Vier junge Künstler wurden 1986 in New York unter dem Namen "Neo-Geo" als wichtigste Entdeckung der internationalen Kunstszene gefeiert. Einer der vier: der gerade 33-jährige Peter Halley.

„The Hot Four: Get Ready for the Next Art Stars“ titelte das New York Magazine am 26. Oktober 1986. Paul Taylor schrieb den Artikel über die „heißen vier kommenden Kunststars“: Ashley Bickerton, Jeff Koons, Meyer Vaisman und Peter Halley.

Diese vier jungen Männer – 1986 waren sie zwischen 26 und 33 Jahre alt – stellten gemeinsam in der etablierten New Yorker Galerie Sonnabend in SoHo aus und wurden als wichtigste Neuentdeckungen der internationalen Kunstszene gefeiert. Gleichzeitig polarisierten sie, so folgte im New York Magazine auf den überschwänglichen Artikel in der nächsten Woche ein Zerriss von der Kunstkritikerin Kay Larson mit der Überschrift „Masters of Hype“. Den Künstlern kam jedoch auch dieser Artikel entgegen, denn sie wussten um den „succès de scandales“. Und so sollte es auch sein: die Sammler kamen in einen regelrechten Kaufrausch, Ausstellungen in Galerien waren teilweise schon ausverkauft bevor die Vernissage stattfand.

Die Abstraktion realer Dinge

Obwohl es sich um keine kohärente Gruppe handelte, sondern um einzelne Künstlercharaktere mit divergierenden Arbeitsweisen, empfand man die Ausstellung bei Sonnabend als eine stilbildende Gruppenausstellung und suchte nach einem Namen für die Bewegung. Paul Taylor schrieb vom „Neo-Pop“, „Neo-Minimalismus“ und „Neo-Conceptualismus“, andere Autoren nannten sie „Smart Art“, doch schnell kristallisierte sich „Neo-Geo“ als Abkürzung für "Neo-Geometrisch" heraus. Betrachtet man die Werke der vier Künstler, passt dieser Begriff jedoch eigentlich nur auf die Kunst von Peter Halley.

Bickerton, Abstract painting for people, Image via artnet.com

Halleys Werke zeigten geometrische Formen in knalligen Farben, die sich allerdings von der „Geometrischen Abstraktion“ dadurch unterschieden, dass sie wirklich etwas abstrahierten (und als geometrische Formen nicht nur auf sich selbst verwiesen) und Dinge aus der realen Welt darstellten: Bilder der Massenproduktion oder der institutionalisierten Macht, Autobahnen, Gefängnisse oder Leiterplatten.

Leinwand auf Klodeckel

Auch Bickerton abstrahierte Dinge aus der Alltagswelt in seinen Werken, die wie bemalte Kisten aussahen und mit metallenen Beschlägen versehen an die Wand angebracht waren. Auf dem Werk ''Abstract Painting for People'' sind Querschnitte und Profile von Installationszubehör zu sehen. Vaisman zeigte Objekte sowohl an der Wand als auch auf dem Boden. Seine Leinwände waren mit Vergrößerungen ihres eigenen Gewebes bedruckt. Ein Werk zeigte vier dieser bedruckten Leinwände auf dem Boden übereinander gestapelt mit vier Klodeckeln darauf, welche wiederum mit bedruckter Leinwand überzogen waren. Jeff Koons war der einzige Skulpteur in der Ausstellung und zeigte bekannte Figuren aus der Welt der Geschenke- und Nippes-Läden in Edelstahl gegossen, zum Beispiel einen ursprünglich aufblasbaren Hasen mit Möhre.

Meyer Vaisman, The whole public thing, 1986, Image via habitatplus.com

Gemeinsam haben die Arbeiten der vier Künstler, dass sie sich mehr mit den Bildern von Dingen beschäftigen als mit den direkten Objekten – ähnlich wie die Kunst der vorhergehenden Stilrichtungen „Pop-Art“ und „Conceptual-Art“. Außerdem war die Kunst des „Neo-Geo“ etwas völlig anderes als der in der damaligen amerikanischen Kunstwelt dominierende Stil des „Neo-Expressionismus“.

Eine gute Geschäftsidee

Bickerton, Koons, Halley und Vaisman hatten vor der Ausstellung in der Sonnabend Galerie bereits in der Galerie „International with Monument“ in der Lower East Side ausgestellt, welche von Vaisman selbst geführt wurde. Die Lower East Side war in wenigen Jahren zu einem Hot Spot der New Yorker Kunstszene geworden. Gab es 1980 noch keine Galerie in dieser Gegend, eröffneten nach und nach Ausstellungsräume in kleinen Läden, in denen vorher ukrainisch- oder polnisch-amerikanische Einzelhändler waren. Die jungen Galeristen, die wie Vaisman oft selbst Künstler waren, hatten neben einem Gespür für neue Kunstströmungen auch die gute Geschäftsidee, sonntags zu öffnen, wenn die etablierten Galerien in Soho oder in der 57th Street geschlossen hatten. Sammler gingen nun samstags nach SoHo und in die 57th Street, um dann sonntags die Galerien in der Lower East Side zu besuchen.

Jeff Koons, Rabbit, Image via vice.com

Zu diesen Sammlern gehörte auch der junge Michael Schwartz. Seine Eltern, die Kunstsammler Eugen und Barbara Schwartz, sammelten „Neo-Expressionisten“, etwa Arbeiten von Julian Schnabel. Michael entdeckte in Galerien wie „International With Monument“ jedoch eine andere Kunst von Künstlern in seinem Alter, die ihn beeindruckte. Er konnte seine Eltern schließlich dazu bewegen, sich deren Arbeiten anzuschauen und sogar zu kaufen. Einen entscheidenden Anteil am Erfolg hatte aber der Sammler Charles Saatchi, der begann, exzessiv Arbeiten dieser jungen Künstler zu erwerben.

Die Gruppe der "Hot Four"

Nun wollten auch etablierte Galerien wie Marlborough, Mary Boone, Leo Castelli oder Illeana Sonnabend Ausstellungen mit Künstlern aus Vaismans Galerie machen und warben um sie. Sonnabend gelang es Vaisman, Bickerton und Koons unter Vertrag zu nehmen. Halley, der kurz zuvor zu Boone gegangen war, wechselte schließlich, damit die Gruppe vereint blieb, auch zu Sonnabend. Und so kamen die „hot four“ 1986 zu ihrer Gruppenausstellung in SoHo.

Peter Halley, Rectangular Prison with Smokestack, 1987, Städel Museum © Image courtesy of Peter Halley Studio