Die SCHIRN KUNSTHALLE FRANKFURT präsentiert die erste große Einzelausstellung von Bárbara Wagner (*1980) & Benjamin de Burca (*1975) in Deutschland. Seit über einem Jahrzehnt realisiert das in Brasilien lebende Künstler*innenduo gemeinsam Videoarbeiten und -installationen in Zusammenarbeit mit kulturellen Bewegungen und kollektiven Praktiken, die außerhalb etablierter Orte oder abseits der zeitgenössischen Kunstszene stattfinden.
Der titelgebende Tunnel ist als physische Struktur, aber ebenso als Metapher für künstlerischen Ausdruck, kulturellen Widerstand oder die Aushandlung von Identität zu verstehen. Porträtiert werden lokal geprägte, heute intergenerationale Szenen, die jeweils in den 1970er-, 1980er-Jahren als Jugendbewegungen mit eigenständigen kulturellen oder musikalischen Strukturen und Referenzsysteme entstanden. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht eine eigens entwickelte Neuproduktion. Diese Videoinstallation widmet sich der aktuellen Hardcore-Szene und insbesondere Straight Edge (kurz „sXe“) in Deutschland – eine Bewegung, die an der Ostküste der USA als „cleane“ Gegenkultur innerhalb der Post-Hardcore-Punkszene der 1980er-Jahre begann.
Wagner & de Burca setzen diese in der SCHIRN in den Kontext weiterer Musikbewegungen: Eine ihrer ersten Arbeiten „Estás vendo coisas / You are seeing things“ (2016) untersucht die Brega-Szene aus Recife, die in den 1970er-Jahren im Nordosten Brasiliens aufkam. In der Videoinstallation RISE (2018) geht es um Kanadier*innen der ersten und zweiten Generation afro-karibischer Herkunft, die in einem Akt der Selbstermächtigung den öffentlichen Raum der U-Bahn in Toronto künstlerisch einnehmen.
Eindrucksvoll thematisieren die audiovisuellen Arbeiten der Schau jeweils drängende sozio-politische Anliegen in den Gemeinschaften der Darsteller*innen; sie greifen kulturelle Ausdrucksformen auf, mit denen diese sich identifizieren und eine Stimme finden. Bezeichnend für den künstlerischen Prozess von Wagner & de Burca ist die kollaborative Zusammenarbeit: Die jeweiligen Gruppen sind aktiv an der Gestaltung von Skript, Bühnenbild, Musik, Choreografie und Inszenierung beteiligt.