Vom 22. Juni bis zum 1. Oktober 2023 widmet die SCHIRN der bewegten Geschichte von Plastik in der bildenden Kunst eine große Themenausstellung. Hier sind 5 Gründe, weshalb sich der Besuch lohnt.

1. Plastik als Spiegel der Gesellschaft

Die SCHIRN widmet der bewegten Geschichte von Plastik in der bildenden Kunst erstmals eine große Themenausstellung. Diese eröffnet das breite Panorama der künstlerischen Verwendung und Bewertung des Materials von den 1960er-Jahren bis heute. Das Spektrum reicht von der Euphorie der Popkultur über den futuristischen Einfluss des Space Age und die Trash-Arbeiten des Nouveau Réalisme bis zu ökokritischen Positionen der jüngsten Zeit; es umfasst Architekturutopien ebenso wie Experimente mit Materialeigenschaften. Objekte, Assemblagen, Installationen, Filme und Dokumentationen zeigen die Vielfalt der Stoffe, Formen und Materialien und spiegeln dabei auch den jeweiligen gesellschaftlichen Kontext.

Francis Alÿs, Barrenderos (Sweepers), Mexico City 2004, in Zusammenarbeit mit Julien Devaux, Setfoto, © The Artist
2. Alles so schön bunt hier

Plastik wird in den 1960er-Jahren zu dem ikonischen Material der Pop Art und ist in Kunst und Design gleichermaßen beliebt. Fasziniert von der Konsumkultur und den Dingen des täglichen Lebens, baute etwa Claes Oldenburg Waschbecken, Eisbeutel oder Lichtschalter aus Vinyl. Öyvind Fahlströms persiflierte 1967 mit seiner raffinierten Umkodierung des Markenzeichens ESSO in LSD auf spielerische und provokante Weise die Logos der Werbung – und reflektierte nicht zuletzt die Allgegenwärtigkeit der Petrochemie. James Rosenquist, der als Maler von Werbeplakaten begonnen hatte, nutzte für seine raumgreifenden Motive wie „Forest Ranger“ (1967) BoPET, einen reißfesten Polyesterfilm, der im Raum schwebend platziert gleichsam die Malerei erweitert. Omnipräsent ist in der männlich dominierten Kunstwelt dieser Zeit auch der Blick auf den weiblichen Körper, den Künstlerinnen wie Nicola L. oder Kiki Kogelnik konterkarierten. Für ihre Cut-outs wie „Man with Ingredients“ (um 1970) schnitt Kogelnik die Konturen ihrer männlichen Künstlerkollegen aus, die ihr am Boden liegend dafür als Modelle dienten.

César, Expansion à la boite d’oeufs, ca. 1970 ©SBJ / VG Bild-Kunst, Bonn 2023
3. Ein begehbares Seemonster

Auch der deutsche Künstler Otto Piene verband moderne Technik und Natur. In einem begehbaren Environment von rund 160 Quadratmetern präsentiert die SCHIRN eine Neuauflage von „Anemones: An Air Aquarium“ (1976/2023). Zehn riesige, bis zu acht Meter große, aufblasbare und durchsichtige Seeanemonen sowie andere Seewesen machen Unterwasserwelten erlebbar. Die zu ihrer Entstehungszeit poetische und spielerische Dimension der Arbeit wird heute durch das Wissen um die Verschmutzung der Meere durch (Mikro)plastik überlagert.

Otto Piene, Anemones: An Air Aquarium, 1976, Neuproduktion, 2023 © Otto Piene estate/VG Bild-Kunst, Bonn 2023, © Foto: Peter Moore
4. Von Pop zu Trash

Bereits in den 1960er-Jahren interessierten sich Künstler des Nouveau Réalisme wie Arman weniger für das glatte, schöne Material als für das, was am Ende übrigbleibt. In seinen „Poubelles“ (Mülleimern) aus Acrylglas häufte Arman das Abfall-Sammelsurium seiner Zeit an. Mit „Accumulation rasoirs (pour Ben)“ (1960), einem Kasten voller alter Rasierapparate, verweist er kritisch auf die Plastikbegeisterung der Popkultur. Auch Christo wechselte die Perspektive und enthüllte die Mechanismen der Konsumgesellschaft, indem er wie in der frühen Arbeit „Look“ (um 1965) die Gewichtung zwischen Inhalt und Verpackung austauscht und letztere zum Hauptakteur seiner Kunst macht. Plastikmüll steht auch im Mittelpunkt jüngerer Arbeiten wie in Francis Alÿs’ Film „Barrenderos“ (2004), der Straßenkehrer bei der nächtlichen Beseitigung von Bergen von Plastikabfällen in Mexico City zeigt. Die großformatigen Materialcollagen des äthiopischen Künstlers Elias Sime offenbaren bei näherer Betrachtung, dass sie aus Zivilisationsabfall wie Elektroschrott, Computerplatinen aus Kunststoff oder plastikummantelten Kabeln zusammengebaut wurden, der sich zu einer besonderen Kartografie unserer Gegenwart zusammenfügt.

Christo & Jeanne Claude , Look, um 1965 © VG Bild-Kunst, Bonn 2023
5. Ein Baum aus Plastik

Im Außenraum präsentiert die SCHIRN eine monumentale Installation von Pascale Marthine Tayou. Der in Belgien lebende Künstler aus dem Kamerun verwendet in seinen Arbeiten u. a. Plastikeimer, die in „L’arbre à palabres" (2012/2023) die Krone eines verstörend schönen künstlichen Baumes formen. Seine Arbeit verweist plakativ auf den üblichen massenhaften Gebrauch des günstigen Materials (nicht nur) in Afrika und liefert zugleich einen Kommentar über den Zustand unserer Ökosysteme.

Pascale Marthine Tayou, L’arbre à palabres, 2012, Courtesy the artist and Galleria Continua, © VG Bild-Kunst, Bonn 202

PLASTIC WORLD IN 3D

PLASTIC WORLD

22. JUNI – 1. OKTOBER 2023

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