Wie geht man mit Skulptur in Zeiten von Instagram um? Im Wiesbadener Kunstverein Bellevue-Saal gibt die Künstlerin Daniela Kneip Velescu mögliche Antworten.

Eine institutionelle Einzelausstellung gehört wohl zu den wichtigsten Zielen junger Künstler. Zumal wenn die „solo show“ in einem großen, imposanten Saal stattfindet. Eine umfassende Präsentation mit großen, raumfüllenden Formaten bietet sich also an. Doch was tun, wenn die künstlerischen Produktionsbedingungen notorisch prekär sind? Lässt sich Monumentalität zumindest behaupten? „Bitter Scent“ heißt Daniela Kneip Velescus Einzelausstellung im Kunstverein Bellevue-Saal Wiesbaden. Der Titel ist durchaus programmatisch gemeint.

Die gezeigten Arbeiten sind während eines viermonatigen Stipendiums eigens für die Ausstellung entstanden. Kneip Velescu, die an der Städelschule bei Willem de Rooij studiert hat und heute zwischen Frankfurt und Berlin pendelt, hat sich bewusst mit dem Format – und dem damit verbundenen Erwartungsdruck – auseinandergesetzt. Sie verweigert sich dem naheliegenden Angebot, den Saal raumfüllend zu bespielen. Stattdessen ist eine an der Wand angebrachte, etwa 3 Meter hohe Fototapete zu sehen. „Es geht um eine Inszenierung“, sagt die Künstlerin.

Es geht darum, Größe ohne Größen­wahn zu erzeu­gen

Die Fototapete zeigt mehrfach eine Person, offensichtlich Kneip Velescu selbst, die großformatige Skulpturen betrachtet. Die Objekte erinnern an Plastiksprühflaschen, die üblicherweise für Reinigungsmittel verwendet werden. Gefüllt sind die Flaschen mit grell gefärbter Flüssigkeit. Sie stehen auf rätselhaften, ebenfalls farbigen Podesten, die wie ein eingefrorenes Stück Stoff anmuten. Die Sprühflaschen scheinen zudem Hände zu haben, jedenfalls sind entsprechende Formen nicht zu übersehen. Die sichtlich aufwendig produzierten Fotografien wirken überdies räumlich. Sie erzeugen den Eindruck, dass der Ausstellungsraum sich noch weiter fortsetzt.

Daniela Kneip Velescu, You Have Great Potential [#1-10], 2018 (Ausstellungsansicht), 2018 © Daniela Kneip Velescu
Daniela Kneip Velescu, You Have Great Potential [#1-10], 2018 (Ausstellungsansicht), 2018 © Daniela Kneip Velescu

„Ich wollte den Ausstellungsraum vergrößern“, sagt Kneip Velescu. Es geht ihr darum, Größe ohne Größenwahn zu erzeugen. Wichtig ist ihr auch, dass der Besucher keine Möglichkeit hat, die großen Skulpturen „live“ zu erleben, sondern nur als Fotografie. Sehen wir doch täglich Kunstwerke als Abbildung in sozialen Netzwerken, ohne je den Originalen zu begegnen. Nach der Ausstellung werden Kneip Velescus Werke dann als „installation shot“ weiterleben – eine Abbildung der Abbildung also. Kneip Velescu möchte keinen allzu genauen Einblick in den Entstehungsprozess der Fototapete gewähren: lediglich vom Collagieren ist die Rede. 

Ich wollte den Ausstel­lungs­raum vergrö­ßern.

Daniela Kneip Velescu

Sie verbirgt jedoch nicht, dass die in Wiesbaden gezeigte Arbeit mehrere Vorläufer hat. Die sich selbst umarmenden Reinigungsmittelflaschen hat sie in Originalgröße unter dem Titel „You Have Great Potential“ in Kassel präsentiert. Getrocknete und dadurch gehärtete PVA-Schwämme dienten dort als Sockel für die Flaschen. Die Schwämme wirken leicht, als würden sie schweben. Kneip Velescu hat das Material nach der Ausstellung nicht weggeworfen, sondern im Haushalt und in ihrer Kunst (wieder-)verwendet.

Sie wollte den Produk­ti­ons­pro­zess umkeh­ren

Was vorher noch Skulptur war, konnte im nächsten Moment nützlich werden. „Es geht mir um den Recycling-Gedanken“, sagt die Künstlerin. Wiederverwertung bedeutet jedoch nicht, schon einmal präsentierte Arbeiten noch einmal identisch zu zeigen. Kneip Velescus ursprüngliches Konzept für Stipendium und Ausstellung im Bellevue-Saal sah vor, von Fotografien eigener Werke ausgehend, eine neue Arbeit anzufertigen. Sie wollte den Produktionsprozess umkehren und mit der Foto-Dokumentation beginnen.

Daniela Kneip Velescu, You Have Great Potential [#1-10], 2018 (Ausstellungsansicht), 2018 © Daniela Kneip Velescu

In der Zwischenzeit nahm Daniela Kneip Velescu an der „Bangkok-Biennial“ teil, wo sie mit dem Frankfurter Künstler Daniel Stubenvoll kooperierte. Dort konnte sie das ursprüngliche Konzept in modifizierter Form umsetzen. Es entstanden Fotocollagen, die als Drucke auf Synthetikvorhängen präsentiert wurden. Kneip Velescu passte daraufhin ihre Konzeption für Wiesbaden an. Sie griff auf die Serie „You Have Great Potential“ zurück, um daraus eine neue, eigenständige Installation zu entwickeln.

Den „bitte­ren Nach­ge­schmack“ begreift sie aber auch als eine grund­sätz­li­che Haltung

Zu klären wäre schließlich die Frage nach dem Ausstellungstitel. „Bitter Scent“, das kann auch „bitterer Nachgeschmack“ bedeuten. Für Kneip Velescu verkörpert diese Übersetzung den Gegensatz zwischen der heiter-bunten Flüssigkeit in den Reinigungsmittelflaschen und deren aggressiv-chemische Zusammensetzung. Den „bitteren Nachgeschmack“ begreift sie aber auch als eine grundsätzliche Haltung. Vielleicht weil sie weiß, dass auch eine Einzelausstellung nicht immer ihr Versprechen einlösen kann.

Daniela Kneip Velescu, D&D‘S Problematic Poodle [Lip, Neck, Shoulder, Trunk, Foot], 2018 (Ausstellungsansicht), In Kooperation mit Daniel Stubenvoll, 2018 © Daniela Kneip Velescu