SCHIRN AT NIGHT feiert die visionäre Künstlerin Niki de Saint Phalle mit verschiedenen Live-Acts, darunter auch DJ Hengameh und Cashmiri. Wir haben mit ihnen über persönliche Held*innen, ihre DJ-Sets und Niki de Saint Phalle gesprochen.

Die Ausnahmekünstlerin Niki de Saint Phalle war in vielen Bereichen bahnbrechend und trat mit ihrer Kunst für Probleme ein, die auch heute an Relevanz nicht verloren haben. SCHIRN AT NIGHT feiert die visionäre Künstlerin mit verschiedenen Live-Acts. Darunter auch DJ Hengameh und Cashmiri, die bei der Veranstaltung am 18. März auflegen werden.

Miriam Davoudvandi, alias Cashmiri, ist freie Musikjournalistin, Moderatorin und Podcasterin. Die ehemalige Chefredakteurin des Musikmagazins splash! Mag vereint in ihrer Vortragsreihe „I’ve got 99 problems but being a feminist ain’t one“ Rap und Politik und beschäftigt sich in ihrem Hauptprojekt, dem Gesprächspodcast „Danke, gut“ mit Mental Health und Popkultur.

Hengameh Yaghoobifarah ist ebenfalls journalistisch aber auch literarisch unterwegs. Yaghoobifarah ist Redaktionsmitglied beim Missy Magazin und schrieb von 2016 bis 2022 die taz-Kolumne „Habibitus“. 2019 erschien der mit Fatma Aydemir herausgegebene literarische Essayband „Eure Heimat ist unser Albtraum", 2021 das Romandebüt „Ministerium der Träume".

Wir haben mit ihnen über ihre persönlichen Held*innen und Vorbilder, SCHIRN AT NIGHT und Niki de Saint Phalle gesprochen.

Schirn Kunsthalle Frankfurt 2023, Foto: Esra Klein

In ihrer Kunst hinterfragte Niki de Saint Phalle weibliche Rollenbilder und patriarchale Strukturen, sie setzte sich für die Demokratisierung und Öffnung der Kunst ein und befasste sich mit der Klimakrise, Waffengesetzgebung und vielem mehr. Selbst bezeichnete sich die Künstlerin zwar nie als Feministin oder gar politische Aktivistin, doch hat sie durch ihr vielseitiges Werk für viele eine Art Vorbild- oder Heldinnencharakter. Was macht Eurer Meinung nach Held*innen oder heldenhafte Personen aus? Und was unterscheidet sie von Vorbildern?

H: Heldenhafte Personen haben etwas Fantastisches an sich, wie Figuren aus der Mythologie oder Fiktion. Vorbilder sind da etwas weniger idealisiert, aber immer noch manchmal unfreiwillig auf einen Bruchteil ihrer Person reduziert.

C: Held*innen oder heldenhafte Personen sind für mich Menschen, die unapologetisch für sich und andere einstehen.

Müssen Held*innen automatisch Vorbilder sein?

H: Nein, müssen sie nicht, aber mir sind beide nicht so wichtig.

C: Ich finde nicht, dass Held*innen automatisch Vorbilder sein müssen. Wer definiert überhaupt, was vorbildlich ist und was nicht? Ich finde auch, dass etwas, das einen bestärkt oder ermutigt nicht unbedingt korrekt und damit nicht unbedingt vorbildhaft sein muss. Viele Dinge, die ich als heldenhaft ansehe, sind vielleicht nicht politisch korrekt oder illegal. Die Seenotrettung, zum Beispiel.

Welche Personen begeistern Euch persönlich besonders, z.B. in Musik, Kunst, Literatur oder Journalismus?

C: Auch, wenn die Antwort sehr klischeebehaftet ist, kommt meine Mama immer an erster Stelle. Ansonsten bewundere ich Investigativjournalistinnen wie Jodi Kantor und Megan Twohey, die Menschen im Iran und, auch wenn sie heute mit Vorsicht zu genießen ist, M.I.A. Sie war lange Zeit mein musikalisches Vorbild. Sie hat gezeigt, dass Kreativität kein Alter kennt.

H:. Es gibt inspirierende Personen, die ich trotz aller Ambivalenzen sehr bewundere und deren „legacy“ mich in meinem kreativen Anspruch beeinflussen. Dazu gehört die Schriftstellerin Joan Nestle, die das Lesbian Herstory Archive in New York City mitbegründet hat und mit ihren Essays und Kurzgeschichten die Macht queeren Begehrens, unterschiedlicher solidarischer Allianzen und furchtlosen Schreibens verdeutlicht. Im Bereich Musik gibt es Produzent*innen und DJs, deren Stil ich sehr feiere. Zum Beispiel estoc, Bapari oder LSDXOXO.  

Inwiefern inspirieren Euch diese Menschen in Eurer Arbeit? Und speziell in Euren DJ Sets?

H: Ich spiele die Musik der genannten Produzent*innen auch in meinen Sets und sie inspirieren mich insofern, als dass sie auch für queere Clubkultur stehen, die trotz kommerzieller Vereinnahmung für ihre eigenen Werte steht.

C: Ich glaube alles, womit man sich beschäftigt, inspiriert einen immer. Ob man will oder nicht.

Wärt Ihr selbst gerne Held*innen oder ein Vorbild? Wenn ja, für wen bzw. in welcher Angelegenheit?

H: Nee. Ich möchte kein Vorbild sein, damit hängen viel Verantwortung und viele Projektionen zusammen. Manchmal werden Vorbilder auf ein Podest gestellt, was sie ihrer Komplexität beraubt, weil sie idealisiert werden.

C: Mein größtes Ziel ist es, dass meine kleinen Nichten und Cousinen mich cool finden. Wenn ich das schaffe, reicht mir das! Wen man als Heldin sieht, ist doch vor allem Projektion. Ich bin grundsätzlich kein Fan davon, Menschen auf Podeste zu stellen, weil man sich dadurch automatisch vor Eigeninitiative drückt. Man orientiert sich dann zu sehr an den anderen und damit geht viel Druck einher. Ich glaube, ich mache einen ganz guten Job, wenn es darum geht, über psychische Gesundheit aufzuklären, aber als Heldin möchte ich nicht gesehen werden. 

Wie werdet Ihr Niki de Saint Phalle musikalisch "verarbeiten"? Was können wir bei SCHIRN AT NIGHT erwarten?

H: Vielleicht am ehesten durch das Fragmentarische, Referenzielle in ihrer Arbeit. Wer meine DJ-Sets kennt, weiß, dass mein Stil von Bootlegs und goofy Beats geprägt ist – die Ernsthaftigkeit, die manche der elektronischen Musik zuschreiben, nehme ich mir vor zu demolieren.

C: Wenn ich ehrlich bin, war der erste Song, an den ich gedacht habe „Body“ von Megan Thee Stallion. Der muss auf jeden Fall dabei sein. Alles andere bleibt eine Überraschung.

Mit welchen Projekte können wir von Euch in der nahen Zukunft rechnen?

H: Am 18. April erscheint „Habibitus“, ein Sammelband mit ausgewählten Kolumnen und Essays, bei Blumenbar.

C: Ich hoffe, jemand tritt mich, sodass ich endlich an meinem Buch weiterschreibe!

 

NIKI DE SAINT PHALLE

03. FEBRUAR – 21. MAI 2023

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