Wie man aus Maisstärke Schneeknirschen macht und Kokosnusschalen ein Pferdegalopp entlockt. Ein Blick hinter die Kulissen der Film-Sounds.

Ein düsteres Zimmer, angespannte Stimmung: zwei Männer, hochkonzentriert, umgeben von unzähligen, martialisch anmutenden Utensilien. Einer nimmt sich eine Brechstange zur Hand, der andere greift nach einer Art Holzknüppel. Es dauert nicht lange, bis es zu Handgreiflichkeiten kommt: Schließlich fliegt einer der beiden über einen Schrank in eine dunkle Ecke, der andere schlägt wie wild um sich.

In dem Zimmer entsteht ein groteskes Chaos, auf dem Boden liegen kaputte Holzbretter, Essensreste fliegen herum, ein Fleischerhaken in der Mitte des Zimmers evoziert ungute Befürchtungen. Plötzlich eine Stimme aus dem Off: „Cut! We’re out of sync!“, die beiden Männer können sich ein herzhaftes Lachen nicht mehr verkneifen. So beschreibt die Szenerie nämlich keinen Gewaltexzess zwischen zwei Widersachern, sondern zeigt einen Einblick in den Arbeitsalltag zweier Foley-Artists, im hiesigen Sprachraum auch als Geräuschemacher bekannt. Sie stammt aus Terry Burkes Kurzfilm-Dokumentation „Track Stars: The Unseen Heroes of Movie Sound“ aus dem Jahre 1979.

Was haben „Planet Earth“, „Avengers“ und Fassbinders „Martha“ gemeinsam?

Denn was haben komplett unterschiedliche Film-Produktionen wie die große BBC-Dokumentationsreihe „Planet Earth II“, Hollywood-Blockbuster à la „Avengers: Endgame“ oder beispielsweise einem Rainer Werner Fassbinder-Film wie „Martha“ aus den 1970er Jahren gemeinsam? Alle sind zu einem nicht zu unterschätzenden Maß auf Foley-Artists angewiesen. Sie verleihen dem Film den gewohnten Realismus und lassen die Zuschauer überhaupt erst in das Filmgeschehen eintauchen.

Foley-Artists, Image via infocusfilmschool.com

Das Bedürfnis, die Immersionsfähigkeit eines Films mittels Effekten und Geräuschen zu verstärken, stammt noch aus der Zeit des Stummfilms. Schon in den 1910er Jahren hatten einige Filmorchester mitunter Geräuschmaschinen, die bis zu 50 verschiedene Effekte abspielen konnten. Im gewöhnlichen Lichtspielhaus mit seinen Stummfilmpianisten oder -organisten nutzen diese simple Hupen oder Klingeln, um bestimmte Effekte zum Besten zu geben – manchmal zum Unwillen des Publikums.

So beschwerte sich 1920 beispielsweise ein Kritiker im Filmkurier: „[…] sobald ein Auto zu sehen war, was reichlich oft vorkam, dröhnte das Tut-Tut durch den Raum. Das war des Guten zuviel, klang barbarisch und zerriss die Stimmung vollständig.“ 1927 veröffentlichten Warner Bros. dann mit „The Jazz Singers“ einen Film, in dem es nicht nur synchronisierte Musikpassagen sowie Gesang gab, sondern auch vereinzelte Dialogsequenzen vertont wurden – in dieser Kombination ein Novum. Der Film wurde innerhalb kürzester Zeit zum ersten großen Tonfilmerfolg und trieb den Umstieg von Stumm- auf Tonfilm massiv voran.

Das war des Guten zuviel, klang barbarisch und zerriss die Stimmung vollständig.

Kritiker im Filmkurier

Universal arbeitete zu dieser Zeit gerade an der Verfilmung des Broadway-Publikumslieblings „Showboat“, eine groß angelegte Stummfilmproduktion. Das Studio geriet nach Fertigstellung des Films durch den immensen Erfolg von „The Jazz Singers“ in Panik, befürchteten die Bosse doch sicher nicht ungerechtfertigt, dass das Publikum von einer Musical-Verfilmung nun ebenfalls eine Tonversion erwarten würde. Die Veröffentlichung von „Showboat“ wurde also kurzerhand verschoben und diverse Szenen wurden nachgedreht, sodass der Film mit Tonsequenzen in einer Länge von 30 Minuten angereichert wurde. Für die Nachvertonung holte man Jack Donovan Foley mit an Bord, der seinerzeit bereits als Geräuschemacher im Radio gearbeitet hatte.

Jack Foley, Image via irishamerica.com

Da es aufgrund technischer Begrenzungen kaum möglich war, Umgebungs- oder sonstige Atmosphärengeräusche (die berühmte „Atmo“) während der Drehs aufzunehmen, kam Foley auf eine bahnbrechende Idee: Die Filmszenen sollten live im Studio, synchron zur Sichtung des Filmes, aufgenommen und nicht, wie sonst üblich, lediglich mit vorab produzierten Effekten unterlegt werden.

Das Studio eines Geräu­sche­ma­chers gleicht dem Hobby­kel­ler eines alten Kindes

Foley versprach sich hiervon einen deutlichen gesteigerten Realismus, und der Erfolg sollte ihm Recht geben. Bald bedienten sich alle größeren Produktionsstudios jener Technik, um ihre Filme nach zu vertonen. Mögen sich die Aufnahmetechniken seitdem auch stetig verbessert haben, die Arbeit des Geräuschemachers ist grundlegend gleichgeblieben: Heutzutage dient die Tontechnik am Filmset hauptsächlich dazu, Dialoge möglichst störungsfrei aufzunehmen, sodass so wenig Sprache wie möglich nachsynchronisiert werden muss. Hierzu werden beispielsweise Schuhsohlen abgeklebt und sonstige Nebengeräusche vollständig ausgemerzt, um eine möglichst klare Aufnahme zu erhalten. 

Foley Art, Image via www.berklee.edu

Eine der Hauptaufgaben des Foley-Artists ist nach wie vor, Schritte und Bewegungsgeräusche synchron zur Filmhandlung aufzunehmen. Sonstige Nebengeräusche werden zwischen den verschiedenen Sounddepartements aufgeteilt. Werden Maschinengeräusche eher durch Synthesizer oder existierende Stock-Sounds nachvertont, ist es nach wie vor sowohl zeitsparender und unkomplizierter, beispielsweise Türengeräusche, Regen, das Inhalieren von Zigarettenrauch, tosende Wellen oder Tiergeräusche einem Foley-Artist zu überlassen.

Das Studio eines Geräuschemachers gleicht daher auch dem Hobbykeller eines alten Kindes: Ein ganzes Arsenal an Schuhen, diverse Untergründe, Türen, Schränke, aller nur denkbarer Klimbim, der Klänge von sich geben kann, kleine Wasserbecken und diverse Essensutensilien zur Nachvertonung von Splatter-Geräuschen (wenn im Film der Schädel zertrümmert wird, platzt im Studio des Geräuschemachers zum Beispiel eine Wassermelone). 

Foley Art Requisiten, Image via columbian.com

Der Ton dringt unvermittelter und ungefilterter in unser Wahrnehmungszentrum als das Bild, das wir gelernt haben anzuzweifeln. Ohne groß nachzudenken vermuten so sicher einige, in Tierdokumentationen wie beispielsweise „Planet Earth“ das tatsächliche Flattern des Kolibris, das Brüllen des Löwen, das Galoppieren der Antilope oder die Schwimmgeräusche eines Haies zu hören, während man tatsächlich dem Werk eines Geräuschemachers lauscht. Das Schaffen des Foley-Artists und das des gesamten Sounddepartements hat hierbei auch Einfluss auf die grundsätzliche akustische Wahrnehmung des Zuschauers. 

Weithin bekannt ist wohl, dass sich Pistolenschüsse und Fausthiebe im echten Leben deutlich dumpfer anhören als jene im Film – und trotzdem: würde das faktische Geräusch dort genutzt, so täte man es mit einiger Wahrscheinlichkeit als „unrealistisch“ ab. So werden Geräuschemacher zu neuzeitlichen Magiern der Sinneswahrnehmung: aus Maisstärke in einem Sack zaubern sie das Schneeknirschen eines Winterspaziergangs, Kokosnussschalen entlocken sie einen Pferdegalopp und aus einer Tasse erklingt plötzlich das Quaken eines Frosches. Terry Burke nannte Foley Artists die „ungesehenen Helden“ des Films, und in der Tat, sie erwecken den Tonfilm zum Leben.

Jack Foley wurde in keinem einzi­gen Film für seine Arbeit im Abspann genannt

Der Zuschauer ist eher dazu geneigt, schlechtes Bild zu verzeihen, als schlechten Ton. Der sorgt unwillkürlich dafür, dass man eine Produktion als amateurhaft oder, eben als nicht „echt“ empfindet. Angemessen gewürdigt wurde dieses bahnbrechende Engagement um den Tonfilm übrigens nicht: Über 33 Jahre arbeitete Jack Foley als Geräuschemacher für Universal, in keinem einzigen Film wurde er für seine Arbeit im Abspann genannt. Seine Bekanntheit beschränkt sich hauptsächlich auf die Riege der Filmschaffenden: Geräuschemacher benennen sich international nach ihm und Foley wurde im Jahre 1997 posthum mit dem Motion Picture Sound Editor Award ausgezeichnet.

Foley Art, Image via www.cssd.ac.uk

Foley Art, Image via wordpress.com