Der Künstler Peter Saul übt Kritik an der amerikanischen Gesellschaft. Auch das British Museum konzentriert sich in einer Überblicksausstellung auf den sogenannten „American Dream“.

Die Bilder des Künstlers Peter Saul sind stets eine Auseinandersetzung mit dem amerikanischen Lebensstil und der US-amerikanischen Politik. Und da beide auf den Idealen des amerikanischen Traums basieren, der mit dem pursuit of happiness in der Verfassung verankert ist, sind seine Bilder eben auch das: eine harsche Kritik am American Dream. An der Oberfläche betrachtet, hält dieser Traum die Nation seit mehr als zwei Jahrhunderten zusammen. Unter der glänzenden Oberfläche fräst sich dieser Traum aber gleichzeitig durch die Gesellschaft und hinterlässt unüberbrückbare Gegensätze. Denn, wie wir im aktuellen Podcast der Schirn hören können, der American Dream bzw. der pursuit of happiness gilt längst nicht für jeden.

Peter Saul malt seit den späten 50er Jahren immer wieder „pointierte Angriffe auf die amerikanische Hochkultur“. Seine Präsidentenportraits werden zu Psychogrammen, Martin Luther King kämpft gegen Gouverneur Ronald Reagan, Angela Davis wird von kleinen Schweinchen malträtiert. Und dann ist da noch der Vietnamkrieg, eines dieser sehr dunklen Kapitel der amerikanischen Geschichte. Für seine harsche Kritik hat Saul eine einzigartige Bildsprache entwickelt. Mit seiner Kritik an der US-Politik, am Lebensstil, am American Dream ist er allerdings nicht der einzige in der Kunstszene Amerikas.

Pop to present

Wer sich noch mit der amerikanischen Kultur befasste, zeigt noch bis zum 18. Juni eine Ausstellung im British Museum in London, „The American Dream. Pop to Present“. Was der Titel nicht ohne weiteres verrät: Die Ausstellung behandelt in der Hauptsache die Geschichte des Drucks in den USA von den 60er Jahren bis in die Gegenwart. Genau genommen ist diese Ausstellung sogar eine Fortsetzung, denn bereits 2008 zeigte das Museum „The American Scene: Prints from Hopper to Pollock“, ebenfalls von Kurator Stephen Coppel erarbeitet. Es ist ungewöhnlich für das British Museum, sich der zeitgenössischen Kunst zu widmen, normalerweise stehen hier jahrtausendealte archäologische Funde im Mittelpunkt.

Peter Saul, Bush at Abu Ghraib, 2006, Hall Collection, © Peter Saul, Courtesy Hall Art Foundation, Foto: Jeffrey Nintzel

Hintergrund der „American Dream“-Ausstellung ist aber auch dieser: Coppel baut zusammen mit seiner Abteilung für Drucke und Zeichnungen seit Jahren die Sammlung aus und es ist mal wieder an der Zeit, die Neuzugänge zu präsentieren. Die Ausstellung 2008 hörte mit den Abstrakten Expressionisten auf, ihnen folgte in den 50er und 60er Jahren die Pop Art und mit ihnen Andy Warhol, James Rosenquist oder Claes van Oldenburg, die den ersten Raum der aktuellen Ausstellung füllen. Zehn „Marilyn“-Siebdrucke, ihnen gegenüber einige „Electric Chairs“, gerahmt von Rosenquists mehrere Meter langem „F-111“. Dieser Druck, eine Variante des noch größeren, gemalten Bildes aus den Mitt-60er Jahren, zeigt eine Collage aus den schillernden, lachenden und Bonbonfarbenen Sphären des American Way of Life, in die hinein der Kampfjet F-111 prescht. Dieser wurde unter anderem in Vietnam eingesetzt.

Sweet Dreams, Baby!

Die ständige Konfrontation mit Gewalt – der Vietnamkrieg war der erste Krieg, der nahezu live im Fernsehen übertragen wurde – spiegelte sich nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Alltagskultur wider. Comics wurden gewalttätiger, es entstand das Subgenre des Kriegscomics, und so ist es nicht verwunderlich, dass auch in den Drucken Roy Lichtensteins ein „POW“, eine zuschlagende Faust und ein bewusstloser Mann zu sehen sind. „Sweet Dreams, Baby!“

Andy Warhol, Vote McGovern, 1972. © 2016 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc./Artists Rights Society (ARS), New York and DACS, London.

Von der Kunst der East Coast geht es dann an die wesentlich lässigere West Coast zu einem alten Schirn-Bekannten, zu Bruce Nauman. Aber auch zu Wayne Thiebauds Bonbons, Torten und Lollipops, zu Ed Ruschas Swimmingpool-blauem „OOO“, Sonnenschein-gelbem „Hollywood“ oder der leuchtend-roten „Standard“ Tankstelle. Auch David Hockney ist vertreten, der uns mit „Mist“ die Palmen gesäumten Boulevards L.A. näher bringt und Robert Bechtle, der die darunter liegenden Straßenzüge und Karosserien zeigt – wenn auch hauptsächlich die in San Francisco. Während in New York der Konsum, die Werbung und die Massenmedien reflektiert werden, stellt man in Kalifornien die Sonne, die Pools, die Welt der ewigen Freizeit dar. In beiden Fällen zeigt man die Friede-Freude-Welt, an der in Zeiten des Überseekriegs nicht gerüttelt werden soll, die aufrechtzuerhalten es gilt, um davon abzulenken, was anderswo passiert.

Wiederbelebung

Die Ausstellung ist chronologisch aufgebaut und so kommt man als nächstes zu einer Wiederbelebung des Abstrakten Expressionismus in der Lithographie mit Willem de Kooning, Robert Motherwell und Cy Twombly, gefolgt vom Minimalismus und Konzeptualismus eines Donald Judd, Sol LeWitt oder einer Jennifer Bartlett in den 1970er Jahren. Die Chronologie schließt ab mit dem Fotorealismus (Chuck Close und Alex Katz) und dem Figurativen Expressionismus (Philipp Guston, Philip Pearlstein und Robert Longo).

Jasper Johns, Flags I, 1973. Gift of Johanna and Leslie Garfield, on loan from the American Friends of the British Museum. © Jasper Johns/VAGA, New York/DACS, London 2016. © Tom Powel Imaging

Die letzten Räume der Ausstellung sind dann Themen zugeordnet und auf diese Weise wesentlich interessanter in der Auseinandersetzung mit Politik, Feminismus, Aids oder Rassismus. Es begegnen uns noch einmal Altbekannte, etwa Warhol und seine Jackie in Trauer oder Naumans „War“, das als Leuchtinstallation in der Schirn zu sehen war. Jim Dine hat Mao und Johnson in Drag-Queens verwandelt. Es sind aber auch Jenny Holzers „The Inflammatory Essays“ zu sehen, mit denen die Künstlerin die Reaktion der Besucher auf provokante Thesen testen möchte. Jedes Essay hat genau 100 Wörter, auf 20 Zeilen verteilt und ist beeinflusst von Texten politischer Theoretiker oder religiöser Fanatiker.

Vieles ist schwarz-weiß

Der Raum „Feminism, Gender and the Body“ zeigt Arbeiten von Louise Bourgeois und der feministischen Künstlergruppe Guerilla Girls, die seit den 80er Jahren gegen Sexismus und Rassismus im Kunstbetrieb kämpfen. Bekannt wurden ihre Poster und Plakate, oft in schwarz-weiß und mit Blockbuchstaben. „Do women have to be naked to get into the Met. Museum?“ machte 1989 auf die Tatsache aufmerksam, dass weniger als 5% der Künstler in der Modernen Kunst-Abteilung Frauen sind, aber 85% aller Akte weiblich.

Wayne Thiebaud, Gumball Machine, 1970. © Wayne Thiebaud/DACS, London/VAGA, New York 2016

Was lässt sich abschließend sagen? Ob diese Ausstellung so sehr eine Auseinandersetzung mit dem American Dream ist, unterliegt der persönlichen Betrachtung. In den thematischen Räumen scheint die Auseinandersetzung offensichtlicher zu sein. Auf jeden Fall ist „The American Dream“ eine umfassende – 200 Werke von 70 Künstlern – Geschichte des amerikanischen Drucks seit den 60er Jahren in der keiner der großen Namen fehlt.

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