Noch vor wenigen Jahren wurde die eigene Zurschaustellung auf Fotos als narzisstischer Quatsch belächelt. Heute ist überall Selfie-Land: 10 Fakten zu einem Phänomen, das den Alltag verändert hat.

1.

Wer hat’s erfunden?

Als erstes Selfie überhaupt gilt heute das Selbstporträt von Robert Cornelius. Das Foto aus dem Jahr 1893 zeigt den Hobby-Chemiker und -Fotografen, der mit kritischem Blick in die Kamera schaut. Weit vor der Erfindung von Selbstauslöser und Selfie-Stick wählte der Amerikaner eine simple, aber effektive Methode: Er baute die Kamera vor dem elterlichen Geschäft in Philadelphia auf, öffnete die Linse, eilte in den Fokus, harrte eine Minute aus – und drehte schließlich wieder den Verschluss auf die Linse, wodurch die Aufnahme gestoppt wurde.

2.

Wer hat’s erfunden? (II)

Der Begriff wurde erst ziemlich genau 109 Jahre nach Robert Cornelius‘ Aufnahme gefunden: Der Australier Nathan Hope gilt heute als Wortschöpfer für das Phänomen. Er lichtete seine demolierte Lippe ab und veröffentlichte das Motiv online; als Entschuldigung für die Unschärfe gab er an, es handele sich dabei um ein Selfie.

Image via Slate.com

3.

Selfies sind das neue Autogramm

Popstar Taylor Swift beschwerte sich in einem Interview darüber, dass inzwischen jeder Fan ein Selfie mit ihr verlange – Autogramme scheinen als Trophäen nur noch wenig zu gelten. Diesen Mechanismus machen sich neben Popstars längst auch Politiker zu Nutze, allerdings: Es verringert den Abstand zwischen Fan und Star, was für den Ersten schön, für Letzteren mitunter auch ganz schön anstrengend werden kann.

Image via pinterest

4.

Affen als Urheber

Hunde, Katzen, Kamele und Faultiere: Von nahezu jedem flauschigen Tier gibt es inzwischen „Selfies“ im Netz. Allerdings bleibt hier natürlich die Frage, inwiefern die Porträtierten auch wirklich proaktiv den Auslöser in die Hand nehmen und ob ihre Selfies schließlich auch ihnen selbst gehören. Der britische Naturfotograf David Slater geriet 2014 mit verschiedenen Organisationen in Konflikt, als von ihm initiierte „Selfies“ einer Gruppe von Makaken auf Wikimedia Commons veröffentlicht wurden – ohne Slater als Copyright-Inhaber. Da die Motive eigenständig von den porträtierten Affen erstellt worden sind, so die Argumentation, könne nicht Slater das Copyright für diese Motive innehaben. 2016 erklärte hingegen ein US-Gericht, dass ein Affe kein Copyright an seinem eigenen Foto innehaben könne; bis heute beansprucht also Slater das Copyright an den Bildern. Die Tierrechtsorganisation PETA versuchte gegen die Entscheidung anzugehen und auch Affen ein Urheberrecht einzuräumen.

Image via heise.de

5.

Selfie vor der Mona Lisa

Das Phänomen ist Ausstellungs- und Museumsbesuchern längst bekannt: Nicht wenige Mitbesucher scheinen vor allem deshalb in den Louvre oder in die Tate zu gehen, um sich selbst vor berühmten Kunstwerken in den Fokus zu setzen. Mit dem "MuseumSelfieDay" gibt es nun einen heiß geliebten wie gehassten Aktionstag, an dem alle genau das exzessiv tun können – und schließlich mit entsprechendem Hashtag auf Twitter und Instagram teilen.

6.

Selfie vor der Mona Lisa (II)

Das Netz ist voll von selbsternannter Selfie-Art, von gemalten Selfies und von Selfies, die berühmte Malereien in den Fokus setzen. Die Dänin Olivia Muus fand eine besonders simple und effektvolle Weise: Sie hielt historischen Porträts in der dänischen Nationalgalerie einfach ihre Hand mit Smartphone hin – und fotografierte das Ganze ab, so dass es wie ein Selfie aussieht.

Image via thaeger.com

7.

What would Jacky do?

In Indien, wo Selfies (und auch die traurigen hiermit verbundenen Unfälle, siehe unten) besonders beliebt sind, werden etliche Werbekampagnen rund um das Massenphänomen entwickelt. Im Westen ist man noch ein wenig zaghafter mit Thema und Medium, dafür gibt es einige sehenswerte Kampagnen: 2013 startete die südafrikanische The Cape Times eine Bildreihe mit berühmten zeithistorischen Motiven als Selfie. So kann man hier unter anderem sehen, wie First Lady Jacky Kennedy sich heute mit lang ausgestrecktem Arm selbst ablichten würde.

Image via adweek.com

8.

Patienten-Selfies, unfreiwillig

Der Selfie-Wahn geht bei manch einem so weit, dass er nicht nur die Grenzen des guten Geschmacks vergisst, sondern auch Recht und Gesetz. Vom Berufsethos ganz zu schweigen: Fünf inzwischen entlassene Pfleger der Uniklinik Aachen malten zum Teil bewusstlose Patienten an und fertigten anschließend Selfies mit diesen an. Der Fall landete vor Gericht. Ob die unfreiwilligen Patienten-Selfies nur geschmacklose Verrohung Einzelner sind oder die Dunkelziffer deutlich höher liegt, fragten sich viele in der Berichterstattung.

Image via KSA.de

9.

Gefährliche Selfies

„Mehr Menschen sterben durch Selfies als durch Hai-Attacken“, titelte noch im letzten September die NY Post und berief sich dabei auf einen Artikel im Condé Nast Traveller. Die skandalwitternde Schlagzeile relativiert sich ein wenig, wenn man liest, dass die gezählten Hai-Attacken in besagtem Zeitraum sechs betrugen. Allerdings: Weltweit hat die Zahl an verheerenden Unfällen, die im Zusammenhang mit Selfies entstehen, deutlich zugenommen. So erleiden Selfie-Fotografen zum Beispiel tödliche Stromschläge beim Klettern auf Zugwaggons oder verlieren beim Fotografieren die Balance und stürzen in die Tiefe.

Image via mirror.co.uk

10.

Keine Bewegung ohne Gegenbewegung

2015 rief die Fondation Beyerle den „Anti Selfie Club“ ins Leben. Im Rahmen der Ausstellung „Black Sun“, zu Ehren des 100. Geburtstages von Kasimir Malewitschs Schwarzem Quadrat, konnten und können Ausstellungs- und Webseitenbesucher ihre Selfies mit schwarzen Kreisen und Quadraten versehen – und sich selbst somit unkenntlich machen.

Image via antiselfie.club