Eine Soloausstellung von Nina Tobien eröffnet den neuen Ausstellungsraum im Atelierfrankfurt. Ein Blick auf Kupferrohre, Wachs überzogene Bilder und kühle Industriefliesen.

Wir stehen in einem Kellerraum. Angenehm kühl bei der Hitze, die draußen herrscht. Blanke Rohre ragen aus der Decke. Industriefliesen überziehen eine Wand. An eine Säule mitten im Raum klammert sich eine Leinwand über Eck. Das geometrische Muster auf ihr spiegelt die Fliesen wider, ruft aber gleichzeitig Assoziationen an einen Bienenstock hervor – vor allem, wenn man weiß, dass es mit Wachs gemalt wurde. „Mich interessieren traditionelle Muster, die Geschichten erzählen“, sagt Nina Tobien. Die Künstlerin ist die erste, die im neuen Ausstellungsraum des Künstlerhauses Atelierfrankfurt ihre Werke präsentiert. Das Eck-Bild ist Teil ihrer Ausstellung „tiny traces“, mit der die dreiteilige Ausstellungsreihe „consecration“ eröffnet wird.

Nina Tobien, Jahrgang 1974, Absolventin der HFG Offenbach und der Städelschule, ist in den vergangenen Jahren viel gereist. Ein Künstlerstipendium führte sie nach Istanbul, ein anderes nach Salvador. Dort erfuhr sie, dass in vielen verschiedenen Kulturen Geschichten durch Stoffmuster überliefert wurden. Das weckte ihr Interesse. Also begann sie die Handwerkstechniken zu recherchieren, unter anderem Färbetechniken in Anatolien und das Emaillierhandwerk in Ostdeutschland.

Materialcollagen aus traditionelle Handwerk und industriellen Mustern

Diese von Generation zu Generation weiter gereichten Fertigkeiten nutzt sie als Inspiration für ihre Werke und kombiniert „tiny traces“ – also geringe Spuren von ihnen – mit industriellen Mustern, die zunächst bedeutungslos sind: Gitterroste, Rohre, die Struktur von Dichtungsgummi. „Ich nenne es Malerei, aber eigentlich sind meine Arbeiten Materialcollagen“, sagt Nina Tobien. Auf eine Leinwand hat sie anatolische Teppichwollreste gefilzt und zu einer Bananenschale aus Samoa und einem Gitter in Beziehung gesetzt. Mitten im Raum ragen außerdem Kupferrohre aus dem Betonboden, die durch bunt emaillierte Presswinkel zu einer Installation verbunden sind. Sie beziehen sich auf die freiliegenden Rohre des Kellerraums.

Nina Tobien, tiny traces, Ausstellungsansicht Atelier Frankfurt
Nina Tobien, tiny traces, Ausstellungsansicht Atelier Frankfurt

Der Bezug zum Raum war ein expliziter Wunsch von Corinna Bimboese, Kuratorin der Schau und Direktorin des Atelierfrankfurt. Auf die Eröffnung der 160 Quadratmeter großen Ausstellungsfläche musste sie fünf Jahre lang warten. „Es fehlte immer das Geld, und es gab immer andere Prioritäten“, sagt sie. Aus den Augen hat sie das Projekt aber nie verloren. Denn der Kellerraum des Atelierfrankfurt und sie – das war Liebe auf den ersten Blick. „Meine Kolleginnen nennen ihn auch ‚Corinnas Heiligtum“, erzählt sie, und lacht. Das Geld für den Umbau, den Corinna Bimboese selbst geplant hat, kam schließlich durch eine Crowdfunding-Kampagne zusammen. Sie kuratiert die Ausstellungsreihe „consecration“ und lädt dafür neben Nina Tobien weitere Künstlerinnen ein, den Raum mit ortsspezifischen Arbeiten zu bespielen.

Nina Tobien, tiny traces, Ausstellungsansicht Atelier Frankfurt
Nina Tobien, Ausstellungsansicht Atelier Frankfurt

Die zweite Ausstellung ist die Einzelschau von Rachel Morgenstern und wird Ende Oktober eröffnet. Morgenstern, die an der HFG Offenbach und an der Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe studierte, kombiniert abstrakte Gemälde mit filigranen Objekten. Bei ihren Arbeiten entsteht der Eindruck, die Farbe würde sich von der Leinwand lösen und in den Raum hinein schweben. Die dritte Künstlerin der Ausstellungsreihe hat Corinna Bimboese noch nicht ausgewählt. Und nach „consecration“ sollen Gastkuratoren den Kellerraum mit Ausstellungen bespielen. „Es darf auch gern internationaler werden“, sagt Corinna Bimböse. Wir sind gespannt.

Nina Tobien, tiny traces, Ausstellungsansicht Atelier Frankfurt
Porträt Nina Tobien, Foto: Jan-Jakob Biermann