Kann Kunst auch Klima? In einer Ausstellung in Offenbach werden Wettererscheinungen zum künstlerischen Werkzeug. Die ausgestellten Arbeiten bedienen sich meteorologischer und aktivistischer Methoden und geben den gestaltlosen Prozessen des Klimas eine visuelle Form.

Klima, das ist die Gesamtheit aller Wettererscheinungen wie Regen, Wind und Sonnenschein in einer bestimmten Region oder Klimazone und wird über den Zeitraum eines oder mehrerer Jahre ermittelt. Das Klima ist im stetigen Wandel begriffen, gleichwohl tritt die Realität der Klimakrise inmitten des Hochsommers, mit anhaltenden Rekordtemperaturen und erhöhter Waldbrandgefahr in Europa, deutlich zutage.

Die Beziehung zwischen Mensch und Klima wird greifbar

Auch in der Kunstszene hat der Klimawandel schon lange Einzug erhalten – nachhaltige Ausstellungs- und Produktionsbedingungen werden diskutiert und neue Begriffe wie „Ecological Art“ oder „Climate Change Art“ versuchen, die Werke inhaltlich zu gruppieren. Ebenso kann auf die jüngsten Klimaproteste aktivistischer Umweltbewegungen verwiesen werden, die sich an Werken von van Gogh, William Turner oder Botticelli festkleben, um die Dringlichkeit ihrer politischen Forderungen zum Ausdruck zu bringen – und mit diesen Aktionen zugleich eine große Öffentlichkeit zu erreichen.

Mitten in dieser Gemengelage zeigt nun die Wetter- und Klimawerkstatt Offenbach die Ausstellung „In der Mitte des Wetters. Über Klima, Kunst und Mensch“. Die Ausstellung vereint insgesamt neun zeitgenössische, künstlerische Positionen, die mit meteorologischen, empirischen oder performativen Mitteln die Bedeutung des Klimas für den Menschen (vice versa) in Kunst übersetzen.

Wetter- und Klimawerkstatt Offenbach, 2022 (c) Robert Schittko
zwischen wissenschaftlichem Experiment und visueller Dokumentation

Wie die Kunst sich der wissenschaftlichen Methoden der Klimaforschung bedient, zeigen die Arbeiten von Julius Bockelt. Seit mehr als 10 Jahren hält Bockelt Wolkenformationen fotografisch fest – sichtbar gewordene Luftfeuchtigkeit in der Atmosphäre. Über 27.000 Fotografien umfasst sein Archiv. Daneben ein Video des Künstlers, der mit seinem Atem oder mittels elektrostatischer Spannung eine Seifenblase in der Luft hält.  Bockelts Œuvre oszilliert zwischen wissenschaftlichem Experiment und visueller Dokumentation und verleiht der Unberechenbarkeit von Naturphänomenen einen ästhetischen Ausdruck.

Plastik in den Tiefen des Arktischen Meeres

In den Räumen der Wetter- und Klimawerkstatt in der Offenbacher Innenstadt werden die Werke parallel zu mehreren Infotafeln zu meteorologischen Begriffen und dem didaktischen und interaktiven Angebot der Wetterwerkstatt ausgestellt. Das wissenschaftliche Begleitprogramm begünstigt eine sachliche Betrachtungsweise der durchaus kritischen Werke, ihr Bezug zur Klimaforschung und der wechselseitigen Beziehung von Mensch und Klima wird so deutlich lesbarer, als dies in einer reinen Kunstausstellung der Fall wäre.

Auch die Arbeiten von Swaantje Güntzel basieren auf Ergebnissen der Klimaforschung; ihre künstlerische Umsetzung ist auf den ersten Blick geradezu kitschig, auf den zweiten jedoch übt sie klare Kritik. Die Serie „Können Sie nicht mal was Schönes machen? // Fram Straße (Arktisches Meer)“ von 2021 zeigt Aufnahmen vom Boden der Tiefsee des Arktischen Meeres, auf denen zunehmend mehr Plastikmüll zu sehen ist. Die fast farblosen Fotografien schmückt Güntzel mit grell bunten Stickern von Kätzchen, Kakteen, rosa Fischen und Herzchen. Ironisch und nicht frei vom Vorwurf veranschaulicht Güntzel die Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt.

In der Mitte des Wetters. Über Klima, Kunst und Mensch, Wetter- und Klimawerkstatt Offenbach, 2022 (c) Robert Schittko
Swaantje Güntzel, Können Sie nicht mal was Schönes machen? // Fram Straße (Arktisches Meer), 2021, Sticker auf Fine Art Prints (c) Tobias Hübel
Swaantje Güntzel, Können Sie nicht mal was Schönes machen? // Fram Straße (Arktisches Meer), 2021, Sticker auf Fine Art Prints (c) Tobias Hübel
Swaantje Güntzel, Können Sie nicht mal was Schönes machen? // Fram Straße (Arktisches Meer), 2021, Sticker auf Fine Art Prints (c) Tobias Hübel
Spuren des Verbrennungszeitalters

Einen dokumentarischen Ansatz verfolgt PARA - Emission Evidence Center. Das Künstlerkollektiv sichert Spuren des Verbrennungszeitalters für kommende Prozesse gegen die Menschheit – Rauch und Asche, Zeugenaussagen zu Emissionsereignissen, Verbrennungsmotoren werden zu Beweismitteln. Im Rathauspavillon am Stadthof zeigen sie die Installation „Haze“. Zur zeitgeschichtlichen Einordnung: Parallel zum Aufbau der Ausstellung hat die UN-Vollversammlung, beinahe einstimmig, das Recht auf eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt als Menschenrecht anerkannt – rechtlich bindend ist die Entscheidung nicht.

PARA, Haze. Eine Bezeugung in Rauch, 2021, Mixed Media (c) Robert Schittko

Vor dem Rathaus wehen ebenfalls die „Heat Flags“ von Raul Walch. Diese orientieren sich an den sogenannten heat maps, die in Rot-, Gelb-, Grün- und Blautönen Temperaturen visualisieren. Wer regelmäßig die Wettervorhersage des Deutschen Wetterdienstes (DWD) zu Rate zieht, der kennt diese Diagramme, auf denen die roten Flächen diesen Sommer stetig zunehmen und die im Monats- oder Jahresvergleich dazu dienen, den Klimawandel zu illustrieren. Der Deutsche Wetterdienst mit Sitz in Offenbach ist es auch, der zusammen mit der Stadt Offenbach die Wetter- und Klimawerkstatt als gemeinsames Projekt entwickelt hat. Damit erreichen uns wieder einmal wichtige Wetter- und Klimaprognosen für Deutschland aus Offenbach.



Raul Walch, Heat Flags (dwd), 2022, Acryl auf Fahnenstoff (c) Robert Schittko

In der Mitte des Wetters. Über Klima, Kunst und Mensch

10. August - 29. Oktober 2022

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