Sandra Kranich schafft ihre Installationen und Bilder mit Hilfe von Feuerwerken. Dafür hat die Frankfurter Künstlerin sogar eine Ausbildung zur Pyrotechnikerin absolviert.

Was ist das, was Sandra Kranich macht? Sind es Performances? Feuerwerke? Aktionskunst? Installationen? Skulpturen? Oder doch Malerei? Teil der Faszination an Sandra Kranichs Kunst ist, dass sie sich nicht einordnen lässt, dass sie das Rätselhafte nicht verliert. Faszinierend ist Kranichs Kunst aber auch, weil sie die Sinne anspricht, weil sie einen überwältigt. Weil es zischt, weil es kracht, weil es brennt, knallt und Funken schlägt. Sandra Kranichs Kunst ist ein bisschen so, als hätte sich die Moderne auf den Rummelplatz verirrt.

Künstlerin Sandra Kranich in ihrem Atelier in Frankfurt, Foto: Schirn Magazin/Alexander Jürgs, 2017

In einer Plastikkiste liegen einige Überreste der Feuerwerkskörper, die die Künstlerin bei ihren Aktionen gezündet hat, es ist ein Wust aus Papprohren, Alufolien und bunten Kabeln. An der Wand hängen feine Bleistiftzeichnungen auf Papier, man entdeckt filigrane Formen, Spiralen, Geflechte, Pflanzen. Auf einem Aktenschrank thront ein Bild, auf dem man die Schmauchspuren sieht, die ein Feuerwerk dort hinterlassen hat. Sandra Kranich, die ihr Atelier im Künstlerhaus „Basis“ in der Gutleutstraße, am Rand des Frankfurter Bahnhofsviertels, bezogen hat, schafft geometrische Bilder und Figuren, um sie im Ausstellungsraum in die Luft zu jagen, um Spuren zu erzeugen, die diese Werke verändern. „Meine Idee ist es, mit Feuerwerken zu zeichnen“, sagt die Künstlerin. 

Jubel wie bei einem Rockkonzert 

Damit ist sie sehr erfolgreich: Die Inszenierungen der Fünfundvierzigjährigen wurden schon in Edinburgh, Athen, Los Angeles oder im schwedischen Schloss Vanås präsentiert, in den Rüsselsheimer Opelvillen und im Art Foyer der Frankfurter DZ Bank hatte sie große Einzelausstellungen. Beide Häuser haben Werke der Künstlerin in ihre Sammlungen aufgenommen. Auf ihrem Laptop lässt Sandra Kranich ein Video laufen, das 2016 auf der Biennale von São Paulo gedreht wurde. „R. Relief, 7, 8, 9, 10“ heißt die Arbeit, die sie dort zeigte. Man sieht einen schwarzen Raum, dann kracht es, für einen kurzen Moment tauchen Metallreliefs in grellbunten Farben im Bild auf. Das Feuer lodert, rote Funken schlagen auf. Am Ende ertönt ein lauter Knall – und Jubel wie bei einem Rockkonzert.

Begonnen hat alles mit Zeichnungen. Zeichnungen von geometrischen Formen, von Planetensystemen, von – wie Kranich es formuliert – „Weltraumarchitekturen“. In diesen Zeichnungen entdeckte die Künstlerin eine Nähe zur Feuerwerkskunst. Der Wunsch, künstlerisch mit Feuerwerken zu arbeiten, war da. In der Silvesternacht zur Jahrtausendwende zündete Kranich ihr erstes öffentliches Feuerwerk bei einer Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt. Tausende Streichholzschachteln hatte sie dafür zu Kugeln und Türmen verbaut und mit einer Zündschnur verbunden. Sandra Kranich sagt, dass sie das Zufällige an den Feuerwerken mag. Dass man nie ganz sicher sein kann, wie sie verlaufen werden, dass es bis zum Schluss eine Überraschung bleibt, welche Spuren sie an den Kunstwerken hinterlassen. 

Zur Pyrotechnikerin ausgebildet 

Kranich hat zunächst an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung studiert. 1998 ging sie an die Städelschule, wo sie die Klasse von Thomas Bayrle besuchte. Parallel zu ihrem Studium und danach absolvierte sie, in einem dreijährigen Lehrgang, eine Ausbildung zur Pyrotechnikerin. Kranich büffelte dafür die Sprengstoffgesetzgebung, begleitete einen Profi-Feuerwerker bei der Arbeit, an etwa 30 Großfeuerwerken hat sie zu dieser Zeit mitgewirkt. Und sie lernte die Eigenheiten der Feuerwerks-Materialien kennen. Wer schöne Pastelltöne in den Himmel zeichnen will, der verwendet meist portugiesische Feuerwerkskörper: Solche Dinge erfuhr Kranich bei ihrer Ausbildung. Wenn sie davon erzählt, dann spürt man, dass ihre Faszination für Raketen, Explosionen und Funkenschlag riesig sein muss. „Ein Feuerwerk nimmt alle Sinne ein, man kann es sehen, riechen, man hat die Geräusche“, sagt Kranich. „Als Künstlerin mit Feuerwerk zu arbeiten, das war für mich wie eine Befreiung.“

Wer nun glaubt, dass Sandra Kranich in ihrem Atelier ständig mit Feuerwerkskörpern hantiert, irrt jedoch. Der große Wumms steht immer erst am Ende des Prozesses. Erst wird gedacht, skizziert, geplant. Bei ihren Aktionen in den Museumsräumen, die strengen Sicherheitsregeln unterliegen, arbeitet Kranich schließlich auch immer mit Pyrotechnik-Spezialisten zusammen. „Im Moment zeichne ich sehr viel“, sagt die Künstlerin. „Das tut gut.“