Jetzt in der SCHIRN: Suzanne Duchamp. Retrospektive
23.09.2025
8 min Lesezeit
Die SCHIRN zeigt in der umfassenden Retrospektive der Dada-Pionierin Suzanne Duchamp ab dem 10. Oktober die innovative Eigenständigkeit, kreative Freiheit und den rätselhaften Humor der Künstlerin.
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Die SCHIRN widmet Suzanne Duchamp (1889–1963) vom 10. Oktober 2025 bis zum 11. Januar 2026 die weltweit erste umfassende Einzelausstellung in Kooperation mit dem Kunsthaus Zürich. Präsentiert wird das vielseitige, 50 Jahre umfassende Schaffen dieser Künstlerin, die in den 1910er- und 1920er-Jahren zur Entwicklung des Dadaismus beitrug. Obwohl Duchamps Werke in weltbekannten Sammlungen vertreten sind und sie zu Lebzeiten bestens in Kunstkreisen vernetzt war, blieb ihre künstlerische Bedeutung lange im Schatten ihrer Brüder Marcel Duchamp, Raymond Duchamp-Villon und Jacques Villon sowie ihres Ehemanns Jean Crotti.
Die Retrospektive zeigt rund 80, teils durch aufwändige Recherchen wiederentdeckte Werke, darunter experimentelle Collagen, figurative Darstellungen, abstrakte Gemälde, Fotografien und Drucke, sowie Archivfunde. Sichtbar werden in der Zusammenschau ihre künstlerische Eigenständigkeit und Freiheit. Im Fokus der Ausstellung stehen insbesondere Duchamps innovativer Umgang mit Materialien und Medien sowie ihr breites künstlerisches Spektrum, das sich kunsthistorischen Kategorien oftmals entzieht. Humor und Rätselhaftigkeit verleihen Duchamps Kunst ihren charakteristischen Tonfall. Ab Mitte der 1910er-Jahre schuf sie in der Kombination von Aspekten des Readymade, poetischen Inschriften und geometrischen Formen eine für den Dadaismus einzigartige, subtile Bildsprache. Neben ihren Dada-Arbeiten beleuchtet die Ausstellung Duchamps frühe kubistische Interieurs und Stadtlandschaften, ihre figürlichen Gemälde mit oftmals ironischen Untertönen, die Landschaften der 1930er- und 1940er-Jahre sowie ihr nahezu abstraktes Spätwerk.

Frühwerk und Anfänge in der Avantgarde
Ab 1911 trat Suzanne Duchamp in ersten namhaften Pariser Ausstellungen in Erscheinung. In ihrem Frühwerk griff sie kubistische Elemente auf, mit denen sie durch ihre älteren Brüder Jacques Villon und Raymond Duchamp-Villon in Berührung kam. Die Geschwister hielten wöchentliche Treffen in ihren Atelierwohnungen in Puteaux bei Paris (heute: La Defense) ab, und es entstand die Gruppierung der Puteaux-Kubisten. Die Motive von Suzanne Duchamps Gemälden aus dieser Phase reichen von Porträts über häusliche Interieurs bis zu Stadtlandschaften.
Das erste Werk, das sie in modernen Kunstkreisen ausstellte, war das Bildnis „Jacques Villon“ (1910), das diesen beim Malen eines Selbstporträts darstellt. Vielansichtigkeit und Fragmentierung findet sich in dem Gemälde „Jeune fille au chien“ (Junges Mädchen mit Hund, 1912), das die Schwester der Künstlerin und ihren Hund zeigt und als Duchamps bedeutendster Beitrag zum Pariser Kubismus gilt. In „Construction“ (Konstruktion, 1913) abstrahiert Duchamp vermutlich den Industrieort Puteaux. In einer Art gemäßigtem Kubismus staffelt die Künstlerin horizontale und vertikale Linien und Flächen, um damit den modernen Charakter der Stadtlandschaft zu beschreiben.





Eine unabhängige Künstlerin
Das Jahr 1922 stellte einen Wendepunkt in Suzanne Duchamps Kunst dar: Nach ihrer erfolgreichen Dada-Phase wandte sie sich wieder der Figuration zu – nun jedoch humorvoll und karikierend. Diese Periode markiert ihre Rückkehr zur unabhängigen künstlerischen Arbeit und ist vom dynamischen Einsatz der Farbe geprägt. Sie löste sich von Bewegungen wie Dada oder Kubismus und stellte nach 1923 seltener mit ihrem Mann Jean Crotti aus. Stattdessen war sie in Gruppenausstellungen mit Künstlerinnen wie Marie Laurencin vertreten, die ebenfalls neue Formen der Figuration erkundeten. Die SCHIRN zeigt das Hauptwerk „La Noce“ (Die Hochzeit, 1924), in dem Duchamp in leuchtendem Rot und gedämpften Grautönen einen ironischen Blick auf eine Hochzeitsfeier und die Institution der Ehe als bürgerliche Konvention wirft.
Ab Mitte der 1920er- bis in die 1930er-Jahre arbeitete Suzanne Duchamp in Paris und an der Côte d’Azur und gewann international an Aufmerksamkeit. Die enge Zusammenarbeit mit der amerikanischen Künstlerin und Sammlerin Katherine Dreier führte zu mehreren Ausstellungen in New York, darunter 1933 eine Einzelausstellung ihrer Aquarelle. Auch in Pariser Galerien und internationalen Gruppenausstellungen war sie vertreten. In diesen Jahren entstanden äußerst vielfältige Werke, deren Motive sie auch immer wieder kombinierte: Porträts, Landschaften, Strandszenen, Stillleben sowie unkonventionelle Alltagsdarstellungen. Duchamp arbeitete hauptsächlich in Öl und Aquarell und nutzte Zeichnungen zur Planung ihrer Kompositionen. Aus dieser Zeit datieren markante Werke wie die skurrile Interpretation des Garten Edens „Le Paradis terrestre“ (Das irdische Paradies, 1924) oder das ungewöhnlich direkte und dynamische Porträt „Lorenzo Picabia“ (ca. 1927), ein Bildnis des Sohnes ihrer Freunde Francis Picabia und Germaine Everling, der zu einem wiederkehrenden Motiv in ihrem Bildkosmos wurde.



