Gutes Design sollte ein menschliches Maß haben und für jeden erschwinglich sein. So das Credo von Tanita Klein – ein Gespräch über ihre ausgezeichneten Möbelstücke.

An der Tür zum Nebenraum lehnt eine Staffelei, weiter hinten im Arbeitszimmer erblickt man einen Stuhl im farbenfrohen Memphis-Design der 80er und mittendrin Einzelteile einer Küche, verpackt in fest verschraubten Transportkisten aus Holz. Hier bewahrt Tanita Klein die Prototypen ihrer Arbeiten auf. Designerstücke, die sie auf Ebay oder Flohmärkten entdeckt hat, gehören genauso zur Einrichtung ihrer Wohnung im Frankfurter Gallusviertel wie die Werkzeuge und Materialien, die sie für ihre Arbeit benötigt. „Meine alten Ikea-Möbel habe ich im Laufe der Zeit aussortiert“, erzählt die Produktdesignerin.

Im Auftrag eines Gastronomen entwirft Klein aktuell einen Kochlöffel, außerdem Stühle aus Holz für einen Möbelhersteller. Ihr größtes Projekt derzeit aber ist das Küchensystem „TSL“ – eine freistehende Küche, die wahlweise in T-, S-, oder L-Form angeboten wird und sich beliebig erweitern lässt. Denn: Moderne Küchen sind soziale Orte. Gekocht wird oft gemeinsam. „Meist steht jemand am Herd während ein anderer an der Arbeitsplatte Gemüse schneidet. Mir war es wichtig, dass man sich dabei anschauen kann“, erklärt Klein zum Konzept ihrer Küche.

Vom Land Hessen hat sie ein Stipendium erhalten, um ihre Küche, die aus einer Diplomarbeit an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung hervorging, weiterzuentwickeln. „Momentan bin ich dabei, nach geeigneten Produktionspartnern zu suchen und Preise zu kalkulieren“, erzählt sie. Weil Klein sich auch dafür interessiert, wie die von ihr gestalteten Dinge im Alltag genutzt werden, plant sie Koch-Events nach dem Vorbild halbprivater Supper-Clubs. Losgehen soll es nächstes Jahr – vermutlich in Wien, wo sie mit einem Freund zusammenarbeitet.

Foto: Neven Allgeier

Ihr Wunsch, Produktdesign zu studieren, kam kurz vor dem Abi auf: „Wir hatten in der Oberstufe das Bauhaus durchgenommen und ich war total begeistert. Also bewarb sie sich an der HfG. Dort entwarf Klein zunächst Schmuck und Kleidung, bevor sie sich auf Möbel konzentrierte. Ihre Bachelorarbeit, für die sie an die Design Academy nach Eindhoven wechselte, wurde mit dem Newcomer-Preis „ein&zwanzig“ ausgezeichnet, den der renommierte Rat für Formgebung vergibt. Klein hatte ein Regal mit kreisförmigem Umriss entworfen, das sich streng an den Proportionen des menschlichen Körpers orientierte. „Mir war es wichtig, dass sämtliche Regalböden im Stehen zu erreichen sind“, erinnert sie sich.

Erreichbarkeit ist für Klein ein wichtiges Thema – nicht bloß im handfesten Sinn. Gutes Design, findet sie, sollte ein menschliches Maß haben und für jeden erschwinglich sein. Damit steht sie in der Tradition von Frankfurter Größen der Designgeschichte: Die Architektin Margarete Schütte-Lihotzky zum Beispiel – Erfinderin der Frankfurter Küche. Oder der Stadtplaner Ernst May. „Meine Tante hat früher in einem Ernst-May-Haus in der Römerstadt gewohnt“, erzählt sie.

Mir war es wich­tig, dass sämt­li­che Regal­bö­den im Stehen zu errei­chen sind.

Tanita Klein
Norm(al), Courtesy of Tanita Klein

Gleich um die Ecke von Kleins Wohnung befindet sich übrigens auch die Neue Hellerhof-Siedlung. May entwarf sie in den Dreißigerjahren im Rahmen seines Wohnungsbauprogramms „Neues Frankfurt“. Mit Neven Allgeier, unserem Fotografen, verabredet sich Klein noch für den späten Nachmittag, um in der Nachbarschaft bei dem schönen Wetter ein paar Fotos im Freien zu machen.

Am Anfang einer neuen Produktidee stehen bei ihr in der Regel grafische Skizzen. Sie greift ins Regal, um vor unseren Augen eine Papierrolle auszubreiten. Zu sehen sind Bewegungsstudien, die zu ihrem preisgekrönten Regal führten. Man bekommt eine lebhafte Vorstellung davon, wie lang ein solcher Arbeitsprozess ist: Im wahrsten Sinne des Wortes meterlang. Erst später folgen Modelle aus Finnpappe, einer sehr leichten Pappe, die sich einfach schneiden lässt, aus Holz oder Plexiglas im Maßstab 1:5 oder 1:10. „Ich bin ein großer Fan von Modellbau“, sagt Klein. „Man bekommt dabei schnell ein Gefühl dafür, ob die Statik funktioniert.“

Foto: Neven Allgeier

Überall in der Wohnung verteilt, finden sich Arbeiten von ihr: Tassen oder Vasen aus Keramik zum Beispiel. Der Fernseher im Schlafzimmer steht auf einer Bank aus verzinktem Lochblech. Sobald Licht darauf fällt, schimmert das Möbel dezent in allen Farben des Regenbogens. „Das Material hat mir einfach gefallen, ich musste gar nichts groß daran verändern. Man muss als Designer nicht immer alles neu erfinden. Manchmal lohnt es sich, mit vorgefundenen Dingen zu arbeiten“. Viele ihrer Entwürfe stammen noch aus dem Studium. Zum Beispiel ein terrassenförmiger Kabinettschrank, dessen Struktur von einer Kupfermiene in Chile inspiriert wurde.

„Damals habe ich mich mit der Rolle des Zufalls in kreativen Prozessen beschäftigt und mich einfach per Google Earth blind an irgendeinen Ort der Welt gedroppt. Dabei bin ich in Chile gelandet.“ Noch steht Klein am Anfang ihrer Karriere. Erst im vergangenen Juli hat sie sich selbständig gemacht. Zuvor arbeitete sie zwei Jahre lang bei einem Frankfurter Architekturbüro. Ihre Möbel vertreibt sie momentan „on demand“ von zuhause aus. An Frankfurt gefällt ihr, dass die Kreativszene relativ klein und überschaubar ist und man schnell einen Überblick bekommt, wer einen bei bestimmten Projekten unterstützen kann – auch disziplinübergreifend. Auf längere Sicht kann sie sich gut vorstellen, in einem größeren Team oder einem Gemeinschaftsatelier zu arbeiten. „Ich mag die Kommunikation und den Austausch mit anderen.“ 

Foto: Neven Allgeier
Foto: Neven Allgeier
Foto: Neven Allgeier
Foto: Neven Allgeier

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