Seiichi Furuya, Berlin-Ost 1985, 1985
Courtesy Galerie Thomas Fischer, © Seiichi Furuya

Der Verfall eines Versprechens

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Da stehen sie nun, die grauen, mächtigen Blöcke. Markus Drapers Zinkmodelle sind sieben Plattenbauten aus Frankfurt/Oder, Magdeburg, Berlin-Marzahn und weiteren Orten in der ehemaligen DDR nachempfunden. Furchteinflößend und zugleich fragil wirken die auf schlichten Podesten aufgestellten Wohnhausnachbildungen.

Draper hat nicht zufällig die sieben Plattenbauten nachmodelliert, die nun im Postdamer DAS MINSK Kunsthaus zu sehen sind. In diesen Wohnblöcken konnten in den 1980er-Jahren zehn (ehemalige) Mitglieder der linksextremen Terrororganisation „Rote Armee Fraktion“ (RAF) mit Hilfe des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) untertauchen, bevor sie 1990 verhaftet wurden.

Moderne Ausstellung mit miniaturisierten Betonmodellen von Wohngebäuden auf Sockeln in einem minimalistischen Raum.
Markus Draper, Grauzone, Detail, 2015. Installationsansicht der Ausstellung Wohnkomplex. Kunst und Leben im Plattenbau, DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam 2025. Privatsammlung Köln
Foto: Jens Ziehe
Modell eines Stadtteils mit Betongebäuden in einer Ausstellung, historische Fotos hängen an der Wand.
Markus Draper, Grauzone, Detail, 2015. Installationsansicht der Ausstellung Wohnkomplex. Kunst und Leben im Plattenbau, DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam 2025. Privatsammlung Köln
Foto: Jens Ziehe

Die Ausstellung zeigt, wie sehr Plattenbauten Künstlerinnen anregen und herausfordern

Die seit den 1970er-Jahren in der DDR und anderen Ländern des Ostblocks großflächig errichteten Plattenbausiedlungen standen anfangs für das Versprechen der sozialistischen Machthaber, erschwinglichen Wohnraum für möglichst viele Menschen zu schaffen. Nicht erst die gewalttägigen Ausschreitungen gegen das von Migranten bewohnte „Sonnenblumenhaus“ in Rostock-Lichtenhagen im August 1992 führten das Scheitern auf der grünen Wiese errichteter, gleichförmiger Häuserblöcke vor Augen.

Der künstlerische Blick auf das Phänomen und Biotop Plattenbau steht im Fokus der vom Kunstkritiker Kito Nedo kuratierten Ausstellung „Wohnkomplex“. Mehr als passend erscheint der Ausstellungsort – das im ehemaligen DDR-Terrassenrestaurant „Minsk“ untergebrachte, seit 2022 von der Hasso Plattner Foundation betriebene DAS MINSK Kunsthaus.

Wie sehr Plattenbausiedlungen Künstlerinnen und Künstler anregten und herausforderten, zeigen Uwe Pfeifers in den 1970er-Jahren Halle/Saale entstandenen Gemälde. Nüchtern und präzise fängt er die unheimliche und anonyme Anmutung solcher Siedlungen ein. Hin und wieder schafft es Pfeifer jedoch, der zweckmäßigen Monotonie des Neubaugebiets einen Hauch von Romantik abzutrotzen, etwa wenn er einen Sonnenuntergang über den Plattenbaudächern ins Bild setzt. Sein inmitten von Platte und „Trabis“ angesiedelter „Kinderfasching im Neubauviertel“ lässt an die grotesken Karnevalsbilder des Belgiers James Ensor denken.

Modernes Gebäude in Potsdam mit Treppe, umgeben von Bäumen und Steinen, unter einem blauen Himmel.
DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam, Oktober 2024
© DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam, Foto: Ladislav Zajac
Städtische Architektur zur Dämmerung: graue Wohnblocks mit leuchtenden Fenstern und einer ruhigen Atmosphäre.
Uwe Pfeifer, Häuser am Abend, 1972. Privatsammlung
© VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Gruppe von Menschen in Mänteln, die durch einen modernen Gang mit grauen Fliesen und minimalistischem Hintergrund gehen.
Uwe Pfeifer, Fußgängertunnel, 1973. Privatbesitz Potsdam
© VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Andreas Henkel

Biennale-Künstlerin Henrike Naumann fängt die krassen Widersprüche der Neunziger ein

Ganz und gar unsentimental blickt indes Henrike Naumann auf das Leben im Plattenbau in der Nachwendezeit. Ihre Rauminstallation „Triangular Stories (Amnesia & Terror)“ aus dem Jahr 2012 stellt zwei konträre jugendliche Lebenswelten gegenüber: Hier Raufasertapete und Einrichtung vom Möbeldiscounter, dort postmoderne Designobjekte und Stilzitate; auf der einen Seite „Reichskriegsflagge“ und Baseballschläger, auf der anderen Seite Party-Exzesse auf Ibiza.

Auf diese Weise fängt Naumann, die 2026 gemeinsam mit Sung Tieu den Deutschen Pavillon auf der Venedig-Biennale bespielen wird, die krassen Widersprüche der 1990er-Jahre zwischen „Baseballschlägerjahren“ und „Spaßgesellschaft“ ein. Der Sozialismus hatte abgewirtschaftet, „die Platte“ galt als Symbol des sozialen und baulichen Verfalls. Und auch wenn die Potsdamer Ausstellung streng auf die (ehemalige) DDR fokussiert bleibt: Die Bilder der täglich von russischen Raketen und Drohnen getroffenen Plattenbauten in ukrainischen Städten wollen dem Besucher dieser eindrücklichen Ausstellung nicht aus dem Kopf gehen.

Moderne Galerie mit verschiedenen Gemälden, darunter Landschaften und urbane Kunst. Helle Wände und Holzfußboden.
Installationsansicht der Ausstellung Wohnkomplex. Kunst und Leben im Plattenbau, DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam 2025. Sammlung Hasso Plattner; Harald Metzkes
© VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Foto: Jens Ziehe
Ein kreativer Raum mit Fernsehecke, Ventilator, Lampe und geometrischen Wänden in neutralen Farben.
Henrike Naumann, Triangular Stories (Amnesia & Terror), Detail, 2012. Installationsansicht der Ausstellung Wohnkomplex. Kunst und Leben im Plattenbau, DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam 2025. Henrike Naumann / Besitz der Künstlerin
Foto: Jens Ziehe
Eine moderne Ecke mit Möbeln, einer Flagge, Bildern und einem Fernseher in einem minimalistischen Raum.
Henrike Naumann, Triangular Stories (Amnesia & Terror), Detail, 2012. Installationsansicht der Ausstellung Wohnkomplex. Kunst und Leben im Plattenbau, DAS MINSK Kunsthaus in Potsdam 2025. Henrike Naumann / Besitz der Künstlerin
Foto: Jens Ziehe

Wohnkomplex. Kunst und Leben im Plattenbau

DAS MINSK
Potsdam
6. September 2025 bis 8. Februar 2026

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