Ein Gespräch mit Joan Punyet Miró, Enkel von Joan Miró, über das Leben mit einem berühmten Großvater. Auf dem SCHIRN MAGAZIN.

Joan Punyet Miró ist der Enkel des gleichnamigen Malers, er verwaltet den Nachlass seines Großvaters, ist an mehrere Stiftungen rund um den Künstler beteiligt und arbeitet selbst als Künstler. Ein Gespräch über das Leben mit einem berühmten Großvater, Psychoanalyse und bedruckte Regenschirme.

Herr Joan Punyet Miró, wie sieht ein gewöhnlicher Arbeitstag für Sie aus?

Ich helfe der Stiftung in Mallorca, der Stiftung in Barcelona, und nächstes Jahr eröffnen wir noch ein drittes Museum auf dem Land. Auf diese Weise können wir alle drei Orte miteinander kombinieren, alle drei werden zugänglich sein für die Öffentlichkeit. Unser langfristiger Plan ist, einen neuen, effizienten Weg des Museums zu gehen. Es wird dort Tiere geben, Pferde, Ziegen, es wird dort Honig produziert, Wein, Olivenöl, es wird ein rundum nachhaltiges, sich selbst versorgendes Museum werden. Eine Revolution! Miró war ein Land-Artist, er liebte die Natur, er sorgte sich um den Umweltschutz. Er war ein Ökologe, also sollte er auch aus dieser Perspektive verstanden werden können.

Foto: Katharina Cichosch, 2016

Das wäre die nächste Frage gewesen: Was hat diese Art des Museums mit Mirós Arbeit zu tun? Trägt es sie weiter, oder stellt es eine eigene Interpretation dar?

Es verbindet sich im Moment der Mystik. Miró war ein mystischer Künstler, er lebte zwischen Himmel und Erde, Träumen und Realität, Leben und Tod, Yin und Yang, er wollte die Natur mit der einfachen Kunst zusammenbringen. Und schließlich sogar die Träume interpretieren. Also: Einfachheit, Natur und Träume – wenn wir diese drei Elemente zusammenbringen, dann haben wir Mirós Essenz. Das ist eigentlich, was wir mit seinem Vermächtnis verdeutlichen wollen.

Also eine Art Weiterentwicklung …

Genau, wir möchten seine Vision fortführen und in die Anforderungen eines neuen Museums transportieren. Ein Museum kann heute eine neue Plattform bieten für Denker, um neue Ideen zu entwickeln, und gleichzeitig kann es der kommenden Generation etwas über die Zusammenhänge von Natur und Umweltschutz beibringen.

Foto: Katharina Cichosch, 2016

Sie betonen öfters, dass Miró seine Kunst gern für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Insofern ist auch das ein Element des „neuen Museums“, von dem Sie sprachen?

Absolut, Miró ist ein universeller Künstler, bekannt von New York bis Tokio. Die Herangehensweise unserer Stiftung hier auf Mallorca ist international. Wir möchten Ausstellungen weltweit machen, denn: wir möchten, dass Menschen Miró lieben und verstehen. Wenn sie also irgendwo in der Welt eine Ausstellung sehen, dann können sie anschließend zu uns kommen, um die Studios zu besuchen, um zu verstehen, wie er darin arbeitete, mit der Farbe, den Pinseln, dieser erstaunlichen kreativen Kraft.

Das leitet zu meiner nächsten Frage über: Mirós Studio bzw. eine Replik davon befindet sich gerade in London, danach wird es auf der Armory Show in New York zu sehen sein. Das klingt wie eine coole, zugleich aber auch merkwürdige Idee: Es ist immerhin nur eine Replik, und Menschen werden Geld zahlen, um sich das anzuschauen …

(Lacht) Ja, ich weiß! (Wird ernster) Aber Menschen wissen überhaupt nichts von der Existenz dieser Studios. Deshalb muss man zu ihnen gehen und ihnen mit dieser Konstruktion erklären: Hey, Sie können nach Mallorca kommen und das echte Ding sehen! Es ist also eine Art Einladung, sich das Original anzuschauen.

Foto: Katharina Cichosch, 2016

Es scheint generell ein großes Bedürfnis zu geben, sich den Ort des Geschehens anzuschauen. Eigentlich ist das ja unmöglich: Man kann den Prozess der Kunstproduktion selbst ja nicht sehen, es ist immer eine Geschichte, die da erzählt wird. Trotzdem scheint dieser Ort nichts von seiner Faszination zu verlieren.

Absolut, absolut. Die Leute müssen wirklich in diese Studios kommen, um zu verstehen, wie Miró hier gelebt und die letzten 25 Jahre seines Lebens gearbeitet hat. Er hat Mallorca für sein Licht gewählt, für seine Reinheit, für den Himmel, das Meer … und natürlich auch, weil er sich hier im Frieden mit sich fühlte, weil er hier in Ruhe arbeiten konnte. Er wollte nicht mehr in Barcelona sein, oder in Paris, oder New York, er wollte auf dieser sehr kleinen, abgelegenen, ruhigen Insel irgendwo im Mittelmeer sein, denn er sagte sich: Dies ist ein schöner Ort zum Arbeiten und Leben, und mit ein paar Flugstunden kann ich überall auf der Welt sein.

Haben Sie als Kind im Alltag mitbekommen, wie Ihr Großvater gearbeitet hat? Im Atelier brauchte er ja offensichtlich viel Ruhe!

Ich konnte ihn in seinem Haus arbeiten sehen. Er arbeitete morgens in seinem Studio, da durfte ich ihn nicht besuchen. Aber nach dem Mittagessen las er gern Poesie, hörte Musik, und zwischen sieben und acht saß er auf der Couch und öffnete all seine Briefe. Und sobald er Papier in der Hand hatte, griff er sich einen Stift und ich konnte sehen, wie er in sich versunken arbeitete und skizzierte. Er war im Esszimmer, auf seinem Sofa, allein, in sehr dunklem Licht, und machte die ganze Zeit Zeichnungen. Ich war neben ihm und sah, wie er diese wunderschönen Dinge zeichnete. Für mich waren das wirklich sehr besondere Momente in meinem Leben, unvergesslich.

Foto: Katharina Cichosch, 2016

Sie arbeiten heute auch selbst als Performance-Künstler. Eine klassische Frage: Ist bzw. war das hart, immer im Schatten des Großvaters zu stehen?

Oh ja, absolut. Es ist so schwierig, Mirós Enkel zu sein, denn er ist ein Riese! Wenn ich selber etwas versucht habe, wusste ich, dass ich immer besonders kritisch beobachtet werden würde. Denn: Hey, das ist Mirós Enkel! Ich musste durch viele Jahre Psychoanalyse gehen, um wirklich zu wissen, wer ich selber bin, um an meiner Persönlichkeit und meinem Selbstbewusstsein zu arbeiten. Danach war ich in der Lage, in ein Theater mit einem Motorrad reinzufahren, mit einer Pistole in der Hand, mich nackt auszuziehen, Farbe über meinen Kopf zu gießen … quasi eine Miró-Malerei zum Leben zu erwecken. Ich wollte Surrealismus wieder zum Leben erwecken, Dada zum Leben erwecken, das Publikum provozieren.

Insofern also doch ein Bezug auf den Großvater …

Ja, absolut, aber ich mache mein eigenes Ding daraus.

Foto: Katharina Cichosch, 2016

Zum Schluss noch etwas zum Thema Merchandising: Viele Menschen denken doch beim Begriff Miró zuerst an die vielen Prints, die in Büros und Arztpraxen hängen. Gleichzeitig aber geht es vermutlich nicht ohne.

Oh ja! Wir müssen Produkte wie Teller, T-Shirts, Poster, Tücher, Bleistifte, Postkarten und Kalender bereitstellen – denn es gibt einen riesigen Bedarf. Jeder, der in der Miró-Ausstellung ist, möchte etwas davon mit nach Hause nehmen. Deshalb halten wir zwei Meetings im Jahr mit einem eigenen Komitee ab, in dem wir uns nur mit dem Thema Merchandising beschäftigen. Wir kontrollieren, welche Produkte auf den Markt kommen, die Qualität muss stimmen, der Druck, und so fort.

Denken Sie, das hätte Ihrem Großvater gefallen?

Ich denke schon. Man muss verstehen, dass Miró ein wirklich moderner Mensch war. Vielleicht so: Wenn Menschen gerne ein Gemälde von mir in meinem Haus haben möchten, aber es nicht bezahlen können, dann können Sie zumindest etwas anderes haben.

Foto: Katharina Cichosch, 2016

Wobei man sagen muss: Als Künstler, der so stark mit Materialien arbeitet, für dessen Arbeiten die Materialität wichtig ist … Das kann man nicht auf einem Regenschirm repräsentieren.

Ich weiß, ich weiß, das ist unmöglich. Aber es bietet einen Eindruck davon – Schau, ich war in der Miró-Ausstellung, und das nehme ich davon mit nach Hause. So in der Art.

Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: Katharina Cichosch, 2016