliers, die vom großen Veranstaltungs- und Ausstellungsraum abzweigen. An der Wand in Walldorfs Atelier hängt der ausgestopfte Kopf eines Pferdes, auf dessen Stirn eine täuschend echt aussehende Karotte aus Silikon prangt. Die Arbeit ist ein ironischer Kommentar zum Einhorn-Mythos. Im Raum nebenan lehnen zwei großformatige Ölgemälde an der Wand. Anna Nero bereitet gerade eine Ausstellung in New York vor. In ihrem Atelier gibt es keine Fenster – dafür aber jede Menge Platz. Den braucht Nero, weil sie oft an mehreren Bildern gleichzeitig arbeitet. Robert Schittko, einen Raum weiter, lässt sich gerne von der eigenen Biographie inspirieren. Hingucker in seinem Atelier ist die Holzsilhouette eines Bodybuilders, bei dem es sich um Schittkos Vater handelt. Der wuchtige Körper ist mit einer zarten Fotocollage aus Blumenmotiven bedruckt. Fragile Männlichkeit lautet das Thema.
Hilfreich war, dass der Umbau mit Geldern der Frankfurter Leerstandsagentur RADAR gefördert wurde. „Ohne deren Unterstützung hätten wir jetzt weder Strom noch fließend Wasser“ sagt Schittko. „Wegen der Kostensteigerung durch den Krieg kamen wir trotzdem gerade so bei Null raus.“ Nicht zuletzt aufgrund des Handwerkermangels musste das Trio viel selbst anpacken. „YouTube war in den vergangenen Monaten mein bester Freund“, sagt Walldorf. „Ich bin jetzt Tutorial-Junkie und kenne alle Videos, die mit Heimausbau zu tun haben.“ Das Schild an der Straße soll nun auch bald kommen. Gleich nach unserem Treffen will das Trio sich deshalb zusammensetzen. „Die Grafikdesignerin Anne Krieger hat für uns mehrere Logos entworfen“, sagt Walldorf. „Wir müssen bloß noch eines auswählen.“
Ateliergemeinschaft und Veranstaltungsraum Mars