Kunst trifft KI:
Zwischen Werkzeug und Wesen
14.05.2025
9 min Lesezeit
Künstliche Intelligenz ist aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken, sei es als Werkzeug in kreativ-künstlerischen Prozessen oder als zentrales Thema in Filmen und Serien. Aber wie genau verhalten sich Künstler*innen und Filmemacher*innen zu ihr? Ein Streifzug durch die Kunst- und Filmgeschichte gibt Aufschluss.
Lorem Ipsum
Lange bevor die Flut KI-generierter Bilder unseren Alltag ganz selbstverständlich begleitete, stellte sich der britische Künstler Harold Cohen in den 1970er-Jahren die Frage: „What are the minimum conditions under which a set of marks functions as an image?”. Ausgehend von der Frage, was genau ein Bild als solches konstituiert, programmierte er ab 1972 sein Computerprogramm AARON, das er bis zu seinem Tod 2016 weiterentwickelte. Das Programm war in der Lage, selbstständig Bilder auf Leinwänden zu malen. Zunächst abstraktere Motive, später figurative Malerei, die Cohen teils colorierte, bis AARON schließlich auch in Farbe malte. Während dem Programm das Wissen um die verschiedenen Stile in Form von Programmcode eingespeist werden musste, wandte es dieses Wissen indes selbständig autonom an.
2025, also über 50 Jahre später, hat sich das Wirken der KI hauptsächlich in den digitalen Raum verlagert, wobei ihre Auswirkungen immer mehr in den Lebensalltag hineinragen: KI ersetzt menschliche Programmierer*innen, ist detailversessene medizinische Assistenz, kümmert sich um die Buchhaltung, übernimmt Übersetzungsaufgaben oder schreibt Hausarbeiten. Auch der Kunst- und Kulturbetrieb spürt die Auswirkungen: Mittels eines simplen Kommandos lassen sich schon mit dem Smartphone digitale Bilder erstellen oder Popsongs schreiben, mit entsprechenden Programmen können Musikproduktionen gemastert oder Tonspuren eines Films in eine andere Sprache synchronisiert werden. Diese Entwicklung ist noch relativ neu, doch in der Film- und Videokunst setzt man sich schon seit dem 20. Jahrhundert mit den Potenzialen künstlicher Intelligenz auseinander.


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Als weiterer Meilenstein in der Erzählung über Androiden, menschenähnliche Roboter mit eigenen Bewusstseinsanteilen, zählt zweifellos Michael Crichtons „Westworld“ von 1973. Dort können Menschen in futuristischen Themenparks ihre Gelüste und Gewaltfantasien ausleben: Tagsüber erschießen sie als Revolverheld*innen Roboter, die sich qua Programmierung nicht wehren können. Des Nachts vergehen sie sich an deren weiblichen Partnerinnen, derweil die geschundenen Roboter wieder repariert werden, um am nächsten Tag das gleiche Schicksal von Neuem zu durchleben – bis ein Systemfehler die Androiden zur grausamen Revolte treibt. 2016 erschien eine gleichnamige Fernsehserie, deren erste Staffel das philosophisch komplexe Thema um die Bewusstseinswerdung vielschichtig thematisierte, bevor sich die folgenden Staffeln in immer dröger werdenden Actionplots verloren. Crichtons Film indes schrieb auch produktionstechnisch Geschichte, war sein Film doch der erste, in dem CGI – computergenerierte Grafiken – genutzt wurden.

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Die Frage, ab wann sich eine KI grundlegend von einem Menschen unterscheidet und ob sie vielleicht sogar humaner agiert als ihre Schöpfer*innen, thematisiert der Sci-Fi-Klassiker „Blade Runner“ von 1982. Der Film ist eine lose Adaption von Philip K. Dicks dystopischem Roman „Do Androids Dream of Electric Sheep?“ von 1968, in dem ein abgehalfterter Polizist Jagd auf desertierte Arbeitsroboter macht, die offenbar vollständig gefühlsbestimmte Wesen sind. Das Motiv der Ausbeutung und Unterdrückung menschenähnlicher Roboter führte in der Folge zu einer ökofeministischen und Klassismus-kritischen Rezeption, während andere im Film religionsphilosophische Themen oder Kritik an Rassismus und Sklaverei analysierten.



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Andere Filme über KI loten derweil das Geschlechterverhältnis aus. In Spike Jonzes „Her“ (2013) verliebt sich ein Mann, der als Ghostwriter für andere Menschen persönliche Briefe verfasst, selbst aber zu keiner tieferen Beziehung in der Lage ist, in ein intelligentes Betriebssystem, mit dem er ausschließlich sprachlich kommuniziert. Alex Garlands „Ex Machina“ (2014) hingegen wirkt wie eine Allegorie auf das Patriachat: eine weibliche Androidin agiert als reine Projektionsfläche für ihren sexistischen Erfinder wie auch dessen sensiblen Gegenpart, der die von ihm als Jungfrau in Nöten wahrgenommene KI retten will. Sandra Wollners überaus verstörender Spielfilm „The Trouble with Being Born“ (2020) erzählt die Geschichte einer kindlichen KI, deren Besitzer sie nach dem Vorbild seiner verschwundenen Tochter kreiert hat. Neben komplexen moralischen Fragen im Umgang mit KI fokussiert der Film die emotionale Gefühlswelt der Androidin, ergo die Trauer um das Wissen, ein Ding und eben kein Mensch zu sein.





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Beim Künstler*innenduo Friedemann Banz & Giulia Bowinkel kann man wiederum mittels Virtual Reality-Brille in Ausstellungsräumen auf von ihnen programmierte Avatare treffen, die KI-generierte Gedanken zur Welt vortragen. Digitale Welten und KI sind dem Duo gleichermaßen Werkzeug als auch Reflexionsmedium. In ihrem virtuellen Kammerspiel „Poly Mesh“ (2020) trifft man als menschlicher Störfaktor auf eine KI, deren Zukunftsberechnungen ins Leere gelaufen sind, derweil das eigene Erscheinen eine neue Schleife von Berechnungen auslöst.
In seinem im letzten Jahr erschienen essayistischen Buch „Der Konjunktiv der Bilder – Meine virtuelle Kamera (K.I.)“ setzt sich der deutsche Filmemacher und Autor Alexander Kluge eingehend mit den neuartigen Bildern, die mittels Text-zu-Bild-Generatoren mittlerweile möglich geworden sind, auseinander. Essenzielle Eigenschaft der Filmkunst sei es, so Kluge, „dass das Material und die Technik sich rebellisch verhalten gegen alle vorgefassten Absichten“. Die Fehler, die bildkreierende KIs, aktuell noch im Lernstadium, produzieren, seien deshalb ein positives Element, das fast immer ausnahmslos einen „inneren Grund“ habe. Es gelte also, die Vorzüge der Technik so lange zu nutzen, bis diese Fehler vollständig ausgemerzt sind und übrig nur eine mediokre Bilderwelt bleibt. Als digitalen Appendix verweisen QR-Codes im Buch auf im Internet aufrufbare Kurzfilme, die Alexander Kluges mittels KI produzierten Bilderwelten zeigen.

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Im Rahmen dessen, was der türkisch-amerikanische Medienkünstler Refik Anadol eine wahrhaftige „human-machine collaboration“ nennt, entstehen seit einigen Jahren riesige Installationen, die Anadol als „AI data painting“ bezeichnet. Dafür wird eine KI mit abertausenden Terrabytes an öffentlich verfügbaren Fotos gefüttert, die aus diesen Daten schließlich selbstständig fluide Animationen kreiert, die auf eine riesige Leinwand projiziert werden. Während die derart produzierten Installationen imposante Farblandschaften zeigen, lässt sich ein verarbeitendes Bewusstsein einer KI, die laut dem Künstler hier träumt, nicht erkennen. In der Arbeit „Dvořák Dreams“ (2023) wurde die KI mit unzähligen Fotoaufnahmen des tschechischen Komponisten Antonín Dvořák gespeist, ebenso wie mit Audioaufnahmen seiner Kompositionen. Das Resultat erscheint sowohl in Bild als auch Ton als große, wabernde Entität, die keine eigene Wesensart hat, nur Form und kein Inhalt ist.
Vielleicht ganz folgerichtig in einer Welt, die zunehmend mit nahezu inhaltsleeren Sehnsuchtsbildern gefüllt wird, wie sie auch das Künstler*innenkollektiv Troika in ihrer Videoarbeit „Buenavista“ (2025) unlängst in der SCHIRN präsentierte. Mittendrin ein haariger Roboter, der ob der unzähligen künstlich generierten Landschaften, die ihn umgeben, immer rastloser zu werden scheint und bald schon in erschöpfter Ekstase sich windet.
