Von den Drei Fragezeichen bis hin zu Tocotronic: Der Comiczeicher, Verleger und Autor Christopher Tauber verwandelt Kindheitshelden in alternde Detektive, bebildert Songtexte und gibt Pumuckl eine Heavy-Metal-Persona.

Schneetreiben in Bornheim. Wir flüchten uns in ein Wohn- und Arbeitszimmer im ersten Stock eines Altbauhauses. Christopher Tauber kocht uns einen starken Kaffee. Würden wir einschneien oder gar das Internet ausfallen – hier ließe sich ohne einen Anflug von Langeweile überwintern. Schallplatten, DVDs, VHS- sowie Hörspielkassetten, Romane, Graphic-Novels und alte Konsolenspiele bilden in hohen, schwarzen Regalen einen auch inhaltlich wilden Mix, bei dem zum Beispiel Stephen King auf den Pumuckl trifft.

Dazwischen finden sich teils originalverpackte Plastikfiguren aus Filmen und Serien wie Star Wars, Peanuts, Goonies und Gremlins. Auf einem Ast sitzt eine ausgestopfte Krähe. Neben dem Schreibtisch hängt ein Porträt von Erich Honecker. „Ich habe ja keinen Chef. Manchmal wirkt so ein freundlicher Blick eines Tyrannen ganz motivierend, wenn ich mal nicht in den Tritt komme“, sagt Tauber und lacht.

Momentan scheint Tauber allerdings sehr gut im Tritt zu sein. Gerade erst sind zwei Werke erschienen, an denen er maßgeblich beteiligt war. Das Medienecho war groß, die Kritiken positiv. Mit der Graphic-Novel „Rocky Beach“ hat er eine düstere Neuinterpretation der Drei Fragezeichen geschaffen. Von ihm stammen Idee und Text. Die Zeichnungen hat Hanna Wenzel beigesteuert. Auch wenn der Plot mit den gealterten Detektiven im Kalifornien der Neunziger spielt, fühlt man sich beim Lesen an die Vereinigten Staaten unter Trump erinnert.

Foto: Neven Allgeier
Foto: Neven Allgeier

Themen wie Rassismus und Polizeigewalt spielen eine Rolle. Eine Abrechnung mit der vermeintlich heilen Welt der Kindheit? „Nein!“, sagt Tauber. „Das Original lebt vom Gefühl der Nostalgie und der Sehnsucht nach Kindertagen. Das nehme ich ernst, das will ich nicht lächerlich machen. Gleichzeitig ist es mir wichtig, ein unverschleiertes Bild der USA zu vermitteln. Kalifornien ist eben nicht nur Hollywood, Surfen und ewiger Sommer.“ Außerdem ist er mit der Geschichte „Let there be Rock“ im aktuellen Sammelband „Sie wollen uns erzählen“ (Ventil Verlag) vertreten. Das Konzept: Comiczeichner*innen bebildern Songtexte der Hamburger Band Tocotronic. Auch hier fungierte Tauber als Autor und Ideengeber. Die Zeichnungen stammen von Katja Klengel.

Das Original lebt vom Gefühl der Nostalgie und der Sehnsucht nach Kindertagen. Das nehme ich ernst, das will ich nicht lächerlich machen.

Christopher Tauber

Aktuell arbeitet er am vierten Band einer Graphic-Novel-Reihe über die Drei Fragezeichen, die ebenso wie das eigenwillige Update „Rocky Beach“ im Stuttgarter Kosmos Verlag erscheint. Der Autor Calle Claus, mit dem Tauber zusammenarbeitet, hat ihm vor kurzem ein Storyboard geschickt. „Die Geschichte spielt auf einer Wrestling-Show“, erzählt er. 120 Seiten gilt es zu zeichnen. Rund fünf Monate braucht Tauber dafür. Für den zweiten Band wurde er 2018 mit dem renommierten Max-und-Moritz-Preis in der Kategorie „Bester Comic für Kinder und Jugendliche“ ausgezeichnet. Auf der Schreibtischplatte liegt ein iPad, direkt daneben ein digitaler Stift. „Früher war ein Bleistift mit dem Härtegrad 2B mein wichtigstes Werkzeug“, sagt Tauber. „Seit einiger Zeit arbeite ich fast nur noch auf dem Tablet. Es ist so handlich wie ein Zeichenblock. Man hat Armfreiheit, kann es drehen wie man will und überall mit hinnehmen.“

Seine ersten Geschich­ten veröf­fent­lichte Tauber bereits als Teenager

In seiner Kindheit hat Tauber Comics wie Lucky Luke, Asterix und Garfield nicht nur gelesen, sondern auch leidenschaftlich gerne abgezeichnet. Frei Hand, versteht sich, nicht etwa mit Hilfe von Pauspapier. „Ich konnte mich stundenlang in diese Bilderwelten vertiefen“, erinnert er sich. Später entdeckte er das Mad Magazin für sich und wurde Fan. Seine ersten eigenen Geschichten veröffentlichte er im Alter von 14 Jahren in einem Fanzine mit dem Titel „Paranoid“, das Tauber zusammen mit seiner damaligen Freundin betrieb. Während eines Praktikums Stuttgarter Dino Verlag traf er zum ersten Mal auf Menschen, die vom Comiczeichnen leben konnten. „Da habe ich mir gedacht: Wenn das geht, dann versuche ich das auch.“

Foto: Neven Allgeier

Seit Beginn der Nullerjahre sind Taubers Comics – teils unter seinem Pseudonym Piwi – in namhaften Verlagen wie Ventil, Kosmos, Suhrkamp oder Ehapa erschienen. Er macht aber keinen Hehl daraus, dass er gerade in den Anfangsjahren die verschiedensten Jobs annehmen musste, um finanziell über die Runden zu kommen: „Ich habe schon Mangas gelettert, die Comics anderer Zeichner koloriert und war Leserbriefonkel für Comichefte, um mich irgendwie durchzuwurschteln“, erzählt er. „Wenn gar nichts mehr ging, habe ich im Plattenladen gearbeitet.“

Popkulturelle Phänomene erhalten ein Eigenleben

Seit einiger Zeit betreibt Tauber zusammen mit dem Illustrator Stefan Dinter den Zwerchfell-Verlag. Drei bis fünf Bücher pro Jahr bringen die beiden Verleger heraus. Erklärtes Ziel ist es, begabten Zeichner*innen den Rücken zu stärken, die bei anderen Verlagen keinen Platz finden. Für Tauber und Dinter ein Non-Profit-Unternehmen: „Wir verdienen kein Geld damit – im Gegenteil. Es kommt schon mal vor, dass wir unser Hotelzimmer selbst zahlen müssen, wenn wir zum Beispiel auf einer Messe sind.“ Bei Zwerchfell erscheint auch Taubers Heavy-Metal-Version des Pumuckl, die mit Flaumbart und Pickelgesicht in den Geschichten um „Motör Eder und sein TRUEmuckl“ ihr Unwesen treibt. Popkulturelle Phänomene aufgreifen und in etwas Eigenständiges verwandeln: Dieses Prinzip ist typisch für Taubers Arbeitsweise.

Foto: Neven Allgeier

Zum Schluss erzählt er uns von seinem „ambitionierten Hobby“, wie er es nennt. Neben Comics schreibt er nämlich immer wieder auch an Filmideen. Für eines seiner Projekte mietete er bei Bad Orb eine Kleinspurbahn, stellte eine Kamera in den Führerstand und platzierte Zombie-Darsteller*innen links und rechts der Gleise. Das Ergebnis trug den Titel „Die schönste Bahnstrecke Hessens“ und war eine Mischung aus Horror-Film und Führerstandsvideo – beides Genres, die ein leicht trashiges Image haben, von Tauber jedoch sehr geschätzt werden. Der Film ist auf diversen Festivals in den USA gelaufen. „Solche Projekte würde ich in Zukunft gerne öfter machen.“

Foto: Neven Allgeier

SCHIRN MAGAZIN NEWS

Die besten Artikel, Filme und Podcasts jetzt direkt auf dein Smartphone.

Zum Newsletter anmelden