Sonne, Wärme, Neid und Licht. Auch in der Kunst weckt Gelb ein breites Spektrum an Assoziationen. 10 Kunstwerke, in denen die Farbe eine zentrale Rolle spielt.

Mit den Zeilen „…and it was all yellow“, besingt Chris Martin von Coldplay das schöne Gefühl einer tiefen Freundschaft und Hingabe. Denn Gelb steht für Sonne, Wärme, Licht, für den ewigen Sommer und Glücksgefühle, für den breit grinsenden Smiley. Wir verbinden mit der Farbe das gleißende, direkte Sonnenlicht, weshalb reinem Gelb eine unglaubliche Strahlkraft und Fernwirkung zugeschrieben wird. So breit gefächert die Nuancen der Farbe sind, so vielfältig ist das Spektrum von individuellen Assoziationen und Deutungen. Dies zeigen auch die folgenden 10 Werke, in denen Gelb eine zentrale Rolle spielt.

MILTON AVERY, YELLOW SKY, 1958

Zieht ein Gewitter auf? Oder ist der Himmel von der untergehenden Sonne gelb gefärbt? Welchem Naturschauspiel Milton Avery hier beiwohnte, wissen wir nicht. Dass sein Werk „Yellow Sky“ auf Skizzen und Aquarelle zurückgeht, die er in den Sommern der späten 1950er Jahre in Provincetown, Cape Cod fertigte, gilt jedoch als sicher. Nach seiner Rückkehr in sein New Yorker Atelier entwickelte er die Szenen zu Kompositionen, die er in Form und Farbe stark reduzierte. „Yellow Sky“ zeigt eine abstrakte Interpretation der Landschaft, in der die Farbe Gelb klar dominiert. Das tiefgelbe Band in der oberen Bildhälfte – der „gelbe Himmel“ im Titel des Werks – wird durch ein weiteres großes gelbes Farbfeld im unteren Bildteil ergänzt. Durchbrochen wird die Monochromie durch dunkelgraue Felsformationen und einem hellblauen Wasserlauf. Denn obwohl vieles an Averys Malerei an die Werke der abstrakten Expressionist*innen erinnert, hat sich der Künstler letztlich nie der völligen Abstraktion hingegeben.

Milton Avery, Yellow Sky, 1958, Image via: tate.org.uk

JAMES CASABERE, BRIGHT YELLOW HOUSE, 2018

Das „Bright Yellow House“ ist Teil der Werkserie „On the Water’s Edge“ des US-amerikanischen Künstlers James Casabere. In den inszenierten Fotografien stellt er Fragen rund um den Klimawandel und die drohende Umweltkatastrophe in den Mittelpunkt. Seine Szenen sind zutiefst zweideutig und politisch pointiert: Die Bilder von unbewohnten Räumen und Landschaften wirken surreal und vermitteln eine tiefgehende Beunruhigung. In den hybriden architektonischen Strukturen verbindet Casabere den öffentlichen Raum mit privaten Zufluchtsorten, die er am und im Wasser verortet. In der Bildserie setzt der Künstler seine sich ständig weiterentwickelnde Forschung zu Formen an der Schnittstelle von Architektur, Skulptur und Fotografie fort. Die fotografischen Tableaus, die er in seinem Atelier fotografiert, zeugen von einer Meisterschaft, die er in den letzten 40 Jahren perfektioniert hat.

James Casabere, Bright Yellow House, 2018, via: www.jamescasebere.com

HELEN FRANKENTHALER, MORNINGS, 1971

Sonnenstrahlen, die das Morgengrauen durchbrechen: So könnte man diese Malerei von Helen Frankenthaler wohl beschreiben. Drei vertikal verlaufende gelbe Farbfelder nehmen nach rechts hin in ihrer Intensität ab und scheinen zu verwischen. Akzentuiert werden die Flächen durch einzelne Striche, die wahllos gesetzt zu sein scheinen. In ihrem Werk untersuchte Frankenthaler immer wieder das Verhältnis von Zeichnung und Malerei. In den 1970er Jahren führte die Künstlerin offenere zeichnerische Elemente wie die beschriebenen dünnen Linien ein, die die farbigen Konturen durchschneiden.

Eine Linie ist eine Linie, aber sie ist eine Farbe.

Image via: gagosian.com

LUBAINA HIMID, ANKLEEDEEP, 1991

"Zwei Frauen stehen knöcheltief hinter Bannern vor Tüchern und zerreißen Landkarten; Fragmente schweben davon". So beschreibt die in Tansania geborene britische Künstlerin Lubaina Himid „Ankledeep“, ein Werk aus der Serie „Revenge. A Masque in Five Tableaux“. Die Serie umfasst zwölf Arbeiten, die häufig Paare Schwarzer Frauen in verschiedenen Szenarien zeigen. Die beiden Frauen in „Ankledeep“ sind nackt, aber würdevoll von einem schwarzen Banner bedeckt. Ein goldgelbes Farbband umrahmt ihre Köpfe. Sie sind aufmerksam, aber blicken ruhig auf etwas uns Verborgenes zu ihrer Linken. Aus der Hand der rechten Figur fallen Papierfetzen, die vom Wind weggetragen werden. Es handelt sich um Fragmente einer zerrissenen Landkarte. Gedeutet wird dies als Racheakt: Die Frauen zerfetzen und verstreuen die kolonialen Karten der Vergangenheit, bevor sie sich auf die Suche nach neuen Wegen und Gewändern machen. In Himids Gemälden, Installationen, Papierarbeiten und Holzschnitten findet die historische Erzählung über Migration und Kolonialismus immer wieder Einzug. Im Mittelpunkt steht dabei der kulturelle Status Schwarzer Frauen.

Image via: tate.com

GARY HUME, POOR THING, 1998

Dass die Farbe Gelb nicht nur für die guten Seiten im Leben steht, zeigt dieses Bild eindrücklich. Im Siebdruck „Poor Thing“ sehen wir das seltsam verformte Gesicht einer Person, deren vermeintliche Notlage symbolisch durch ungleiche Augen ausgedrückt und durch den Titel bestätigt wird. Wer diese Person ist, wissen wir nicht. Es handelt sich um eine imaginäre Figur, die sich aus unterschiedlich gelben Farbflächen zusammensetzt. Das Portrait ist der sechste von zehn Siebdrucken der „Portraits“-Serie des britischen Künstlers Gary Hume. Sie basieren auf Gemälden, die Hume zwischen 1994 und 1998 schuf.

Image via tate.org

JAMES TURRELL, PERFECTLY CLEAR (GANZFELD), 1991

Denkt man monumentale Farbwelten, kommt man an einem Künstler nicht vorbei: James Turrell. Der Pionier der Licht- und Raumkunstbewegung schafft immersive Werke, die die Betrachtenden in eine Welt aus Farbe und Licht eintauchen lassen. Steht, sitzt oder liegt man in der Lichtinstallation, ist man von der gelben Atmosphäre vollends umgeben. Ein Gefühl der Orientierungslosigkeit stellt sich ein, zugleich hat man den Eindruck zu schweben. Die Installationen sind so konzipiert, dass sie die Tiefenwahrnehmung ausschalten und physische Grenzen auflösen. James Turrell lädt dazu ein, die Außenwelt auszublenden und sich auf sich selbst zu besinnen.

Image via: news.artnet.com

HAYV KAHRAMAN, CONCEALED WEAPON, 2016

Hayi Kahraman versteht ihren eigenen Körper als eine Form der Sprache. Für die aus dem Irak geflohene Künstlerin wurde im Exil in Schweden, Italien und den USA auf der Suche nach einem gemeinsamen Nenner der Körper zu ihrem Medium. In ihren großformatigen Gemälden auf Leinentafeln stehen Frauen mit blasser Haut und tiefschwarzem Haar im Mittelpunkt. Ihre Figuren erinnern sowohl an italienische Renaissance-Gemälde als auch an persische Miniaturen oder japanische Illustrationen. Sie schlägt den Bogen zwischen östlichem „Exotismus“ und westlichen Konzepten von Schönheit. Die nackte Frau in „Concealed Weapon“ hält einen Umhang, ein Tuch, in ihren Händen, der aus einem islamischen geometrischen Muster in Gelb besteht. Kahramans Werk ist unmittelbar mit der Geschichte des Iran-Irak- und Golfkriegs verwoben, aber auch mit dem kulturellen Gedächtnis der Diaspora.

Image via: hayvkahraman.com

LENI HOFFMANN, SANSIBAR, 2012

„Ist das Kunst, oder kann das weg?“ Diesen Satz hören echte Kunstliebhaber*innen gar nicht gern. Doch in diesem Fall kann man diese klischeebehaftete Frage vielleicht verzeihen… Denn auf den ersten Blick sieht es wirklich so aus, als hätten Bauarbeiter*innen die gelben Elektrokabel mitten im Ausstellungsraum nach getaner Arbeit vergessen. Betrachtet man „Sansibar“ genauer, dürfte jedoch auffallen, dass die Schlingen erstaunlich ebenmäßig auf dem Boden liegen. Die zwei gelben Kabel scheinen aus der Decke zu kommen und liegen in Schlingel auf dem Boden, die sich nicht überlagern. In Leni Hoffmanns ortsspezifischem Werk handelt es sich um eine „Raumzeichnung“, die einem konkreten Konzept unterliegt.

Ist das Kunst oder kann das weg?

Image via: staedelmuseum.de

JOSEPH BEUYS, CAPRI BATTERIE

„Nach 1000 Stunden auswechseln“ lautet die Aufschrift der Holzkiste des 1985 entstandenen Multiples „Capri-Batterie“ von Joseph Beuys. Die Verbindung von Glühbirne und Zitrone zeigt die Natur als Energiequelle. Sie ist stetig im Wandel und gleicht einer sich selbst aufladenden Batterie. Gleichzeitig führt uns das Multiple brutal vor Augen, wie fragil unser Ökosystem heute ist – und wie begrenzt die natürlichen Ressourcen sind, mit denen wir umso sparsamer umgehen müssen. In der „Capri-Batterie“ zeigt sich Beuys‘ Kunstverständnis, das von einer tief empfundenen Naturverbundenheit geprägt ist, besonders deutlich. Der Prototyp des Werks entstand übrigens während eines Genesungsaufenthalts des Künstlers auf Capri.

Image via: faz.net

UGO RONDINONE, PURE SUNSHINE

Pulsierend, vibrierend, oszillierend: Die acht Sonnen von Ugo Rondinone ziehen die Besucher*innen in den Bann. Sie illuminieren den letzten Raum der Ausstellung „LIFE TIME“ in der SCHIRN und hüllen ihn in strahlendes Gelb. Die kreisrunden Leinwände sind mit konzentrischen gelben Ringen besprüht und erinnern in ihrer Anordnung im Raum an eine Sonnenkomposition. Die gelben Bänder, deren schmelzende Ränder an Hitzedunst erinnern, spiegeln eine Reihe von Themen wider, mit denen sich Rondinone Zeit seines Schaffens beschäftigt hat: Tag und Nacht, Licht und Dunkelheit, Gestern und Heute.

Ausstellungsansicht "Ugo Rondinone. LIFE TIME"

UGO RONDINONE. LIFE TIME

24. Juni – 18. Septem­ber 2022

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