Die Liste seiner Auftraggeber liest sich beachtlich: Fotograf Zino Peterek aus Offenbach ist viel unterwegs und hält gesellschaftlich brisante Ereignisse fest. Sein Blick auf die Welt ist dabei erstaunlich intim.

Während seine beiden Katzen im Wohnzimmer Mittagsschlaf halten, sitzen wir bei Zino Peterek in der Küche. Er gießt Kaffee in zwei Tassen mit Gustav-Klimt-Motiv. „Ich dachte, das passt zu euch.“ Was zu ihm passt, ist das riesige Eintracht-Frankfurt-Logo, das über dem Küchentisch hängt. Peterek ist Fan seit seiner Kindheit. Im Anschluss an unseren Besuch wird er sich auf den Weg ins Waldstadion machen, wo seine Lieblingsmannschaft heute Abend im Europa-Leaque-Viertelfinal-Hinspiel gegen den FC Barcelona antritt.

Neben der Tür steht ein turmhoher, drehbarer Zeitungsständer. In den Fächern aus Drahtgeflecht stecken Zeitschriften, für die Peterek schon gearbeitet hat. Ausgaben von 11FREUNDE und chrismon zum Beispiel. Peterek ist freier Fotograf. Weil er viel unterwegs ist, braucht er keinen festen Arbeitsplatz. In der Altbauwohnung in der Nähe des Offenbacher Bahnhofs, in der er zusammen mit seiner Freundin lebt, lagert sein Equipment unauffällig hinter der Wohnzimmertür: Der Rucksack mit der Digitalkamera. Ein Koffer voller Blitzköpfe.

Es geht um Menschen und Geschichten

„In all meinen Arbeiten geht es um Menschen und ihre Geschichten – auch wenn auf vielen meiner Fotos überhaupt gar keine Personen zu sehen sind“, erzählt Peterek. Oft sind es Ereignisse von gesellschaftspolitscher Brisanz, die er mit seiner Kamera festhält: beispielsweise die Ausschreitungen während des G20-Gipfels in Hamburg, die Protestcamps im Dannenröder Forst oder das Aartal nach der Flutkatastrophe. Sein Blick auf die Welt ist journalistisch, dokumentarisch – dabei aber dennoch erstaunlich intim. Mit Auftragsarbeiten finanziert er seine vielen freien Projekte.

Eines davon ist seine Fotoserie „Racist Traces“, die bis vor kurzem im Rahmen der internationalen Wochen gegen Rassismus vor dem Frankfurter Waldstadion zu sehen war: Auf wetterfeste PVC-Banner gedruckte Porträts von Menschen, die Alltagsrassismus erfahren haben. Auf der Rückseite der Banner erzählen sie in kurzen Texten ihre Geschichte. Die Serie wurde zuerst im Vice-Magazin veröffentlicht. Inzwischen ist daraus eine Wanderausstellung geworden, die auch an Schulen gezeigt wird.

Foto: Neven Allgeier
Der Wunsch, Fotograf zu werden, kam erst später

Peterek erzählt von einem seiner allerersten Fotoprojekte: „Als Kind bin ich mit einer billigen Analogkamera durch die Straßen gestreift. Dabei habe ich Ausschau nach Youngtimern exklusiver Marken gehalten, wobei es mir vor allem um exklusive Modelle mit hohen Spitzengeschwindigkeiten ging. Aus den Bildern habe ich mir ein Autoquartett zusammengebastelt. Den Wunsch, Fotograf zu werden, hatte ich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht. Das kam erst einige Jahre später.“

Er stehe noch ziemlich am Anfang seines Berufslebens, sagt Peterek. Eineinhalb Jahre nachdem er in Darmstadt sein Kommunikationsdesign-Studium mit dem Schwerpunkt Fotografie abgeschlossen hat, kam Corona. „Das ist nicht gerade viel Zeit, wenn es darum geht, sich ein Netzwerk aufzubauen.“

Foto: Neven Allgeier

Die Liste seiner Auftraggeber*innen liest sich dennoch beachtlich: Für die Deutsche Umwelthilfe, die Fairtrade-Organisation GEPA, das Polit-Magazin Cicero oder das JS-Magazin für junge Soldat*innen etwa hat er schon gearbeitet. Demnächst will er Seminare besuchen, die ihn auf Einsätze in Krisengebiete vorbereiten. „Ich hätte jetzt schon die Möglichkeit gehabt, in die Ukraine zu reisen, um dort zu fotografieren. Das ist eine Aufgabe, vor der ich sehr viel Respekt habe – und die nur mit gründlicher Vorbereitung machbar ist.“

„Ich bin gerne da, wo Action ist“

Ihm gefällt es, unterwegs zu sein, die Welt zu sehen und Menschen kennenzulernen. „Ich bin gerne da, wo Action ist“, sagt er. Er erzählt von einem Praktikum, bei einer Offenbacher Werbeagentur, das ihn geprägt hat. „Zu den Terminen wurde immer wahnsinnig viel Equipment mitgenommen. Meine Aufgabe war es, das alles aufzubauen. Stundenlang hat das gedauert. So zu arbeiten: Das hat mich abgeschreckt“, erinnert er sich. Lieber wollte Peterek beweglich sein, mit leichtem Gepäck reisen.

In all meinen Arbeiten geht es um Menschen und ihre Geschichten – auch wenn auf vielen meiner Fotos überhaupt gar keine Personen zu sehen sind

Foto: Neven Allgeier

Auch wir sind inzwischen mobil geworden und ins helle, aufgeräumte Wohnzimmer umgezogen. Die beiden Katzen sind mittlerweile aus dem Mittagsschlaf erwacht und springen über einen Kletterparcour die Wand entlang. „Das ist ein richtiges Katzentollhaus hier“, sagt Peterek und lacht. „Normalerweise liegen hier noch überall Tunnelsysteme herum, durch die sie sich gegenseitig hindurchjagen.“

I Never Read, I Just Look At Pictures


An der Wand neben dem Schreibtisch hängt ein Zettel mit einem Zitat von Andy Warhol: „I Never Read, I Just Look At Pictures.“ Im Regal direkt daneben finden sich trotzdem Bücher mit Text, aber auch einige Bildbände von Fotografinnen wie Diane Arbus oder Barbara Klemm zum Beispiel, die Peterek – ebenso wie den Fotografie-Professor Michael Kerstgens – zu seinen Vorbildern zählt. „Früher habe ich jahrelang direkt neben Barbara Klemm im Frankfurter Westend gewohnt, ohne es zu wissen“, erzählt er.

Foto: Neven Allgeier

An einem Nagel an der Wand hängt eine alte Analogkamera, ein Erbstück von Petereks Opa. Früher hat auch Zino Peterek viel mit analogem Equipment fotografiert – seine Diplomarbeit über die Folgen der Gentrifizierung des Frankfurter Ostends für seine Bewohner*innen ist auf diese Weise entstanden. „Das ist zwar teuer, hat aber eine angenehm entschleunigende Wirkung.“ In Zukunft möchte er vielleicht wieder öfter analog arbeiten. Ein Thema für sein nächstes Projekt hat er zwar noch nicht – dafür aber einen Schauplatz. „In Offenbach möchte ich gerne mal eine Fotoserie machen.“

ZINO PETEREK

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