Protest gegen die alten Strukturen an der Universität, die Notstandsgesetze und den Vietnamkrieg: Das Jahr 1968 hat sich als Zeit des Umbruchs in die Geschichte eingeschrieben. Welche Rolle Frankfurt dabei spielte, erklärt das Buch „Das Jahr der Revolte. Frankfurt 1968“ von Claus-Jürgen Göpfert und Bernd Messinger.

1968, das Jahr, in dem die Verhältnisse umgepflügt werden sollen: Die Generation der Kriegskinder ist erwachsen geworden und wehrt sich gegen die verkrusteten Verhältnisse der Wirtschaftswunderzeit und die Überbleibsel der nationalsozialistischen Herrschaft: Finden sich nicht noch immer ehemalige ranghohe Nazis in Politik und Wirtschaft, ja sogar als Lehrende an Schulen und Universitäten wieder? Sollen sie weiterhin das Sagen haben? In Berlin laufen die Diskussionen heiß, aber auch in Frankfurt am Main finden hitzige Debatten statt. An der Universität ermutigen Professoren wie Theodor W. Adorno und Max Horkheimer ihre Studenten zum selbstständigen Hinterfragen der herrschenden Machtstrukturen.

In sogenannten „teach ins“, also groß angelegten Diskussionsrunden auf dem Universitätscampus zu einem aktuellen Thema, suchen die Studenten den Diskurs mit der universitären Obrigkeit zwecks einer Partizipation an der Erarbeitung des Lehrmaterials: „Unter den Talaren – Muff von tausend Jahren“, das soll Vergangenheit sein, man will sich nicht mehr vorschreiben lassen, was man zu lernen hat. Der Spruch war 1967 zum ersten Mal auf einem Transparent an der Universität Hamburg aufgetaucht und später Städte übergreifend, auch in Frankfurt, als Parole für die Studentenbewegung eingesetzt worden.

Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren

Doch nicht nur die Universität steht im Mittelpunkt der Proteste. Auch der Vietnamkrieg und die geplanten Notstandsgesetze der Bundesregierung sowie die Unterdrückung des Arbeiters durch die herrschende Klasse bilden die zentralen Pfeiler des Protests. Letzteres wirkt rückblickend fast absurd, stammte doch ein Großteil der Protestler aus eben der gesellschaftlichen Schicht, die sie zu bekämpfen versuchten. Schillernde Figuren wie Daniel Cohn-Bendit und der später an den Folgen eines Attentats verstorbene Rudi Dutschke treiben den Protest voran und geben maßgebliche Impulse.

Zwei Studenten an der Universität Hamburg mit dem Banner „Unter den Talaren – Muff von 1000 Jahren“, 1967, Foto: Arbeitsstelle für Universitätsgeschichte, Image via: Foto: uni-hamburg.de

Dass diese Protestkultur nicht nur in der Frontstadt West-Berlin, sondern auch in Frankfurt am Main kulminierte, veranschaulichen die Frankfurt am Main seit Jahren eng verbundenen Autoren und Journalisten Claus-Jürgen Göpfert und Bernd Messinger in ihrem Buch. In vielen kurzen Kapiteln beleuchten sie die Vorgänge am Main rund um das Jahr 1968 sowie die Auswirkungen auf den einige Jahre später heiß laufenden Häuserkampf. 

Frankfurt als Ort der Protestkultur

Exkurse führen den Leser in den weit über Frankfurt hinausreichenden Protest gegen den Vietnamkrieg und den Prager Frühling, sowie die anbrechende Frauenbewegung in einer ansonsten – auch in den Reihen der linken Demonstranten – männlich dominierten Welt. In ausführlicheren Porträts werden außerdem die für die Studentenbewegung zentralen Figuren Hans-Jürgen Krahl und Daniel Cohn-Bendit vorgestellt. Letzterer lebt noch immer in Frankfurt.

Symbolische Umbenennung der Goethe-Universität im Mai 1968 durch den SDS; Foto: Universitätsarchiv Frankfurt, Image via: uni-frankfurt.de

Dass die beiden Autoren Zeitgenossen sind und die damalige Bewegung womöglich aktiv unterstützt haben, bricht sich, trotz aller Sachlichkeit der Darstellung, immer wieder Bahn. So erscheint es ihnen offenbar notwendig, mehrmals darauf hinzuweisen, dass nicht in West-Berlin, sondern in Frankfurt die eigentlichen Entscheidungen der 68er getroffen wurden. Passagenweise wirkt das, als müssten sie sich für die letztendlich in den 1960ern doch noch vorherrschende Provinzialität der Stadt rechtfertigen und die Ereignisse aufbauschen.

Eine nostalgische Verklärung?

Hinzu kommt eine stellenweise nostalgische Verklärung der Zeit, etwa, wenn der heutigen Jugend die Fähigkeit zu „echtem“ Protest abgesprochen wird, weil sie sich nur noch mit den sozialen Medien beschäftigt. Sieht man einmal darüber hinweg, bietet „Das Jahr der Revolte. Frankfurt 1968“ einen gut lesbaren und informativen Einstieg in die Materie rund um die Studentenbewegung, ohne die unsere Gesellschaft heute sicherlich eine andere wäre.

Daniel Cohn-Bendit 1968 vor der Paulskirche, Demo gegen die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an Leopold Senghor. Foto: Institut für Stadtgeschichte, Image via: fr.de