Peter Sauls Werk hat viele jüngere Künstler beeinflusst, er gilt als „artist’s artist“. Der New Yorker Erik Parker erklärt, warum Saul nicht nur ein außergewöhnlicher Künstler ist, sondern auch ein besonderer Lehrer war.

Erik Parkers Kunstwerke sind grell, bunt, kleinteilig. Sie zitieren die mal mehr, mal weniger geheimen Codes der Subkulturen. Studiert hat Parker, Jahrgang 1968 an der University of Texas in Austin, während Peter Saul dort eine Professur hatte. Saul und Parker, der heute in Brooklyn lebt, haben sich über die Jahre nie aus den Augen verloren. Deshalb ist der Künstler nun auch zur Eröffnung von Sauls Retrospektive in der Schirn Kunsthalle angereist. Zum Interview sind wir im Café Schirn verabredet. Erik Parker trägt Sneaker, Bermudas und ein dunkles Jeanshemd, man kann ihn sich auf Anhieb gut auf einem Skateboard vorstellen. Er bestellt schnell noch einen „ice coffee with Schlagsahne“, dann beginnt das Gespräch.

Schirn Magazin: Du bist in Stuttgart geboren. Wie kam es dazu?

Erik Parker: Mein Vater war dort auf der Pilotenschule. Meine Mutter, eine Britin, brachte mich in einem deutschen Krankenhaus auf die Welt. Mein Vater wollte Pilot werden, um in den Vietnamkrieg zu ziehen. Dreimal war er dort, zum Glück ist er jedes Mal heil zurückgekehrt. Als wir Deutschland verlassen haben, war ich drei Jahre alt.

Bist du seit deiner Kindheit nun zum ersten Mal wieder in Deutschland?

Nein, ich war seitdem häufig zu Besuch hier. Ich bin gerne in Deutschland und schaue mir Ausstellungen an. Die Kuratoren hier sind viel mutiger als in den Vereinigten Staaten, sie gehen mehr Risiken ein. Das ist sehr inspirierend.

Erik Parker, Public Domain via Flattmag

Welche Museen gefallen dir in Frankfurt?

Ich liebe die Abteilung für zeitgenössische Kunst im Städel. Da sieht man wirklich verrückte Dinge, die Ausstellung ist wunderbar vielfältig. Ich war gerade heute wieder dort und ich habe die Malereien von Bettina von Arnim aus den 1980er-Jahren für mich entdeckt. Und dann diese tollen Werke von Martin Kippenberger oder Dieter Roth. Sehr gerne gehe ich aber auch ins Museum für Moderne Kunst. Mir gefällt die Architektur des Gebäudes.

Kippenberger, Martin (1953-1997) Zwei proletarische Erfinderinnen auf dem Weg zum Erfinderkongreß, 1984, 160 x 133 cm Städel Museum, Frankfurt am Main Foto: Städel Museum - ARTOTHEK © Estate Martin Kippenberger, Galerie Gisel
Du hast an der University of Texas in Austin studiert, während Peter Saul dort unterrichtete. Wie hat er deine Arbeit als Künstler inspiriert?

Ich hatte nie zuvor von ihm gehört. Ich war einfach ein Punkrock-Kid, frisch von der Highschool, aus einfachen Verhältnissen, und wollte das Malen lernen. Dass ich damals überhaupt schon gezeichnet habe, lag einzig und allein an meiner Begeisterung für die Comics aus dem „MAD“-Magazin. Und dann komme ich an die Universität und lerne einen Professor kennen, der als Inspiration ebenfalls die „MAD“-Hefte nennt. Mich hat das fasziniert: Peter kam für eine halbe Stunde in die Klasse und zog sich danach ins Atelier zurück, um zu arbeiten. Ich war begeistert – von seiner Art zu malen, aber auch von seiner Art, zu leben. Dass unsere Wege sich gekreuzt haben, war für mich ein riesiges Glück.

Wie war Peter Saul als Lehrer?

Von ihm habe ich gelernt, dass du deiner eigenen Vision von Kunst folgen musst und nicht der Norm. Peter war niemand, der seinen Studenten erklärte, was gut und was schlecht ist. Er gab nie Tipps wie: Mal da noch etwas Gelb, überarbeite diese Stelle noch einmal. Peter hat mit uns sowieso selten über Malerei gesprochen, sondern meistens über ganz alltägliche Dinge. In seinen Kursen waren immer nur die Schüler, die wirklich an ihrer Kunst arbeiten wollten. Um das zu erreichen, hatte er einen Trick: Am Anfang des Kurses vergab er einfach an jeden die Bestnote. Wer nicht wollte, musste dann nie mehr zum Unterricht erscheinen.

Mad Magazin, Public Domain via Mad Magazin Deutschland

Peter Saul in seinem Studio in Mill Valley, Kalifornien, 1974, S/W Fotografie, 25,2 x 20,4 cm, Sammlung des Künstlers, © Peter Saul
Spielen Pop- und Subkulturen in deiner Kunst eine ähnlich wichtige Rolle wie bei Peter Saul?

Die Gegenkulturen haben mich immer angezogen: Skateboarding, Punkrock, HipHop. Aber heute sind die Subkulturen verschwunden, das Internet saugt alles auf. Wenn du heute noch einmal eine wirkliche Subkultur starten willst, dann musst du dich dem Netz entziehen.

Aber entsteht in den Vereinigten Staaten nicht gerade jetzt, nach der Wahl von Donald Trump, eine ganz neue Gegenkultur?

Ja, es gibt heftige Proteste – und viele Künstler sind Teil dessen. Ich selbst bin nicht dabei, weil ich dafür zu paranoid bin. Aber es gibt in der Kunstszene wohl tatsächlich niemanden, der die Trump-Regierung unterstützt.

Peter Saul, Ausstellungsansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2017, Foto: Norbert Miguletz
Was glaubst du, warum Peter Saul immer ein „artist’s artist“ geblieben ist? Warum blieb ihm der große Durchbruch bislang verwehrt?

Ist das so? Gerade in den vergangenen fünf Jahren ist das Interesse an seinem Werk doch enorm gestiegen. Ich denke, das wird sich auch noch weiter fortsetzen. Natürlich ist Peters Kunst sehr idiosynkratisch, sehr direkt, das ist nicht leicht zu verdauen. Eine Rolle hat sicher auch gespielt, dass seine Arbeiten, die meist von Privatsammlern gekauft wurden, lange nicht zu sehen waren. Dann machten seine Werke plötzlich auf Social-Media-Plattformen wie Instagram die Runde. Ich bin mir sicher: Wirklich gute Kunst kann man nicht geheim halten.

Peter Saul, Ausstellungsansicht © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2017, Foto: Norbert Miguletz
Wie gefällt dir die neue Retrospektive?

Das ist eine außergewöhnliche Ausstellung, sie liefert einen guten Einblick in die amerikanische Kultur und die politischen Kämpfe der 1970er- und 1980er- Jahre. Zum Beispiel das Bild, das die schwarze Aktivistin Angela Davis zeigt, die von weißen Schweinen mit Spritzen malträtiert wird. Das ist krass, aber so waren damals die Zeiten.

Peter Saul, San Quentin # 1 (Angela Davis at San Quentin), 1971, Öl auf Leinwand, 180,3 x 238,8 cm, © Peter Saul, Collection of KAWS