Sind Künstlerinnen und Künstler besonders kreativ, wenn es ums Kochen geht? Ein Blick in die Küchen der Kunstwelt. Diesmal mit Frida Kahlo und ihren mexikanischen Fiestas im blauen Haus.

Alice Waters, Köchin und Mitgrün­de­rin des berühm­ten kali­for­ni­schen Slow-Food-Restau­rants Chez Panisse, beschreibt die Bezie­hung zwischen Kochen und Kunst folgen­der­ma­ßen: „Die instink­tivste und buch­stäb­lichste Verbin­dung, die wir herstel­len, ist die mit unse­rem Essen… Der Akt des Kunst­schaf­fens und der des Kochens stim­men in vieler­lei Hinsicht über­ein, sie sind beide reak­tiv und krea­tiv, sie imitie­ren sich gegen­sei­tig und passen sich einan­der an.“ 

Existiert eine Verbindung zwischen dem, was in den Ateliers von Künstler*innen passiert, und dem, was in ihren jeweiligen Küchen vor sich geht? Finden sich zwischen Töpfen und Tellern Bezüge zu ihrem Werk und ihrer Persönlichkeit wieder? Sind Künstler*innen besonders kreativ, wenn es um den alltäglichen Akt des Kochens geht? Anhand von Fotos und Bestandsaufnahmen ihrer Küchen sowie Anekdoten rund um ihre Essensgewohnheiten geben wir Einblicke in die kulinarischen Lebenswelten berühmter Künstler*innen. 

In diesem Teil der Serie schauen wir auf eine Ikone des 20. Jahrhunderts: Frida Kahlo. Ein Stillleben mit aufgeschnittenen Wassermelonen, in leuchtenden Grün- und Rottönen gehalten und versehen mit der Inschrift „Viva la vida – Es lebe das Leben“ soll das letzte Bild sein, das Frida Kahlo vor ihrem Tod 1954 beendete. Damals noch eine weitestgehend unbekannte Figur, avancierte Kahlo ein halbes Jahrhundert später dank ihrer revolutionären Selbstporträts und einer schillernden Biografie zu einer weltweit bekannten Künstlerin und festen Größe der modernen Popkultur.

Frida y Diego. Leo Matiz © Alejandra Matiz

Heute ist das „Blaue Haus“ in Coyoacán, einem Stadteil im Süden von Mexiko-Stadt, ehemaliges Elternhaus der Künstlerin und Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens und Schaffens, als Museum öffentlich zugänglich. Durch den üppigen Garten, vorbei an Yucca Palmen, Kakteen, Sukkulenten und Obstbäumen gelangt man in das Innere des zweistöckigen Hauses, das man eher in einem Dorf verorten würde als in einer Millionenstadt. 

Als Frida Kahlo 1929 mit ihrem Ehemann, dem Maler Diego Rivera, hier einzog, gestalteten die beiden das Haus komplett nach ihren Vorstellungen um und verpassten der Fassade ihren markanten kobaltblauen Anstrich. Den Boden des Esszimmers, Hauptschauplatz des intensiven Soziallebens des Künstlerpaars, ließen sie in einem leuchtend sonnengelben Ton streichen, der sich bis in die Küche zieht. Wassermelonen findet man dort heute keine mehr, aber man ahnt, dass die blau-gelb geflieste Arbeitsplatte zu Lebzeiten der Künstlerin vollgestellt gewesen sein muss mit frischen Früchten, Gemüse und Blumen, die sie von ihren zahlreichen Streifzügen über den Markt von Coyoacán mitbrachte. 

Casa Azul, Image via WikiCommons

Frida Kahlos Küche, Image via tastecooking.com

Die Einkäufe dienten Kahlo als Inspiration und Motiv für ihre Stillleben, in denen sich Bananen, Melonen, Orangen, Pitahayas (Drachenfrüchte) und zahlreiche tropische Obstsorten tummeln, aber auch als Ausgangspunkt ihrer kulinarischen Kreationen. Kahlo war fasziniert von den Geschmäckern, Farben und Traditionen der mexikanischen Volksküche, und deren Einfluss spiegelte sich auch in der Gestaltung ihrer Küche und ihres Speiseplans wider. In traditionellen Steinguttöpfen aus Oaxaca und Kupferkesseln aus Santa Clara, Mitbringsel von Kahlos und Riveras Reisen durch das Land, wurden auf einem klassischen Holzherd – zu einer Zeit, in der Gasöfen bereits etabliert waren – simple Gerichte der indigenen, prähispanischen Küche Mexikos gekocht. Essen war im Haushalt Kahlo-Rivera sozialer Akt und politisches Statement zugleich, ein Ausdruck der tiefen Verbundenheit des Paars mit der indigenen Kultur des Landes.

Die Zubereitung der Speisen überließ Kahlo weitestgehend ihrer Köchin Eulalia, während sie die Orchestrierung der Mahlzeiten selbst übernahm. Mit Sorgfalt und Liebe zum Detail ging sie Menüplanung und Tischdekoration an – unabhängig davon, ob es sich dabei um einen wichtigen Anlass wie den Feierlichkeiten zu „El Día de los Muertos“, dem Tag der Toten, handelte, oder um das tägliche gemeinsame Mittagessen mit Rivera. 

Frida Kahlo, Still Life with Parrot and Flag, 1951 © Private Collection Courtesy Galeria Arvil/VG Bild-Kunst, Bonn 2020

Der Akt des Tischdeckens diente Kahlo als Spielwiese für Experimente in Farbe und Form: Aufwendige Blumenarrangements, oft frisch gepflückt aus ihrem Garten, farblich abgestimmtes Geschirr und Kompositionen mit Obst und Gemüse bildeten zusammen mit einer Vielzahl verschiedener Speisen ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk.

Im Kontext der Ehe mit Diego Rivera spielte das Kulinarische ebenfalls eine wichtige Rolle – sinnbildlich hängte die Künstlerin Dutzende winziger Tonkrüge über den Herd, die im Ensemble die Namen „Frida“ und „Diego“ bilden, begleitet von zwei Tauben, die ein verknotetes Liebesband im Schnabel halten. In einer von Unkonventionalität geprägten Partnerschaft adoptierte Kahlo hier ein eher traditionelles Rollenbild: Sie übernahm die komplette Organisation der Familienmahlzeiten, kochte für Diego „Mole Poblano“ – ein komplexes Rezept mit über zwanzig Zutaten, angeblich sein Lieblingsgericht und unfehlbares Mittel gegen seine Stimmungsschwankungen – und brachte ihm das Mittagessen in einem reich befüllten und aufwendig dekorierten Korb vorbei, wenn er außer Haus arbeitete. 

Frida Kahlo und Diego Rivera, Image via remezcla.com

Frida Kahlos Küche, Image via nolisoli.ph

Für das umfangreiche soziale Netzwerk, das Kahlo kultivierte, war das Esszimmer im Blauen Haus eine zentrale Anlaufstelle. In den Dreißigerjahren saß, schmauste und diskutierte um den festlich gedeckten Tisch die intellektuelle und kulturelle Elite des Landes, dazu gesellten sich bekannte internationale Figuren, die auf ihren Reisen nach Mexiko oft einen Zwischenstopp bei Rivera und Kahlo einlegten. Wer einmal mit dem Künstlerpaar Mezcal getrunken und Tamales gegessen hatte, ging oft in den engeren Freundeskreis der Familie über, zu dem Leon Trotsky, Dorothea Lange, André Breton, Georgia O'Keeffe und Alice Rahon gehörten.

Auch als die körperlichen Beschwerden, unter denen sie nach einem schweren Verkehrsunfall in ihrer Jugend zeitlebens litt, immer belastender wurden, fand die Malerin Freude am Essen und Trinken in Gesellschaft: Sie verlegte die Festessen kurzerhand in ihr Schlafzimmer, wo sie vom Bett aus mit ihren Besuchern Tequila trank und deren Mitbringsel verkostete. 

So sehen die Küchen der Kunstwelt aus

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