Kay Shanghai ist der erste offen schwule deutschsprachige Rapper. Im Interview erzählt er, wie er vom Clubbetreiber zum Musiker wurde, von seinem neuen Album „Haram“ und welche Bedeutung HipHop für ihn hat.

Foto: fabien holzer

Warum hast du dich für HipHop entschieden? Ich frage das vor dem Hintergrund, dass es in diesem Genre immer noch viele problematische Ecken gibt: Sexismus, Homophobie, Rassismus.

Das ist genau der Punkt, der mich gereizt hat, da rein zu gehen. Wir amüsieren uns wirklich, wenn wir die Songs schreiben. Wir wissen natürlich, wie das nach außen wirkt. Wir können ahnen, wie das in der Szene ankommt. Das macht ein bisschen Spaß, das etwas rauszukitzeln.

Für mich hat das Genre damals immer eine latente Bedrohung dargestellt. Die Entwicklung, dass queere Künstler im HipHop etabliert sind, findet selbst in den USA erst seit etwa zehn Jahren statt, mit Künstlern wie Tyler, the Creator oder Frank Ocean. Ich brauchte eine Weile, um zu verstehen, dass das Genre auch von mir vorurteilsbelastet ist. Das liegt an diesen gestrigen Rappern. Die neue Generation ist viel fluider und öffnet sich viel mehr.

Ich habe mich nie als Gay Aktivisten gesehen. Natürlich ist es sehr einfach, eine krasse Intention (in meiner Musik) zu erkennen. Aber eben nie mit erhobenem Zeigefinger. Ich glaube, man kann die Leute eher verändern, indem man sie einfach mitnimmt. Das passiert oftmals ohne viel Erklärung. Letztendlich weiß ich gar nicht, ob meine Songs so schwul sind. Klar, gibt es explizitere Songs, wie „Schwänze seit der Schulzeit“, den übrigens Heteros und vor allem Frauen sehr lieben mitzusingen. Weil sie das dann Mal so rausschreien dürfen. Ich glaube, das ist das „Plus“ in LGBTQ+. „Plus“ meint auch alle nicht homosexuellen, queeren Leute, die eine queere Anschauung weitertragen wollen. Das ist der Punkt, an dem es wirklich Spaß macht. Wenn die Leute nicht so sehr überdenken, sondern einfach nur annehmen.

Wenn das gelingt, muss das ein tolles Gefühl sein.

Ich glaube, dass die Leute auch diese Identitäten suchen. Abseits des Mainstreams und abseits der Art, wie man schwule oder queere Personen im Fernsehen darstellt. Das ist ja alles sehr, sehr eindimensional. Da werden Leute einfach nur als Clown oder Freak dargestellt. Ich glaube, dass die Leute die Nase voll haben. Die suchen Identitäten, die real sind.

Wenn dann jemand daherkommt, eine gewisse Lebenserfahrung mitbringt und eine gewisse Nonchalance, dann sehen die Kids, das ist real, dann macht denen das Spaß. Vielleicht denken sie, „wenn ich mal so alt bin, möchte ich auch so sein“. Oh Gott, das hört sich jetzt wirklich alt an....Aber das ist der Punkt. Es geht nicht um eine Jugendlichkeit, die man konstruiert oder zur Schau stellt.

Das tust du auch nicht, sollte das ein Zweifel sein.

Naja, ich sehe meine alten Pressebilder, da sehe ich noch ein bisschen anders aus!

Mich interessieren die Reaktionen auf dein Album.

Musikkritiker mögen mein Album tatsächlich gerne. Ich habe vor kurzem ein Interview gegeben, in dem es um die queere Hip Hop Szene in Deutschland ging und mich als einen Vertreter. Da gibt es ganz viele andere! Wir haben erst einmal diskutiert, warum es wichtig ist, der erste offen schwule deutschsprachige Rapper zu sein. Warum muss man das so sagen? Natürlich ist es nicht super wichtig. Natürlich ist es part of the game mit so einem claim rauszukommen. Aber es wichtig, dass ich gesagt habe, dass ich der erste war, der ansprechbar ist.

Das Wichtige ist, dass man davon jetzt erzählt, dass man das jetzt beleuchtet und ins Thema geht. Und ich glaube ganz einfach, dass die Geschichten sich sonst auserzählt haben. Man möchte nicht zum x-ten Mal hören, wie der von den Polizisten wegläuft und dann die Kilos wegpackt. Erstens, ist das adaptiert von der amerikanischen Szene. Zweitens, wurde die Geschichte einfach zu oft erzählt, als dass sie noch originell wäre. Da kommen queere Künstler ins Game, die jetzt andere Geschichten erzählen.

Foto fabien holzer

Welche Geschichte erzählst du mit „Haram“?

Die meisten Songs sind sehr persönlich. Die Downbeat-Songs, im Prinzip die Liebeslieder. Dieses romantische Gefühl, das ich in mir habe. Das Album ist ein Querschnitt meiner Gefühlswelt. Ich bin sehr oft albern und hab ein großes Maul. Aber letztendlich brauche ich viel Liebe und möchte Jemanden zum Kuscheln haben. So wie das in den Songs gesagt wird. Hört sich schlimmer an, wenn man es sagt, als wenn man es singt, ehrlich gesagt....!

In der Musik kann man vieles schöner oder einfacher verpacken... „Haram“ ist also eine Zeitaufnahme?

Die meisten Songs spiegeln ein Lebensgefühl wider, zu dem ich wieder gefunden habe in der Pandemie. Dadurch, dass alles andere weggebrochen war. Das war kein beängstigendes Gefühl, sondern eher ein befreiendes. Das ist immer schwierig zu sagen, weil die Pandemie den Menschen so viel Unglück gebracht hat. Das habe ich auch gefühlt in der Zeit, aber ich konnte mich freisetzen. Das hört man, glaube ich, in einigen Songs. Da ist viel Leichtigkeit und ich weiß nicht, ob ich das so erzählt hätte, wenn ich nicht frei von allem gewesen wäre. Für mich war das wie ein Aufbruch.

Foto Fabien Holzer

Deine Sexualität spielt in deinen Texten eine wichtige Rolle. Weil sie ganz einfach Teil deines Lebens ist oder hast du – vielleicht auch – eine Art Verantwortungsbewusstsein gespürt, diese zu thematisieren? Vielleicht, um andere zu motivieren, auch offener mit ihrer Sexualität umzugehen?

Ich bin ja nun schon etwas länger schwul. Und jeder, der schwul ist, kennt das: Man kriegt im Laufe des Lebens so viele dumme Fragen gestellt. Eigentlich rede ich über Sachen, die ganz normal sind. Aber in Kombination mit dem Genre, in der Art, wie ich es erzähle – mit Witz und einer Provokation dahinter – wird eine ganz simple Sache überhöht, der ich in meinem Leben gar nicht mal so viel Gewichtung gebe.

Natürlich bekomme ich mit, dass es einen Impact hat. Dass wir jetzt darüber reden, dass ich mit vielen Journalisten darüber geredet habe. Da spürt man dann schon Verantwortung... was ein schweres Wort ist... ich kann Sprachrohr für viele sein.

Mein Herz schlägt insbesondere für Transkids, weil die die wenigstens Möglichkeiten haben, sich zu verstecken. Was sie absolut nicht tun sollten, was aber ein queerer Mechanismus ist. Viele Queere bekommen in ihrer Adoleszenz das Gefühl, etwas verschleiern oder konstruieren zu müssen, um vom Eigentlichen abzulenken. Vor allem als Heranwachsender ist man sich sehr unsicher, ob man Erniedrigung oder Ablehnung zu spüren bekommen wird. Wenn man später reift und bei sich ist, findet man wiederum Wege, diese Mechanismen wieder abzulegen. Dieser Prozess kann sehr an die Substanz gehen. Deswegen ist es wichtig, Menschen sein zu lassen, wie sie sind und sie zu akzeptieren. Vor allem Kinder.

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