In einer Filmreihe verbindet Oliver Hardt die Themen aus Kara Walkers Werk mit den Perspek­ti­ven Schwar­zer Menschen in Deutsch­land. Im Gespräch mit Autor Eric Otieno Sumba erzählt der Filme­ma­cher, was uns an den Aben­den erwar­tet.

„Schwarz ist keine Farbe“ ist die Filmreihe zur Ausstellung „A Black Hole is Everything a Star Longs To Be“. Im Gespräch erzählt der Frankfurter Filmemacher Oliver Hardt, der die Reihe kuratiert hat, was Zuschauer*innen an den vier Abenden erwartet.

Eric Otieno Sumba: Die Filmreihe präsentiert zehn Filme an vier Abenden. Inwiefern schlägt das Filmprogramm einen Bogen zu Kara Walkers Werk?

Oliver Hardt: Die Filmreihe nimmt Kara Walkers Sujets zum Anlass, um über Schwarzsein in Deutschland zu reflektieren. Es geht nicht um die Person oder Künstlerin Kara Walker. Es geht um Schwarze Identitäten, die Auseinandersetzung im Spannungsfeld zwischen Selbstbild und Fremdbild, Zuschreibung und Selbstbestimmung. Die Arbeiten der Filmmacher*innen versuchen, die Kontrolle über das eigene Bild zurückzuerobern, indem sie überkommene Narrative in Frage stellen und durch eigene ersetzen. Schwarze Identität wird in den Filmen verstanden als ein fortwährender Prozess der Selbstbefragung und des Aushandelns der eigenen Position innerhalb der weißen Dominanzkultur. Das sehe ich bei Kara Walker in der ganzen Radikalität ihrer Bildsprache, zwischen tiefen Schmerz und abgründiger Komik.

„There is no question that representation is central to power, the real struggle is over the power to control images“ schrieb Thelma Golden Anfang der 1990er Jahre. Es ist heute gewissermaßen eine Binsenweisheit, aber ich glaube man kann nicht genug betonen, wie wichtig das ist. Film ist ein visuelles Medium, in dem man visuelle Darstellungsformen diskursiv verhandeln kann. Das spielt in der Reihe eine zentrale Rolle.

Es geht um Schwarze Identitäten, die Auseinandersetzung im Spannungsfeld zwischen Selbstbild und Fremdbild, Zuschreibung und Selbstbestimmung.

Oliver Hardt
Oliver Hardt, Foto: Frank Blümler

Es werden neun Filme von Schwarzen Filmemacher*innen seit der Wiedervereinigung gezeigt. Warum dieser Zeitraum und in welchen Genres sind die ausgewählten Filmemacher*innen unterwegs?

Der älteste Film ist von 1992, der neueste von 2021. Wenn man die Filmreihe als Ganzes betrachtet, kann man einiges über die Befindlichkeiten und Veränderungen in Deutschland seit der Wiedervereinigung ablesen, das ist zumindest meine Hoffnung. Es sind in Deutschland in den letzten 30 Jahren nicht wahnsinnig viele Filme von Schwarzen Filmemacher*innen entstanden. Dennoch gibt es alle Formate, wenn auch mit einem klaren Schwerpunkt auf dem Dokumentarischen und auch eher dem Kurzfilm.

Das hat einerseits ökonomische Gründe, andererseits besteht für Schwarze Dokumentarfilmemacher*innen eine größere Chance, etwas über die eigene Erfahrungswelt zu erzählen als im Spielfilm, wo man oft sehr lange Umwege gehen muss. Der Dokumentarfilm als unmittelbarer Ausdruck persönlicher Erfahrung und Weltsicht steht im Vordergrund. In den letzten Jahren passiert allerdings auch einiges im Spielfilmbereich: es gibt mittlerweile verstärkt Schwarze und postmigrantische Perspektiven im Kino und Fernsehen. Mit „Ivie wie Ivie“ (2021) von Sarah Blaßkiewitz haben wir einen dieser ganz neuen Kinofilme im Programm. Der Film erzählt die Geschichte zweier afrodeutscher Halbschwestern, die sich erst als Erwachsene kennenlernen.

Wie lässt sich der Publikumserfolg von der einzigen nichtdeutschen Produktion in der Filmreihe, Raoul Pecks „I am not your Negro“ (IANYN, 2016) in Deutschland erklären?

Zunächst einmal, weil das ein wirklich toller Film ist. Dazu kommt, dass sowohl Raoul Peck als auch James Baldwin, dessen Bücher alle auf Deutsch erschienen sind, hier seit langem intensiv rezipiert wurden. Eine wichtige Erklärung für den Erfolg ist aber auch, dass man in Deutschland gerne in die USA schaut, wenn es um Themen wie Rassismus, Gewalt und Diskriminierung geht. Da findet eine Art Externalisierung statt, die es dem deutschen Publikum erlaubt, woanders hinzuschauen und festzustellen, wie schlimm es dort in Bezug auf bestimmte Ideologien ist. Gleichzeitig wird man von der Aufgabe entlastet, vor der eigenen Haustür zu schauen. Eine gewisse Geschichtsvergessenheit in Bezug auf den Deutschen Kolonialismus und seine bis in die Gegenwart spürbaren Nachwirkungen spielt da sicherlich auch eine Rolle.

Die Mehrheit der Filmemacher*innen scheint sich allerdings erst wenige Jahre in Deutschland aufgehalten zu haben als die Filme entstanden sind und drei leben mittlerweile nicht mehr in Deutschland. Sind die Filme in einem Ausbildungskontext entstanden?

Es ist ein Wunder, dass es manche dieser Filme überhaupt gibt. Die wären außerhalb eines Hochschulkontexts gar nicht entstanden. Zwei der Filme - „Fake Soldiers“ (1999) und „Black in the Western World“ (1992) - habe ich erst über die Reihe „Fiktionsbescheinigung“ der Berlinale 2021 entdeckt. Gerade im letzteren Fall war ich total beeindruckt, wie präzise Schwarzsein in Deutschland reflektiert wird. Man denkt es ist wahnsinnig wenig da, aber es gibt viel mehr Filmmaterial als man kennt, und das ist eine Frage der Zugänglichkeit der Archive und Archivverzeichnisse.  

Tatsächlich vermitteln die Filme selbst die Ideen, die Filmemacher*innen über ihre Perspektiven als Schwarze Filmemacher*innen in Deutschland hatten und haben. Es ist nicht immer explizit das Thema, aber es schwingt oft mit. „Fake Soldiers“ geht zum Beispiel von der Prämisse aus, dass Afrikaner und Afrodeutsche ein viel schwereren Stand haben als die coolen Afroamerikaner. Daraus macht Idrissou Mora-Kpai einen kleinen comedyhaften aber eigentlich sehr ernsten Kurzspielfilm, in dem zwei Afroberliner Jungs sich als GIs ausgeben, um bei den deutschen Frauen zu punkten. Afroamerikanische Kultur hat und hatte in Deutschland eine selbstverständlichere Präsenz als afrikanische Kulturen, oder eben auch die Afro-Deutsche.

Man lernt also viel über den Lebenskontext von Schwarzen Menschen in Deutschland ab Anfang der 1990er Jahre bis heute.  Es ist quasi eine archivarische Leistung, die die Filme da vollbringen…

Deshalb ist auch die Vielfalt der Genres und die Zeitspanne so wichtig. Von „Black in the Western World“ gibt es nur eine einzige Kopie in der Deutschen Kinemathek in Berlin. Es hat mich gefreut, den Film dort zu sichten und fürs Programm ausleihen zu können, aber auch nachdenklich gemacht, was die Zugänglichkeit betrifft. Wie viel tolles Material liegt wohl dort noch, von dem wir gar nichts wissen? Das Archiv kann Dinge bewahren, aber auch Verschlucken, wie es die Filmemacherin Karina Griffith einmal formuliert hat.

Drei Filme aus drei unterschiedlichen Jahrzehnten haben das Wort „Black“ im Titel bzw. englischsprachige Titel obwohl es deutsche Produktionen sind. Warum wird nicht etwa Schwarz verwendet?

Die Verwendung des englischen Black bezeichnet vor allem die Differenz zwischen dem deutsch- und englischsprachigen Raum in Bezug auf die Diskurse um „race“, „identity“, „blackness“ usw. Bei „Black Deutschland“ (2006), meinem eigenen Film, wollte ich die Differenz markieren zwischen dem, was als „Deutsch“ angesehen wird und dem, was „Black“ meint. Diese Vorstellung von „Black“ als etwas nicht Dazugehöriges ist im Titel angedeutet. Der Hauptpunkt ist aber, dass „Black“ seit langem ein politisch konnotierter Begriff ist, gerade durch die „race“-Diskurse im englischsprachigen Bereich. Da sind wir in Deutschland leider ein bisschen hinterher. Es gibt belastete Begriffe wie „Rasse“, die so im Grunde nicht verwendbar sind und dazu führen, dass wir hier oft erstmal Begriffe ausleihen müssen. Das kann und wird sich mit der Zeit ändern, im Moment scheint es die einzig adäquate Möglichkeit zu sein, darüber zu sprechen.

Filmreihe mit Oliver Hardt

SCHWARZ IST KEINE FARBE

Jeweils Donnerstags um 19.30 Uhr, 21. + 28. Oktober, 4. November 2021

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