Liedermacher, Sänger, gefeierte Nachwuchshoffnung des Austropop: Ein Interview mit dem österreichischen Musiker Voodoo Jürgens

Voodoo Jürgens trägt Schnäuzer, tritt mit alter Wandergitarre auf und singt schnörkellos-poetische Lieder in breitestem Dialekt. In Wien ist er bereits eine kleine Berühmtheit. Bevor Ende September sein erstes Album erscheint und er vielleicht Weltruhm erlangt, gibt er ein Konzert beim SCHIRN-Sommerfest, bei dem die Ausstellung „Kunst für alle. Der Farbholzschnitt in Wien um 1900“ eröffnet wird. Im Interview spricht Voodoo Jürgens über Ein-Strich-Zeichnungen, seine Freundschaft zu Pete Dorothy und seine Liebe zum Dialekt.

Schirn Magazin: Wie soll ich Dich nennen – Voodoo oder David?

Voodoo Jürgens: Voodoo.

SM: Wie bist Du überhaupt zu dem Namen gekommen?

VJ: Ich habe früher in einer anderen Band gespielt, die Die Eternias hieß. Bei jedem Album haben wir Bandmitglieder uns neue Namen gegeben. Es war ein Running Gag unter uns dafür prominente Namen zu verdrehen. Bei mir ist irgendwann einmal Voodoo Jürgens herausgekommen. Und das ist dann hängengeblieben.

SM: Warum hat sich Die Eternias aufgelöst?

VJ: Laura (Landergott, Anm. der Redaktion) ist nach Berlin gegangen und spielt jetzt Gitarre bei der Band Ja, Panik. Außerdem hat es uns zehn Jahre lang gegeben. Das war dann irgendwie genug.

SM: Bei Eternias hast Du englisch gesungen. Als Voodoo Jürgens singst Du urwienerisch. Warum Dialekt?

VJ: Für mich ist es viel natürlicher Dialekt zu singen. Das ist die Sprache, die ich rede. Und deshalb kann ich mich darin einfach besser ausdrücken. Dialekt zu singen hat mich von Anfang an interessiert. Bei Eternias hat es sich halt ergeben, dass man englisch singt. Es brauchte anscheinend einfach Zeit, bis ich die Dialekt-Sache endlich durchziehen konnte. Wenn ich für Eternias Texte geschrieben habe, musste ich mich schon manchmal mit dem Wörterbuch hinsetzen – und dann war es vielleicht doch nicht ganz richtig, sondern so ein komisches Schulenglisch.

Foto: Wolfgang Bohusch
Foto: Wolfgang Bohusch

SM: Wurde Dir als Dialektsänger schon mal Heimattümelei vorgeworfen?

VJ: Bis jetzt zum Glück noch nicht. Ich glaube, es ergibt sich einfach aus den Texten, dass meine Musik nichts mit Heimatliebe zu tun hat. Warum soll es mir nicht erlaubt sein, so zu singen, wie ich rede? Das hat gar nichts mit Patriotismus zu tun. Ich glaube, das ist von Anfang an klar gewesen. Aber natürlich kann es sein, dass Dialektmusik auch eine Klientel anspricht, die bei einer anderen Sprache nicht hinhören würde.

SM: Du bist nicht der einzige, der Dialekt singt. Seit einiger Zeit ist Austropop wieder sehr angesagt: Wanda, Bilderbuch und der Nino aus Wien sind über Österreich hinaus bekannt geworden. Du giltst als das nächste große Nachwuchstalent. Der „Musikexpress“ hat dich als „Zukunft des Austropop“ bezeichnet, das Magazin „Interview“ als „upcoming Austropop-Überflieger“. Bist Du geehrt?

VJ: Das sind auf jeden Fall ein Haufen Vorschusslorbeeren gewesen. Man freut sich einerseits drüber, dass die erste Single so gut angenommen wird, aber zu ernst darf man das Ganze auch nicht nehmen. Sicher ist es gerade auch keine schlechte Zeit, um Austropop zu machen. Aber ich habe mich nicht dazu entschlossen, Dialekt zu singen, weil es gerade modern ist.

SM: Weißt du schon, was du machen wirst, wenn du megaberühmt bist?

VJ: (lacht) Ich würde mir wahrscheinlich eine Wohnung suchen. Zur Zeit wohne ich nämlich noch in einem WG-Zimmer.

SM: Du lebst in Wien, stammst aber aus Tulln. Das ist eine Kleinstadt, über die du ein Lied geschrieben hast. Darin heißt es: „Dort bin ich her / von dort bin ich davongerannt / wo sie hinterrücks reden / wo sich jeder kennt / wo die Blumen so schön sind / wo’s einen Campingplatz gibt“. Auf der Homepage von Tulln klingt die Stadtbeschreibung etwas anders: „Tulln ist ein dynamisches Zentrum mit der sozialen Wärme einer Kleinstadt“. Ohne jemals dort gewesen zu sein, hört sich deine Version für mich realistischer an. Ist deine Tulln-Beschreibung so eine „Voodoo-Jürgens-Wahrheit“, von der du mal gesprochen hast?

VJ: Na ja, in dem Lied über meine Heimatstadt ist alles, was ich singe, tatsächlich so passiert. Aber das ist nicht bei jedem Lied der Fall. Die Idee hinter Voodoo Jürgens ist es, Geschichten mit Wahrheiten so zu verstricken, dass alles zu einer Wahrheit wird. Es ist ja so: Nicht alles, was wahr ist, muss auch wirklich passiert sein. Es wäre uninteressant, wenn die Liedtexte nur auf Fakten basieren würden.

SM: Tulln ist auch die Geburtsstadt von Egon Schiele. Wie gefällt dir seine Kunst?

VJ: Gut. Ich habe mit Schiele immer etwas anfangen können.

SM: Interessierst du dich für bildende Kunst?

VJ: Ja, das ist eine Ecke, aus der ich viele Leute kenne und die ich selbst auch ein bisschen betreibe.

SM: Inwiefern?

VJ: Ich zeichne. Zwei Freunde von mir bringen im Selbstverlag ein Kunstmagazin heraus, in dem von Zeit zu Zeit auch Arbeiten von mir veröffentlicht werden.

Foto: Wolfgang Bohusch
Foto: Wolfgang Bohusch

SM: Wie würdest du selbst deinen Zeichenstil beschreiben?

VJ: Ich sage immer "Ein-Strich-Zeichnungen" dazu, weil ich den Stift nicht absetzte, bevor die Zeichnung fertig ist. Daraus ergibt sich eine eigene Dynamik. Wenn man ein paar Bilder von mir gesehen hat, dann erkennt man meine Arbeiten.

SM: Zurück zur Musik: In Wien gibst du oft in Beisln Konzerte. Das sind traditionelle Kneipen. Sind solche Kneipenkonzerte in Österreich üblich?

VJ: Nein. Aber es hat sich aus dem Projekt Voodoo Jürgens ergeben, und es funktioniert gut. Das Witzige bei dem Projekt ist, dass es in vielen Kontexten gut funktioniert – in einer Kunsthalle genauso wie in einem urigen Lokal.

SM: Und auf der Bühne der Wiener Stadthalle. Dort warst du Support der Libertines, der Band von Pete Dorothy. Wie kam es dazu?

VJ: Ich habe Pete vor Jahren einmal in Wien kennengelernt, wo er allein gespielt hat. Wir sind irgendwie ins Plaudern gekommen und sind den ganzen Abend gemeinsam umhergezogen. Am Ende des Abends haben wir E-Mail-Adressen ausgetauscht. Pete hat jemanden in Graz gekannt, und immer, wenn er dort gewesen ist, hat er sich bei mir gemeldet. So haben wir uns vier-, fünfmal getroffen. Irgendwann einmal habe ich gelesen, dass die Libertines in der Stadthalle spielen – und da dachte ich: Ich frage ihn einfach einmal, weil wir schon darüber gesprochen hatten, gemeinsam zu spielen. Er war von Anfang an von der Idee begeistert.

SM: Am 5. Juli stehst du dann auf der Bühne des SCHIRN-Sommerfestes. Was erwartet das Publikum bei deinem Auftritt?

VJ: Ich bin selbst gespannt, weil es das erste Konzert außerhalb von Österreich ist. Ich kann mir also ziemlich sicher sein, dass man mich schlecht versteht. Darüber habe ich mir Gedanken gemacht und mir überlegt, dass es gut wäre, vor jedem Lied ein bisschen zu erzählen, worum es geht. Mir macht es Spaß, diesen Wiener Dialekt wiederaufleben zu lassen. Er ist ein bisschen am Aussterben. Ich bin aber mit ihm aufgewachsen, und sein Kern existiert noch in mir. In Wien funktioniert das ziemlich gut. Die Leute kennen den Dialekt noch, obwohl er nicht mehr wirklich da ist. Für jemanden von Außerhalb kann es aber genauso interessant sein. Dazu kommt, dass Musik auch allein durch seine Stimmung berühren kann – der Eros-Ramazzotti-Effekt.

Foto: Wolfgang Bohusch
Foto: Wolfgang Bohusch