Eine kleine Geschichte des Trenchcoats, dem zeitlosesten aller Kleidungsstücke. Autorin Jovana Reisinger blickt auf die vielen Funktionen des Mantels, wie er vom Militär auf den Laufsteg kam und was die Genderdebatte damit zu tun hat.

Mit seiner coolen Erhabenheit und eleganten Schlichtheit ist der Trenchcoat nicht nur ein Symbol, nein, er ist geradezu ein Versprechen. Dieser Mantel steht für Diskretion, Abenteuer, Geheimnisse und eine unterspannte Art von Glamour. Intrigen und Romanzen, Neugier und Regenwetter. Das große Melodram aber auch der Underground. Und immer umhüllt von einer dahin wabernden Zeitlosigkeit.

Die edelste aller Allwetteroptionen wurde einst, mehr oder weniger, für die Armee entwickelt, dabei auf maximalen Komfort durch Bewegungsfreiheit ausgelegt, was der Trägerin, dem Träger bis heute das wohlige Gefühl beschert, geschützt und angenehm umschmeichelt zu werden. Ein kurzer Abriss: Charles Macintosh meldete 1823 Patent für ein neues Verfahren an, um wetterfeste Kleidung herzustellen, der Regenmantel „Mac(kintosh)“ war erschaffen. In den 1850er entwickelte auch das Londoner Modelabel Aquascutum wasserabweisende Stoffe für Regenkleidung und 1888 meldete Thomas Burberry das Patent auf Gabardine-Stoff an. Ab dem frühen 20. Jahrhundert stellten sowohl Aquascutum als auch Burberry wasserfeste Sport- und Militärbekleidung für die gehobene Schicht her, die dann massenhaft Verwendung fand.

Ein Kleidungsstück für (fast) jeden Anlass

Aus der Militärkluft wurde nach den beiden Weltkriegen schnell ein Kleidungsstück, das für Business und Ernsthaftigkeit, für Klasse und Geschmack stand und nicht mit Schlachtfeldern und Traumata in Verbindung gebracht wurde. Ein Kleidungsstück, geeignet sowohl für den Spaziergang in der Parkanlage, als auch für die militärische Verteidigung eines Landes. Die ursprüngliche Farbe Khaki, irgendwo zwischen Sand, Staub, Beige und getrockneter Erde, blieb genauso modern wie die erprobten Längen (alles zwischen knapp über dem Knie bis knapp über dem Knöchel). Eines der wenigen Teile, die es über Jahrzehnte, ja sogar ein Jahrhundert hinweg, schafften, getragen, geliebt, stilisiert und begehrt zu werden – und das auch noch von unterschiedlichen Geschlechtern und sozialen Gruppen. 

Werbung von Aquascutum und Burberry, Image via www.contrado.co.uk

Burberry Trenchcoats, Image via www.esquiresg.com

Bereits ab den 1930er Jahren wurde der Herrenmantel auch für Damen gefertigt und ist seither aus der Mode nicht mehr wegzudenken. Seine Sinnlichkeit wurde früh manifestiert: Marlene Dietrich trug ihn als Femme Fatale, Audrey Hepburn als Partygirl.

Doch es gibt bestimmte Personengruppen, die ganz besonders mit dem unvergänglichen Kleidungsstück assoziiert werden: Exhibitionisten und Detektive (wobei hier eigentlich alle ermittelnden Personen gemeint sein müssen). Beide wurden in diesem Outfit zu Stereotypen der Film- und Fernsehwelt – und somit zu einem Selbstläufer. Natürlich kann unter diesem Multifunktionsmantel einiges versteckt werden. Auch, dass nichts darunter getragen wird, was entweder sexy oder übergriffig ist (die verführende Frau, der Mann, der ungefragt den Mantel aufreisst). Es passen aber auch die benötigten Gerätschaften darunter, um ordentlich ausspionieren zu können – vor allem in Zeiten, als die Gerätschaften noch größer waren und sowieso alle Trenchcoat trugen.

Eines der weni­gen Teile, die es über Jahr­zehnte [...] schaff­ten, getra­gen, geliebt, stili­siert und begehrt zu werden.

Jovana Reisinger

Audrey Hepburn und George Peppard in Breakfast at Tiffany's, Image via Wikicommons

Notiz: Dass man auch Waffen unter einem Trenchcoat verbergen und somit schmuggeln könnte, sorgte übrigens nach einem school shooting, in dem der Attentäter wohl einen Trenchcoat trug, für ein Trenchcoat-Verbot an öffentlichen Schulen in den USA. Gilt das Verbot noch immer?

War der Trenchcoat nach dem Zweiten Weltkrieg also ohnehin en vogue, trugen ihn ganz selbstverständlich auch die, leider fast ausschließlich männlichen, Tele-Ermittler des Kinos und Fernsehens, denn, besonders wichtig für Agent*innen, Detektiv*innen usw. war und ist und bleibt die Tarnung. Was sollten sie also anderes angezogen bekommen? Eben. Wurde einem im Film Noir überhaupt je etwas anderes übergeworfen? Dazu gehören noch der Hut und der Anzug als Zeichen ihrer Zeit und des dargestellten Milieus, ebenso die Sonnenbrille. So manifestierte sich das Bild von der ermittelnden Person im neutralen, ja fast zurückhaltenden Mäntelchen, die erfolgreich Fälle löst und männlich (und weiß) ist.

Inspektor Clouseau, Image via www.weser-kurier.de

Notiz: Diese Detektive, die als wortkarge Einzelgänger mit grandioser        Kombinationsgabe und messerscharfen Verstand entworfen wurden, wurden mit „typisch männlichen“ Attributen ausgestattet und haben diese erneut festgezurrt. Detektivinnen waren hingegen eher selten und wenn es sie gab, dann waren sie tendenziell schrullig und liebenswert, mit guter Menschenkenntnis (Intuition) ausgestattet und auf eine andere Weise resolut, eben mit „weiblichen“ Attributen bestückt, vgl. Miss Marple. Das ist natürlich ein Problem!

Mit den 1960er Jahren nahmen die (Privat-)Detektive auf den Leinwänden und Fernsehgeräten zunehmend ab und verschwanden wieder aus dem Mainstream. Der Detektiv im Bewegtbild wurde von Polizeistreifen und -serien abgelöst. Inspektor Clouseau, Columbo, Derrick, Inspektor Gadget – das wurden die neuen (männlichen) Helden, die für Recht und Ordnung sorgten und dabei aber noch ihrem Stereotyp gemäß bekleidet wurden (Mordkommissar Columbo trug zwar einen sandfarbenen Mantel, dieser war streng genommen aber kein Trenchcoat, Derrick’s Mantel schon).

Als sich jedoch auch diese Spürnasen verabschiedeten, brachen gleich mehrere Strukturen auf: fortan gab es auch Teleermittlerinnen und Schauspieler*innen of color. Aber auch die Kostümabteilungen gingen mit der Mode und so tragen die heutigen Fernsehkommissar*innen und Agent*innen nicht mehr den klassischen Spionagelook, sondern alles zwischen Dienstuniform und Jeans und T-Shirt. Tarnung eben. Und obwohl sich die Zeiten offensichtlich auch für Spion*innen ändern, bleibt der Trenchcoat als Klassiker erhalten. Und mit ihm auch sein aufregendes, verruchtes und gleichzeitig souveränes Image.

Und obwohl sich die Zeiten offen­sicht­lich auch für Spion*innen ändern, bleibt der Trench­coat als Klas­si­ker erhal­ten.

Jovana Reisinger

Trenchcoats auf dem Laufsteg, Image via vogue.com

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