Cäcilia Holtgreve und Benno Sattler entwerfen für ihr Label KUMI MOOD Kunstobjekte fürs Kinderzimmer – Spielen ausdrücklich erwünscht! Wir haben das Paar in Leipzig besucht und mit ihnen über Kunst und Kindererziehung, ihre Selbständigkeit und Kreativität gesprochen.

Nur einen Steinwurf entfernt von der „Spinnerei”, einem lebendigen Kunstareal mit zahlreichen Galerien, Ateliers und Ausstellungsräumen, liegt das ehemalige Fabrikgebäude, in dem Cäcilia Holtgreve und Benno Sattler mit ihren Söhnen Armin (3) und Wim (1) leben. Das dreigeschossige Hinterhaus war Anfang des 20. Jahrhunderts eigentlich als Schokoladenfabrik gedacht, doch dann wurden hier jahrzehntelang Werkzeuge hergestellt. Erst 2018, mit der Gründung von Kumi Mood, hielten hier kinderfreundliche Produkte Einzug.

Kumi Mood, so heißt das Label, unter dem Holtgreve und Sattler kreatives Holzspielzeug vertreiben. Die formschönen Figuren und Schiebetiere tragen Namen wie Alma, Otto oder Norbert und werden in Deutschland aus nachhaltigem Holz hergestellt. Zu ihrem Sortiment gehören auch Decken aus Bio-Baumwolle, deren Motive von „klassischen Stillleben und botanischen Kupferstichen” inspiriert sind. Einige der Produkte werden mit Gedichten oder Kurzgeschichten geliefert, die mal humorvoll, mal nachdenklich den kreativen Kontext erweitern sollen. Kennen und lieben lernte sich das Paar während des Bachelor-Studiums Kommunikationsdesign an der HBK Braunschweig. Holtgreve absolvierte auch ihren Master in Braunschweig, Sattler ging nach Leipzig, um dort Bildende Kunst auf Diplom zu studieren. Seit 2018 leben sie gemeinsam in der sächsischen Metropole. 2020 kam erst Sohn Armin zur Welt, zwei Jahre später folgte Wim.

Foto: Maria Poursanidou

Als uns die beiden die Tür zu ihrer Wohnung im zweiten Stock öffnen, betreten wir die bunte Welt von Kumi Mood. An den Wänden hängen zahlreiche Drucke, Fotografien und Zeichnungen, die zum Teil noch aus Sattlers Studienzeit stammen. In Regalen und Vitrinen stehen die bunten Schiebetiere neben Skulpturen und Vasen in allen Formen und Farben. Nach einem kurzen Rundgang durch die Wohnung nehmen wir an einem antiken Werktisch Platz, der von der Familie als Esstisch genutzt wird. „Der hat meinem Opa gehört, der freischaffender Künstler war”, erzählt Cäcilia Holtgreve. Und schon sind wir im Gespräch.

Schön hier bei euch. Auch toll zu sehen, wie sich die Holzfiguren in eure Wohnung einfügen. Ich glaube, ich muss später auch eine mitnehmen.

Cäcilia: (lacht) Klar, gerne. Unsere Produkte sind auch keinesfalls ausschließlich für Kinder gedacht. Wir haben viele erwachsene Kund*innen, die einfach Freude an den Farben und Formen haben.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Kumi Mood zu gründen?

Benno: Cäcilia und ich haben schon während des Studiums viele künstlerische Projekte zusammen gemacht. Privat haben wir dann eher in Richtung Produkt gedacht und verschiedene Ideen gesammelt. Für uns war immer klar, dass wir irgendwann etwas Eigenes aufbauen wollen. Etwas, bei dem wir unsere eigene Farb- und Formensprache ausleben können.

Cäcilia: Auf das Thema Spielzeug sind wir dann eher zufällig gekommen. Meine Schwester erwartete ein Kind und wir wollten ihr etwas Schönes zur Geburt schenken. Beim Stöbern stellten wir fest, dass es – damals jedenfalls – nicht viel gab, was uns gefiel. Also haben wir einfach selbst etwas gebaut – erst ein Mobilé aus Holz, dann Alfredo und Siggi, unsere ersten Schiebetiere. Das Ganze kam bei Familie und Freund*innen so gut an, dass wir beschlossen, Kumi Mood zu gründen. Wir haben gemerkt, dass das ein interessanter Bereich ist, in dem man sehr kreativ sein kann.

Ihr bezeichnet eure Produkte als Spielkunst. Wollt ihr euch damit bewusst von herkömmlichem Spielzeug oder Produktdesign für Kinder abgrenzen?

Benno: Da wir sowohl die Kunst- als auch die Designwelt und ihre Diskurse kennen, wissen wir um die Brisanz der Frage, was Kunst und was Design ist. Wir glauben, dass die Grenzen fließend sind. Eine strikte Abgrenzung ist oft kaum möglich und vielleicht auch gar nicht sinnvoll.

Cäcilia: Uns ist wichtig, dass unsere Produkte nicht nur gut aussehen, sondern auch zum Nachdenken anregen, Fragen aufwerfen und Gefühle auslösen. Unsere Formensprache ist reduziert und abstrakt, um Raum für Interpretation zu lassen. Kreativität füllt diese Freiräume. Kinder betrachten Gegenstände oft viel genauer und intensiver als Erwachsene. Im Spiel integrieren sie sie in ihre Fantasiewelt, in der sie ganz aufgehen. Ihr Denken, Handeln und Fühlen wird durch das Spiel entscheidend geprägt. Deshalb sehen wir uns in der besonderen Verantwortung, Spielzeug mit viel Liebe und Hingabe zu entwickeln. 

Wir glau­ben, dass das Kinder­zim­mer ein Ort der Phan­ta­sie sein sollte, an dem die Gedan­ken krei­sen und Elefan­ten auch mal lila sein dürfen.

Cäcilia Holtgreve
Foto: Maria Poursanidou

Wie beeinflussen Armin und Wim eure Kreativität und eure Arbeit?

Cäcilia: Ich finde es inspirierend, durch ihre Augen schauen zu können. Sie nehmen alles noch völlig ungefiltert wahr. Und sie sehen Dinge, die wir Erwachsenen oft gar nicht wahrnehmen. Aus gestalterischer Sicht finde ich es spannend, wie Gegenstände in Kinderhänden wirken, was Größe und Form betrifft.

Benno: Ich finde es wunderbar, Armin beim Malen und Zeichnen zu beobachten. Er ist dabei sehr frei – losgelöst von allen Konventionen und auch von Gegenständlichkeit. Es ist auch total spannend zu sehen, welche Phasen er durchläuft: Früher hat er viele organische Formen gezeichnet, jetzt sind seine Bilder eher auf Geometrie und Symmetrie ausgerichtet. Vor drei Wochen hat er sich und Wim zum ersten Mal als Kopffüßer gemalt. Er war groß und Wim kleiner, stand aber auf einem Regenbogen. Er hat also schon mit 3 Jahren über Größen und Perspektiven nachgedacht, das fand ich beeindruckend.

Was macht ihr noch, um Armins Kreativität zu fördern?

Cäcilia: Wir versuchen, auf seine ständig wechselnden Interessen einzugehen und ihm verschiedene Angebote zu machen. Wir bauen und basteln viel mit ihm. Neulich haben wir in unserer Werkstatt eine Rakete gebaut, aus der später ein Boot geworden ist. Wir machen aber auch Musik auf dem Synthesizer oder backen zusammen. Außerdem haben wir ihn jetzt beim Kindertanztheater angemeldet.

Euer jüngster Sohn Wim wird derzeit noch zu Hause betreut. Wann findet ihr überhaupt Zeit, in Ruhe zu arbeiten und kreativ zu sein?

Benno: Gemeinsam eigentlich nur, wenn er schläft oder sich mal alleine beschäftigt - aber das sind nur kurze Momente. Ansonsten wechseln wir uns bei der Betreuung ab und ermöglichen so dem jeweils anderen zumindest für eine gewisse Zeit konzentriert zu arbeiten.

Wie ist eure Arbeitsteilung bei Kumi Mood?

Benno: Den kreativen Part machen wir beide symbiotisch. Da stimmen wir uns eng ab und inspirieren uns gegenseitig. Einer gibt den Anstoß, der andere entwickelt weiter...

Cäcilia: Ansonsten ist Benno der Werkstattleiter und kümmert sich um alles Technische wie die Website. Ich mache die Buchhaltung und den Kontakt zu den Kund*innen.

Und wie teilt ihr euch in Sachen Care-Arbeit auf?

Benno: Gleichberechtigung ist bei uns ein wichtiges Thema. Ich bringe Armin jeden Tag in den Kindergarten, Cäcilia macht das Frühstück. Insgesamt übernimmt sie schon etwas mehr Aufgaben, die mit den Kindern zu tun haben. Aber die anderen Aufgaben teilen wir uns sehr gerecht auf. Und wir bleiben ständig im Gespräch, weil es immer wieder Phasen gibt, in denen wir die Aufteilung anpassen müssen.

Cäcilia: Der permanente Austausch ist bei uns die Voraussetzung für alles. Wie Benno schon sagte: Die Kinder werden größer und damit ändern sich auch ihre Bedürfnisse. Ich finde es wichtig, ehrlich zu sich selbst zu sein und immer frühzeitig zu kommunizieren, wenn einem etwas nicht passt.

Was sind die größten Hürden in eurem Alltag?

Cäcilia: Manchmal fällt es mir schwer zu akzeptieren, dass ich im Moment viel weniger Zeit habe. Ich mache mir dann innerlich Druck und nehme mir zu viele Dinge vor, die ich erledigen möchte. Und dann bin ich frustriert, wenn ich es nicht schaffe. Es ist ein ständiger Lernprozess.

Benno: Ich finde es auch krass, wie wenig Zeit man für alles hat. Die Zeit vergeht wie im Flug.  Wir haben viele Freunde, die keine Kinder haben. Manchmal habe ich das Gefühl, sie wissen gar nicht, wie viel Freiheit sie haben, alles zu planen und den Tag zu gestalten. Mit Kindern ist es einfach ein anderes Leben.

Foto: Maria Poursanidou

Würdet ihr sagen, dass Selbstständigkeit und Kinder eine gute Kombination sind?

Cäcilia: Diese Frage haben wir uns eigentlich nie gestellt. Für uns gehörten Selbstständigkeit und Kinder immer zum Lebensentwurf dazu. Natürlich ist es toll, dass man sich seine Zeit frei einteilen kann. Man kann zwischendurch immer mal für die Kinder da sein. Und auch, wenn mal eines krank wird, ist das in der Regel leichter zu organisieren als in einer Festanstellung. Der Nachteil ist, dass man immer das Gefühl hat, eigentlich arbeiten zu müssen. Außerdem ist es eine echte Herausforderung, Arbeit und Privatleben zu trennen – vor allem für uns als Paar, das zusammenarbeitet. Da kommt es schon mal vor, dass man einen Streit aus dem Privatleben mit in den Arbeitstag nimmt. Oder umgekehrt.

Benno: Als Kreative*r selbstständig zu sein, ist eine besondere Herausforderung. Durch die Selbstständigkeit entsteht ein wahnsinniger Druck, der der Kreativität überhaupt nicht zuträglich ist. Man braucht einen Zustand der Leichtigkeit, um kreativ sein zu können. Als Selbstständige*r muss man sich selbst Struktur geben und sich aktiv kreative Freiräume schaffen. Und dann sind da natürlich noch die nüchternen Themen, die man erledigen muss, wie Buchhaltung und Steuern. Insgesamt kann man sagen: Es ist kein Zuckerschlecken, aber wenn man sich dafür entscheidet, muss man da durch (lacht).

Habt ihr auch manchmal Zweifel an eurem Lebensentwurf?

Benno: Natürlich kommen solche Gedanken manchmal auf. Dann stelle ich mir vor, wie es wäre, um 17 Uhr Feierabend zu haben und einfach alles vergessen zu können (lacht). Letztendlich komme ich aber immer zu dem Schluss, dass das für mich absolut nichts wäre. Ich möchte auf jeden Fall freiberuflich und kreativ tätig sein.

Cäcilia: Mein Großvater war freischaffender Künstler, mein Vater freischaffender Grafiker. Ich habe also genug Vorbilder in meiner Familie, die mir gezeigt haben, dass es funktionieren kann.

Vielen Dank für das offene Gespräch!