Prächtige Palazzi, eindrucksvolle Hotelsammlungen und Herbergen, in denen Punkpoeten und Maler wohnten. Eine Reise durch legendäre Hotelbetten und Adressen, an denen Kunst eine besondere Rolle spielt.

Die Symbiose von Künstlern, Kunst und Hotels ist so alt wie das Beherbergungsgewerbe selbst – so massiv wie jetzt wurde sie aber wohl noch nie befeuert. Hotels, die das Temporäre vor dem Sesshaften ermöglichen, dürften von alldem unbeeindruckt, zumindest in der Theorie noch immer ein guter Förderer und Ort für Kunst sein.

Chelsea Hotel, New York

Auf der 23rd Street befindet sich dieses New Yorker Urgestein moderner Popkultur-Hotelmythen, das 2011 geschlossen wurde und vor der befürchteten Luxussanierung steht: Schon zu seiner Fertigstellung Ende des 19. Jahrhunderts war das Chelsea Hotel larger than life mit seinen zwölf Stockwerken im viktorianisch-gotischen Stil, die nahezu einen gesamten Straßenzug einnahmen. Kein klassisches Glamour-Haus, sondern ein Ort, an dem Künstlerinnen und Künstler, SchrifstellerInnen und Intellektuelle oft Monate oder Jahre wohnten – manchmal mit ihrer gesamten Familie. Patti Smith lebte und arbeitete hier in einem winzigen Apartment mit ihrem Freund, dem Fotografen Robert Mapplethorpe, ebenso wie „Sex Pistols“-Sänger Sid Vicious und seine Freundin Nancy Spungen, die im Chelsea Hotel unter bis heute nicht restlos aufgeklärten Umständen ums Leben kam.

Chelsea Hotel New York, Image via projects.dbinyc.com

Arthur Millers Stücke gehen zum Teil auf seine Zeit im Chelsea Hotel zurück, das Drehbuch zu Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ wurden ebenfalls hier geschrieben, und Leonhard Cohen besang in „Chelsea Hotel #2“ eine Begegnung mit Janis Joplin im berühmten 2-Sterne-Haus. Die Gästeliste Bildender Künstlerinnen und Künstler nennt unter anderem Jasper Johns, Francesco Clemente, Niki de Saint-Phalle oder Willem De Kooning. Am längsten hielt es hier Alphaeus Philemon Cole aus: Der US-amerikanische Künstler zog erst im Alter von 77 Jahren ins Chelsea, verbrachte hier aber dann nochmals 35 Jahre bis zu seinem Lebensabend.

La Colombe d’Or, Saint-Paul de Vence

In den USA gab es das Chelsea, auf der anderen Seite des Ozeans, zwischen Nizza und Cannes, stiegen Künstler seit dessen Gründung im frühen 20. Jahrhundert im sehr viel beschaulicheren La Colombe d’Or ab. Die Liste temporärer Hausgäste liest sich wie ein Who is Who der Klassischen Moderne: Pablo Picasso, Henri Matisse und Marc Chagall sind nur einige, die hier gern mehr als eine kurze Urlaubswoche verbrachten. Diskretion gehörte dazu – auch heute noch, in dritter Familiengeneration schmückt man sich eher beiläufig mit den großen Namen, die kurz in der Hotelhistorie Erwähnung finden. Denn bevor die bekannten Maler kamen, waren sowieso schon andere da: Jacques Prévert beispielsweise, der französische Schriftsteller, der hier während eines Drehs von Filmemacher Marcel Carné residierte. Viele Künstler, Denker und Poeten wurden Freunde, und die Sammlung des Hauses füllte sich wie nebenbei. Was laut einer weit verbreiteten Anekdote auch daran liegt, dass einige Gäste ihre Rechnungen angeblich regelmäßig in Bildern bezahlten.

Picasso im Colombe d'Or © Office de Tourisme de Saint Paul de Vence, Foto: Jacques Gomot
Miró im Colombe d'Or © Office de Tourisme de Saint-Paul de Vence, Foto: Jacques Gomot
Hotel Louis C. Jacob, Hamburg

Seit 1993 wird das Privathotel in den Hamburger Elbvororten von einer Mäzenaten-Familie geführt, die hier Originale ihrer 500 Werke umfassenden Sammlung unterbringen konnte – ein eigener Beirat wählte eine passende Hängung für jedes Einzelne. Ein Schwerpunkt liegt auf maritimen Motiven, passend zur Lage an der Elbe – einige davon, wie die berühmte Ansicht der hoteleigenen Lindenterrasse, lieferte der damalige Hausgast Max Liebermann. Dass es nun wie ein Mise en abyme an Ort und Stelle zu sehen ist, gehört zu den besonders schönen Zufällen, die mit dem Besitzerwechsel einhergingen.

Liebermannzimmer im Hotel Louis C. Jacob © Hotel Louis C. Jacob
Max Liebermann, Terrasse im Restaurant Jacob, 1902-1903
Lindenterrasse © Hotel Louis C. Jacob
Broomhill Art Hotel, Devon

Schon von weitem ragt ein überdimensionierter roter Damenschuh aus dem Dickicht. Im Bach liegt ein Mann gen Himmel blickend, zwischen Wildwuchs und britisch gezähmtem Gartenbau kann man pinke Stahlkonstruktionen und blau gefärbte Fenster entdecken: Kunst findet im Broomhill Art Hotel vornehmlich draußen statt – der angeschlossene Skulpturenpark beherbergt feste und wechselnde Werke in allen Spielarten zeitgenössischer Bildhauerei. Einmal pro Jahr werden Künstlerinnen und Künstler zum Skulpturen-Preis eingeladen, Zuschuss für die Werke inklusive. Andere Hotels mit eigenem Skulpturengarten sind das WANÅS Hotel in Schweden mit rund 70 ortsspezifischen Werken im Wald, darunter eines von Yoko Ono; in Deutschland das Hotel Gräflicher Park in Bad Driburg.

Broomhill Art Hotel, Devon, Image via www.broomhillart.co.uk

Diverse Palazzi, Florenz

An üppigen Gemälden und Statuen aus Zeiten jenseits der Moderne mangelt es in Florenz nicht – hier wie im gesamten Land gibt es eine gute Auswahl an kleinen und großen Hotels, in denen Wandmalereien, Gemälde und Statuen aus Renaissance oder Barock in musealer Konzentration auftauchen. Der Palazzo Magnani Ferroni aus dem 16. Jahrhundert ist eines davon, ein anderes das Four Seasons Firenze, das in einem gigantischen Palazzo mit Original Fresken untergebracht ist (in den sich die hauseigene Gemäldesammlung wie naturgeboren einfügt.)

Four Seasons Firenze, Image via kiwicollection.com

Four Seasons Firenze, Image via kiwicollection.com

The Swatch Art Peace Hotel, Shanghai

Was zunächst klingt wie ein Werbeslogan oder eine schlechte Übersetzung von Google Translate ist tatsächlich ein Hotel der bekannten Schweizer Uhrenmarke im chinesischen Shanghai. Die Kunstwerke, die hier hängen und stehen, wurden zum Teil im Rahmen des Artists-in-Residence Programms direkt vor Ort produziert: Als eines der inzwischen vielerorts beliebten Artist-in-Residence-Programms wird das im Swatch Art Peace Hotel mit besonderer Verve betrieben. So haben teilnehmende Künstlerinnen und Künstler hier eine komplette Hotel-Etage mit Apartments, Atelier und gemeinsamen Räumen zum Kochen, Treffen und Ausstellen für ihre Arbeiten zur Verfügung.

Artist Workshop © Swatch Art Peace Hotel, Shanghai
Lovelace Hotel, München

Nur für zwei Jahre hat dieses 2017 eröffnete Kunsthotel seine Türen geöffnet: “Hotel Happening” nennt sich das Münchener Lovelace, das als Pop-Up-Unternehmung Treffpunkt, Ausstellungsort und Herberge in einem sein will. Jeder kann vorbeikommen, um (Kunst-)Filme zu schauen oder Ping-Pong zu spielen. Für eine Zimmerreservierung muss man mehr Geld in die Hand nehmen und kann dafür zwischen Gemälden von Florian Süssmayer und Vitra-Designobjekten nächtigen.

Lovelace Hotel München, Fototapete von Florian Süssmayr, Image via www.dreso.com

Hotelketten mit Kunstprogramm

Nicht nur Traditionshäuser und Boutiquehotels, auch immer mehr Hotelketten statten ihre Räumlichkeiten mit Original Kunstwerken aus. Einige haben Beauftragte und Programme für eine hauseigene Kunstsammlung – oder bilden Kooperationen vor Ort: So erhalten Gäste bei Le Méridien dank „Unlock Art“ kostenlosen Eintritt in Museen und Kunsthallen und manchmal Gelegenheit, temporäre Kunst, Performances oder Filmscreenings zu sehen.

Neïl Beloufa, Occidental (Filmstill), 2017 © Bad Manners

Die amerikanische Hotelkette 21C Museum Hotels trägt ihr Aushängeschild gleich im Namen: Gegründet von zwei Kunstsammlern, bieten die Häuser von Cincinnati bis Nashville jeweils einen eigenen Ausstellungsbereich, der öffentlich zugänglich ist. Und in der spanischen Luxus-Hotelkette Derby werden Kunst, Architektur und Design zum wohl kuratierten „Signature“-Element: Jedes einzelne Haus erhält einen eigenen Sammlungsschwerpunkt, von Präkolumbischer Kunst über katalanischen Art déco-Schmuck bis zu hinduistischen Kunstgegenständen auf dem 16. Jahrhundert.

21c Museum Hotels, Cyclone, Freeman and Lowe, Image via www.21cmuseumhotels.com