Mit 30 beschloss Kaiserin Sisi sich nie wieder foto­gra­fie­ren zu lassen. Gleich­zei­tig sammelte sie Bilder ande­rer Frauen in sogenannten „Schön­hei­ten-Alben“. Eine Ausstellung zeigt die überraschende Aktualität dieses Unterfangens.

Ein Foto fängt den Moment oder die Person vor der Kameralinse ein. Man muss sich diesen Satz vielleicht einmal auf der Zunge zergehen lassen, um zu begreifen, wie angsteinflößend es für die Abgebildeten sein kann, fotografiert zu werden. Gerade weil diese bilderreichen Zeiten leicht vergessen machen, dass es keineswegs selbstverständlich ist, ständig jeden Menschen und auch sich selbst im Foto für ungefragte Ewigkeiten einfrieren zu können. Einfangen, das klingt spielerisch, offenbart aber auch eine gewisse Freude an der Jagdlust der Fotografierenden – schon landet man bei den Paparazzi, die aus ihrer Verfolgung mehr oder weniger prominenter Menschen mit der Kamera einen Beruf machen.

Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn, genannt Sisi, war um die 30, als sie beschloss, sich nie wieder fotografieren zu lassen. Ein beispielloser Akt der Selbstbestimmung über das eigene Bild in einer Konsequenz, wie dies heute, wo Teambilder auf Projekt- und Unternehmenswebseiten beinahe schon obligatorisch vorausgesetzt werden, ungeachtet des Geschlechts, kaum mehr denkbar ist (wenngleich man als Frau hier auch heute noch stärker an äußeren Merkmalen beurteilt werden dürfte). Gleichzeitig war Sisi ihrerseits hingezogen von den Fotografien anderer Frauen, die sie in sogenannten „Schönheiten-Alben“ sammelte. „Sisi privat. Die Fotoalben der Kaiserin“ im Kölner Museum Ludwig bietet nun einmalige Einblicke in die persönlichen Schönheitsgalerien der Kaiserin, die allein spektakulär genug für einen Besuch sind.

Allein die Fotoalben sind spek­ta­ku­lär genug für einen Besuch

Insgesamt achtzehn Alben mit rund 2.000 Fotografien im damals beliebten Carte de Visite Format befinden sich im Bestand des Museums – kleine Fotografien, die auf sechs mal neun Zentimeter große Kartonkarten geklebt wurden. Die Ausstellung konzentriert sich nun auf jene drei Schönheits-Alben, wie Sisi sie selbst nannte, in denen sie Abbildungen adeliger Frauen, vor allem aber die weiblichen Stars der internationalen Bühnen sammelte. Jedes Album ist kunstvoll zum Beispiel mit Amethyst, Messingbeschlägen oder Ledereinband dekoriert. Ihren Schwager, Erzherzog Ludwig Viktor, bat die Kaiserin per Brief, ihr „hübsche Gesichter“ für die Sammlung weiblicher Porträts zukommen zu lassen; ihr Gesuch wurde sogleich an die österreichischen Botschafter in ganz Europa weitergeleitet.

„Schönheitenalbum“ der Elisabeth von Österreich-Ungarn, angelegt um 1862, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln

Wie hat die Kaiserin von Österreich-Ungarn die Fotografien sortiert und zusammengestellt? Und warum ihr Fokus auf ausschließlich Frauen? Ging es um den Vergleich mit dem eigenen Aussehen, die Anbetung der Schönheit einer anderen Frau – und wie stehen beide miteinander in Zusammenhang? Haben die Schönheiten-Alben dazu beigetragen, dass sich Sisi bald nicht mehr selbst fotografieren lassen wollte? Die Ausstellung spürt jenen Querverbindungen zwischen dem obsessiven Sammeln von Frauenbildern und dem Kuratieren des eigenen Bildes auf.

Wie hat die Kaise­rin die Foto­gra­fien sortiert und zusam­men­ge­stellt?

Für ihre „Gaffer“ hatte die Herrscherin, ganz anders als in den lieblichen Darstellungen der berühmten Romy Schneider-Filme, jedenfalls einige giftige Worte bereit. Im gleichnamigen Vers schrieb sie, an jene adressiert: „Es tritt die Galle mir fast aus, / Wenn sie mich so fixieren; / Ich kröch’ gern in ein Schneckenhaus / Und könnt’ vor Wut krepieren.“ Vermutlich liegt gerade in diesem scheinbaren Widerspruch der eigentliche Kern der Fotografie, das schon per Definition wechselseitige Verhältnis aus Fotografieren und fotografiert werden, von Kontrolle und Ausgeliefertsein selbst begründet.

„Schönheitenalbum“ der Elisabeth von Österreich-Ungarn, angelegt um 1862, Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln

„Die Porträtfotografie ist ein geschlossenes Kraftfeld“, formulierte es Roland Barthes in seinen „Reflektionen über Fotografie“, die bei heutiger Lektüre eine Ahnung davon vermittelt, dass die Obsession mit dem eigenen Bild und der Vergleich mit dem anderer keineswegs eine Erfindung von Instagram ist – auch, wenn die Plattform das Phänomen sicherlich in ungeahnter Geschwindigkeit wie Gleichzeitigkeit katalysiert haben mag. So funktioniert das Porträt als Zusammenschau der unterschiedlichen, sich teils auch untereinander widersprechenden Ich-Versionen, wie Barthes weiter ausführt: „Vor der Kamera bin ich, zur gleichen Zeit: der, der ich denke, der ich bin; der, von dem ich möchte, dass andere denken, der ich bin; der, von dem der Fotograf denkt, der ich bin; und der, von dem er Gebrauch macht, um seine Kunst auszustellen.“

Die Porträtfotografie ist ein geschlossenes Kraftfeld.

Roland Barthes

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