Von nachhaltigen Mondlampen und einer Tierclique aus Bronze: Ein Studiobesuch beim Frankfurter Produktdesigner und Gestalter Kai Linke.

Eine ehemalige Teefabrik am Rande des Europaviertels. Unter dem Dach einer Ateliergemeinschaft im zweiten Stock befindet sich das Studio des Produktdesigners Kai Linke. Die hohen Wände des lichtdurchfluteten Raums wurden mit weißer Magnetfarbe gestrichen und bieten Halt für Poster, Skizzen und Entwürfe. Hinter einem zugezogenen Vorhang verbirgt sich eine Werkbank.

Durch das Panoramafenster neben Linkes Schreibtisch sieht man, wie rasant sich das Viertel gerade verändert: Wolkenkratzer, etwa der fast fertiggestellte „Grand Tower“ und das in den Himmel wachsende Hochhaus „One“ bilden im Westen der Stadt eine neue Skyline. Ende des Jahres soll die alte Teefabrik abgerissen werden. „Ich habe das Gefühl, die Abrissbirne schwingt immer dicht hinter mir her“, sagt Linke und lacht. Es ist nicht das erste Mal, dass er mit seinem Studio einem Bauvorhaben weichen muss.

Besonderer Blickfang ist eine Garderobe in Form eines Lassos

Blickfang im Raum ist die Garderobe – vielleicht weil sie die Form eines Lassos hat. „Sie ist Teil eines Ensembles, zu der auch noch ein Tisch und ein Stuhl aus Schaumstoff gehören, auf denen man zwar nicht sitzen kann, die sich aber ganz prima für eine Saloon-Schlägerei eignen“, erzählt Linke. Entstanden sind seine „Möbel für den modernen Cowboy“ bereits in den Nullerjahren, während seines Studiums an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung.

Foto: Neven Allgeier

Damals bewegte er sich mit seinen Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Kunst und Design. „Früher hat es mich genervt, wenn jemand mich fragte, in welche der beiden Kategorien sie fallen“, sagt Linke. „Heute lautet die Antwort ganz klar: Design – auch wenn meine Entwürfe oft etwas freier und unkonventioneller sind, als die Leute das hierzulande gewohnt sind.“

Auf einem Zeichentisch, der Linke begleitet, seit er um die Jahrtausendwende in Darmstadt ein paar Semester Architektur studierte, liegen einige seiner aktuellen Designobjekte: Eine aus einem schlichten Kantholz gefertigte Lampe zum Beispiel. Sie lässt sich am Stromkabel unter die Decke hängen und kann dank einem verschiebbaren Gewicht – das ist der Clou – völlig unerwartete Neigungswinkel einnehmen. Es handelt sich um eine frühe Arbeit, die von einem dänischen Hersteller vertrieben wurde.

Heute lautet die Antwort ganz klar: Design [...]

Kai Linke
Foto: Neven Allgeier

Zu seinen aktuellen Werken gehören Ofenkacheln für eine deutsche Firma, deren Oberfläche an gefaltetes oder zerknülltes Papier erinnert. Außerdem ein dreiteiliges Kinderbesteck aus einem Gemisch aus Bambusfasern und Melamin sowie eine Serie von Türklinken aus Porzellan. Fünf Jahre lang hatte Linke auch einen Lehrauftrag an der Kunsthochschule in Kassel, der vor rund einer Woche auslief. „Das hat mir Spaß gemacht“, sagt er. „Ich kann mir gut vorstellen, bald wieder zu unterrichten.“

Linke arbeitet für namhafte Auftraggeber und Hersteller. Für das Frankfurter „Lindley Lindenberg Hotel“ und das Restaurant „Seven Swans“ hat er Wandvertäfelungen entworfen. Manufactum hat eine von ihm designte Brotbox im Sortiment. Das Label Pulpo vertreibt dekorative Tierfiguren aus Bronze, die Linke während einem Arbeitsstipendium im Schloss Solitude bei Stuttgart entwickelte. „Nach einer Phase, in der ich ziemlich viel am Computer gearbeitet hatte, wollte ich mich unbedingt wieder mehr mit den Händen beschäftigen“, erinnert er sich. Jeden Morgen gleich nach dem Aufstehen, fertigte Linke ein Tier aus Papier – insgesamt entstanden 24 Exemplare. Vier von ihnen – Nashorn, Reh, Giraffe und Ente wurden später in Bronze gegossen. „Ich fand, das war eine starke Clique.“ Weitere Tiere sind in Planung. Vor kurzem ist ein Gorilla zu der Viererbande gestoßen.

Foto: Neven Allgeier
Foto: Neven Allgeier
Foto: Neven Allgeier

Von seiner Wertschätzung für gut gemachtes Handwerk zeugt auch ein Buch mit Texten und Handy-Fotos, das Linke im Anschluss an eine Japan-Reise herausgebracht hat. 2018 war er auf Einladung des Goethe-Instituts Stipendiat in der Villa Kamogawa in Kyoto. Im Umkreis von 120 Kilometern besuchte er ein Dutzend Handwerksbetriebe. Ihn fasziniert, wie Tradition dort auf Moderne trifft. Begeistert erzählt er von einem jungen Spiegelbauer. „Er kommt mit dem Skateboard in die Werkstatt, setzt sich auf den Boden, hört Techno und schleift dabei Bronzescheiben stundenlang mit der Hand. So lange, bis man sich darin spiegeln kann.“

Wenige Tage nach unserem Besuch soll in Frankfurt die „Luminale“ stattfinden. Linke hat im Auftrag des Lichtkultur-Festivals eine Lampe mit Ladekabel und Magnethalterung entworfen. Das mondförmige Objekt ist in eine Henkeltasche aus reiß- und regenfestem Tyvek (einem Kunststoff, der optisch an Papier erinnert) integriert, aus der es sich unkompliziert heraustrennen lässt.

Foto: Neven Allgeier

„Die Lampe soll kein Wegwerfartikel sein – nach dem Motto: Die Kinder hatten ihren Spaß und dann tschüss“, sagt Linke. Sie sei durchaus auf Nachhaltigkeit angelegt. Gefertigt wurde sie in einer Auflage von 500 Exemplaren von der Frankfurter Werkgemeinschaft (FWG), die Menschen mit psychischen Erkrankungen eine Berufsperspektive bietet. Die rund 25 Euro, die eine Lampe kostet, werden an die FWG weitergegeben. Draußen wuchten Kräne weitere Bauteile auf den „One“-Tower, der jeden Tag ein Stückchen höher neben dem Einkaufszentrum Skyline-Plaza aufragt. „Das geht wirklich schnell hier“, sagt Linke beim gemeinsamen Blick aus dem Fenster, bevor wir uns dann auch schon wieder verabschieden.

Die Lampe soll kein Wegwer­far­ti­kel sein – nach dem Motto: Die Kinder hatten ihren Spaß und dann tschüss.

Kai Linke
Foto: Neven Allgeier

Mehr aus der Reihe

Frankfurts kreative Szene

069