Heute ist kaum bekannt, dass sich der Begriff „Yellow Press“ von einem Comic ableitet, der zu einem regelrechten Zeitungskrieg zwischen den beiden großen US-amerikanischen Zeitungsmagnaten Joseph Pulitzer und William Randolph Hearst führte.

Ende des 19. Jahrhunderts begann eine neue Ära für das Medium der Zeitung. 1883 kaufte der in Ungarn geborene Verleger Joseph Pulitzer die damals defizitäre Zeitung „New York World“. Er verwandelte sie zu einem ungewöhnlich schrillen Blatt und machte sie so innerhalb kürzester Zeit zu einer der einflussreichsten Zeitungen des Landes. Gut ein Jahrzehnt später, 1895, betrat der 16 Jahre jüngere William Randolph Hearst den New Yorker Zeitungsmarkt und kaufte das „New York Morning Journal“. Er stammte aus einer millionenschweren Westküsten-Familie und hatte dort bereits die bankrotte Zeitung „San Francisco Examiner“ durch seine Übernahme wieder zum Erfolg geführt. In New York versuchte er nun seinen Konkurrenten mit noch spektakuläreren Schlagzeilen und grellerer Aufmachung die Leser abspenstig zu machen. Die Boulevardpresse war geboren.

William Randolph Hearst, Image via boweryboyshistory.com

Hearst begann einen Preiskampf: zunächst verkaufte er seine Sonntagszeitung für 1 Cent statt der sonst üblichen 3 bis 5 Cent und verdoppelte dadurch vom einen Tag auf den anderen die Auflage. Seine zweite Kampfansage betraf die Gehälter der wichtigsten Angestellten: der Comiczeichner.

Schokoladenfiguren und Zigarren

1896 warb Hearst durch die Zahlung höherer Gehälter fast die gesamte Zeichner-Abteilung Pulitzers ab, inklusive seinem wichtigsten Mann Richard F. Outcault. Der hatte für Pulitzers Zeitung „New York  World“ die Serie „Hogan´s Alley“ gezeichnet. Deren Protagonist war ein kleiner Junge mit abstehenden Ohren in einem gelben Nachthemd. Outcaults Comic war bei der Leserschaft so beliebt, dass die Auflage der Zeitung enorm stieg. Merchandising-Artikel erschienen in allen erdenklichen Formen – von Ansteckern über Schokoladenfiguren bis hin zu Zigarren – und die Comicfigur wurde zu einer Art Maskottchen der „New York World“.

Joseph Pulitzer, Image via commons.wikimedia.org

Das gelbe Nachthemd war für die Leser eine neue optische Attraktion. Lange Zeit war es den Zeitungsdruckern nicht gelungen gelbe Farbe zu herzustellen, welche schnell trocknete und nicht verschmierte. Gelb war die letzte Farbe, die für den Vierfarbendruck fehlte. Nun also konnten die Boulevardzeitungen endlich in allen Farben (des Regenbogens) Bilder und eben auch Comics drucken. Sprechen wir im Deutschen bei Boulevardzeitungen von der „Regenbogenpresse“, gibt es im Amerikanischen das Äquivalent „Yellow Press“. Dieser Begriff ist der Legende nach durch das gelbe Nachthemd der Figur von Outcault entstanden.

Der Autoren-Comic

Nachdem Hearst nun Outcault abgeworben hatte, erschien in seiner Zeitung dieselbe Figur, allerdings unter dem Serientitel „The Yellow Kid“, was zum ersten Urheberrechtsstreit der modernen Mediengeschichte führte. Ein New-Yorker Gericht entschied, dass die Rechte an der Figur beim Künstler liegen und dieser beim Wechsel des Arbeitgebers seine Figuren mitnehmen darf. Der Verleger behielt allerdings das Recht am Titel der Serie. Pulitzer ließ diese also kurzerhand von einem anderen Zeichner weiterführen, so dass auch seine Zeitung weiterhin einen Jungen im gelben Nachthemd zeigte. Über die beiden sich bekriegenden Zeitungen mit den ähnelnden Comicfiguren sprach man nun als „Yellow Kid Journalism“.

The Yellow Kid, Image via commons.wikimedia.org

Die Konkurrenz unter den Verlegern wiederum machte die Comiczeichner zu reichen und gefragten Männern und führte dazu, dass sie große Freiheiten genossen. Der Comic steckte noch in den Kinderschuhen, war ein relativ neues Medium und man war sich noch nicht im Klaren, welche neuen Trends sich bei den Lesern durchsetzen würden. Man ließ also die Zeichner gewähren und gab ihnen viel Spielraum für Kreativität und Experimente. Und die Comiczeichner zeichneten nicht nur ihre Figuren, sondern waren auch die Autoren ihrer Geschichten. Dies sollte sich später ändern. Doch in den ersten Jahren des Mediums kann man, in Analogie zum Film, auch vom Autoren-Comic sprechen.

Citizen Kane

In Hearsts und Pulitzers Zeitungen wurden auch – man muss fast sagen leider – politische Themen behandelt. Mit überspitzten und verfälschten Artikeln versuchten beide Herausgeber, im Kuba-Spanien-Konflikt die USA in einen die Auflage steigernden Befreiungskrieg zu führen. 1897 schickte Hearst einen Reporter nach Kuba, doch als dieser meldet, dass alles ruhig sei, soll Hearst ihn wütend aufgefordert haben zu bleiben, er werde schon für den Krieg sorgen. Den Zeitungen gelang es, die Stimmung gegen Spanien anzuheizen. Die folgenden kriegerischen Ereignisse brachten Pulitzer jedoch zum Umdenken und er widmete sich wieder dem investigativen Journalismus. Pulitzer ist bis heute für seinen Journalismus und als Namensstifter der Journalisten- und Medienauszeichnung „Pulitzer-Preis“ bekannt. Sein Konkurrent Hearst baute sein Zeitungsimperium immer weiter aus und wurde zu einem der reichsten Menschen seiner Zeit: die Titelfigur in Orson Welles' Filmklassiker „Citizen Kane“ ist an seine Person angelehnt.

Image: Library of Congress