Ein Gespräch mit dem Graphiker Christoph Steinegger, der den in mehrerer Hinsicht außergewöhnlichen Katalog zur Ausstellung ULAY. LIFE-SIZED entworfen hat.

In der Ausstellung Ulay Life-Sized gibt es überraschende Details zu entdecken. So verstecken sich zum Beispiel für den aufmerksamen Beobachter Bildschirme mit Videoarbeiten hinter den eigentlichen Ausstellungswänden. Auch im Katalog gibt es beim näheren Hinsehen einiges zu entdecken.

Christoph, wie hast Du angefangen Deine graphischen Ideen für den Katalog zu entwickeln?

Als mich der Kurator Matthias Ulrich angerufen und gefragt hat, ob ich Lust hätte, den Katalog zur Ulay-Ausstellung zu machen, war mir Ulay eher durch die Zusammenarbeit mit Marina Abramović bekannt. Nachdem mir zu Ulay etwas der Zugang fehlte, recherchierte ich sehr viel. Es gibt ein Buch über Ulay, verlegt in Amsterdam, das sehr gut und liebevoll gestaltet ist. Die Herausgeber haben aus dem Vollen geschöpft, das hat mich anfangs eher blockiert. Ich habe mir dann unzählige YouTube-Videos und Lectures von Ulay angeschaut, das Layout auf die lange Bank geschoben und mich mit der Recherche auseinandergesetzt. Die war zeitaufwendig, aber irgendwann ist die Wand, vor der ich stand, eingebrochen und ich bin darauf gekommen: vielleicht sollte das Buch wie Ulays Arbeitsweise angelegt sein, die ich als wahnsinnig stringent und brutal empfinde. Also wurde es genau das Gegenteil vom Amsterdamer Katalog: nicht viele Extravaganzen, sondern brutal, eine einzige Schrift, in einer einzigen Größe.

Die Schrift im Katalog erinnert mich auch an Ulays allererste künstlerische Arbeiten.

Zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn hat Ulay Arbeiten geschaffen, die er „Aphorismen“ nennt. DinA4-Blätter, die er mit der Schreibmaschine beschrieben hat. Die Schrift im Katalog ist daran angelehnt, an Ulays Anfänge des künstlerischen Ausdrucks. Die Schreibmaschine kann die Schrift nicht kleiner oder größer machen, deswegen sind im Katalog auch alle Texte gleich groß: egal ob Fußnote, Überschrift, Bildunterschrift oder Fließtext. 

Sogar die Überschrift auf dem Cover hat dieselbe Größe und ist dadurch ungewöhnlich klein. Kannst Du erzählen, wie das Cover entstanden ist?

Das Buch war schon weit gediehen, als ich mich mit dem Cover beschäftigt habe. Da die Ausstellung „Life-Sized“, also "Lebensgroß" heißt, wollte ich unbedingt ein Portrait von Ulay als Motiv nehmen. Ich habe den Kurator gebeten, Ulay zu fragen wie groß sein Kopf ist: Es sind 23,5 cm von der Stirn bis zum Kinn ohne Bart. So groß ist die Darstellung auf dem Cover nun auch.

Das Buch und sein Umband fassen sich ungewöhnlich an, sehr direkt nach Papier.

Ich wollte auf einen Schutzlack verzichten. Der Drucker wandte ein, dass sich der Umschlag ohne Lack schnell abgreifen würde. Aber genau das wollte ich. Einmal wegen des Umweltaspektes, aber auf der anderen Seite spielt es auch auf Arbeiten von Ulay an. In „Retouching Bruises“ zum Beispiel arbeitet Ulay mit Fingerabdrücken auf Polaroids. Wenn der Ausstellungskatalog nun genutzt wird – und Bücher sollen genutzt werden – bleiben Fingerabdrücke.

Du hast eben von einem Umweltaspekt gesprochen, was meinst Du damit?

Es gibt in Ulays Oeuvre eine Auseinandersetzung mit Wasser und den Umgang der Menschen mit dieser Ressource. Deswegen war es, neben dem Verzicht auf einen umweltschädlichen Schutzlack, mein Anliegen, ein Papier zu nehmen dessen Wasserbilanz besser ist als die eines säuregebleichten Bilderdruckpapiers. Der Katalog ist daher auf Recyclingpapier gedruckt. Ursprünglich hatte ich überlegt, ein relativ neues Papier zu verwenden, Steinpapier. Das besteht nicht aus Holz, sondern aus Steinmehl und hat deswegen eine sehr gute Wasserbilanz. Das Problem dieses Papieres ist momentan jedoch, dass es noch zu teuer ist. Ich hoffe, dass Steinpapier aber bald bezahlbar wird.

Wie hat sich Ulays Kunst sonst noch in der Gestaltung des Kataloges niedergeschlagen?

Wenn man den Katalog aufschlägt, sieht man links die schwarzmatte Rückseite des Covers und rechts ein silbernes Vorsatzpapier. Die Originalverpackung von Polaroid ist schwarzmatt und hochglänzend Silber. Mit dieser Polaroid-Verpackung haben wir gespielt. Das silberne Vorsatzpapier ist also nicht nur ein Effekt, weil es schön aussieht, sondern hat einen inhaltlichen Hintergrund. Ganz nach Ulays Ausspruch: „Ästhetik ohne Ethik ist Kosmetik“. Dinge sollten so einfach und naheliegend wie möglich gestaltet werden.

Und das Medium Polaroid als Bezugspunkt ist sehr naheliegend, da Ulay sehr viel mit der Sofortbildfotographie gearbeitet hat.

Ein weiterer Aspekt, welcher Ulays Kunst in die Buchproduktion aufnimmt, kam gegen Ende hinzu: Ich habe von der Druckerei ein Bindemuster bekommen. Man bekommt ein mit dem ausgewählten Papier gebundenes Buch und kann sehen, wie dick das Buch ist und wie es sich aufschlagen lässt. Der Katalog lässt sich durch das Recyclingpapier sehr schön aufschlagen. Was auch zu Folge hat, dass man den Bindfaden sieht. Ulays Arbeit „Pink Pain“ …

… die zu seiner neuen „pinken Phase“ gehört, die 2015 begonnen hat …

… hat uns auf die Idee Gebracht, einen pinken Bindfaden für die Bindung zu nehmen. Ein subtiles Element, über das man sich freuen oder albern finden kann. Ich selbst freue mich darüber, kleine Dreher in Bücher einzubringen.

Christoph, vielen Dank für das Gespräch!