Wie die Intellektuelle und Aktivistin Angela Davis zur Ikone der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung und gleichzeitig zur meistgesuchten Verbrecherin der USA wurde.
Das pinke Schweinchen, das den Namen „Powur“ trägt, jagt ihr eine Spritze mit der Bezeichnung „Freedum“ in den Hals. Ihr Hals ist wie ein Korkenzieher verdreht, der Körper durchbohrt von Kreuzen, die Augen der schwarzen Frau sind vor Schmerz verdreht, der Mund aufgerissen, eingerahmt wird das Gesicht von einem schwarzblauen Nimbus aus krausem Haar: dem „Natural“ – ihrem Markenzeichen, das sie zu einer Ikone der Civil-Rights-Bewegung machte.

Den Künstler Peter Saul beschäftigte Angela Davis immer wieder. Es war die Zeit der Rassenunruhen, Anfang der 1960er war die USA ein Land der Apartheid. Durch die sogenannten "Jim Crow Laws" herrschte strikte Rassentrennung. Die wichtigsten Anführer der Bürgerrechtsbewegung, Malcolm X und Martin Luther King wurden ermordet. In einer gewaltbereiten Form drückte sich Black Power und Schwarzer Nationalismus schließlich in der Black Panther Party aus.
Schießerei im Gerichtssaal
Angela Davis beginnt ihre eigene Biographie damit, dass sie gezwungen ist, ihre ikonische Frisur gegen eine Perücke einzutauschen. Sie taucht unter, ist auf der Flucht vor dem FBI, denn sie ist plötzlich eine der zehn meistgesuchten Verbrecher der USA. Dabei war sie 1969 noch als Dozentin an der University of California, Los Angeles beschäftigt. Auch Princeton und Swarthmore hatten versucht sie als Dozentin zu gewinnen. Zu dem Zeitpunkt war Davis jedoch bereits als radikale Feministin und Aktivistin bekannt. Ihr Hochschulvertrag wurde schon 1970 wieder gekündigt, als bekannt wurde, dass sie Mitglied der Kommunistischen Partei der USA war. Und dass sie kurzzeitig auch Mitglied der Black Panther war.

Als es 1970 zu einer Schießerei in einem Gerichtssaal kam, wurde Davis vorgeworfen die Waffe dafür organisiert zu haben, da diese auf ihren Namen gekauft worden war. Bei der Schießerei im August versuchte der 17-jährige Jonathan Jackson seinen Bruder George und zwei Mitangeklagte zu befreien. Ein Richter und drei Mitglieder der Jury wurden als Geiseln genommen, drei Personen wurden bei der Flucht vor dem Gerichtsgebäude getötet. Daraufhin wurden George Jackson und seine Begleiter in den Hochsicherheitstrakt des San Quentin State Prison gebracht. Jackson war dort 23 Stunden täglich in Isolationshaft. Er studierte politische Ökonomie und schrieb zwei Bücher, die internationale Bestseller wurden.
In allen Punkten unschuldig
Vom notorischen Kommunistenfresser und FBI-Direktor J. Edgar Hoover wurde Davis auf die Verbrecher-Liste gesetzt und einige Wochen später verhaftet. In der Zeit davor war sie bei Freunden untergetaucht und bewegte sich nur nachts und im Untergrund. Doch das FBI spürte sie schließlich in New York City auf. Wegen des Vorwurfs „Unterstützung von Terrorismus“ drohte ihr die Todesstrafe. Sie beteuerte ihre Unschuld. Ihre Verhaftung löste eine weltweite Welle des öffentlichen Protests aus. Tausende Menschen aus der DDR etwa schickten ihr unter dem Motto „Eine Millionen Rosen für Angela Davis“ Postkarten mit Rosen ins Gefängnis. Zwei Jahre lang saß Davis in Haft. Und so schrieb sie im Gefängnis im Alter von 28 Jahren ihre Autobiografie. 1972 wurde sie in allen Punkten der Anklage freigesprochen.

Anlässlich der entscheidenden Gerichtssitzung fand in Frankfurt am Main der Kongress „Am Beispiel Angela Davis“ statt, der das Verhältnis der politisch Linken zur Gewalt zum Thema hatte. Doch das ist nicht die einzige Verbindung, die Angela Davis zu Frankfurt hat. Nachdem sie ihr Studium bei ihrem deutschstämmigen Mentoren Herbert Marcuse an der Brandeis University in Massachusetts mit magna cum laude abschloss, studierte sie auf seine Vermittlung hin 1965 in Frankfurt Philosophie und Soziologie bei Adorno und Horkheimer. Hier schloss sie sich auch dem Sozialistischen Deutschen Studentenbund an und nahm an Protesten gegen den Vietnamkrieg teil.
FBI Most Wanted
2013 kehrte Davis noch einmal zurück nach Frankfurt. Für zwei Wochen hatte sie an der Goethe-Universität eine Gastprofessur inne, die seitdem ihren Namen trägt. Die jährlich verliehene Professur wurde vom „Cornelia Goethe Centrum für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse“ eingerichtet. Die Filmemacherin Shola Lynch drehte 2012 einen Dokumentarfilm über die Geschichte von Davis. „Free Angela and All Political Prisoners“ ist eine Chronik über die junge College-Professorin und zeigt, wie ihr sozialer Aktivismus dazu führte, dass ihr Name auf der FBI-Most Wanted-Liste landete. Die SCHIRN zeigt im Rahmen der Ausstellung "Peter Saul" den Film am 17. August im Open-Air-Kino. Der Eintritt mit gültigem Peter Saul-Ticket ist frei.

Artikel, Filme, Podcasts - das SCHIRN MAGAZIN direkt als WhatsApp-Nachricht empfangen, abonnieren unter www.schirn-magazin.de/whatsapp

10 YEARS OF DOUBLE FEATURE – EIN BLICK ZURÜCK NACH VORNE
Seit zehn Jahren lädt die Schirn Film- und Videokünstler*innen ein, ihre Arbeiten im DOUBLE FEATURE zu präsentieren. Zum Jubiläum der Videokunstreihe...

I can't be your hero, baby! Das SCHIRN MAG im Gespräch mit Cashmiri und DJ Hengameh
SCHIRN AT NIGHT feiert die visionäre Künstlerin Niki de Saint Phalle mit verschiedenen Live-Acts, darunter auch DJ Hengameh und Cashmiri. Wir haben...

MOVIE MONSTERS!
Unzählige Filme drehen sich um Monster und ähnliche Kreaturen. Nicht umsonst haben die fantastischen Geschöpfe immer wieder künstlerische und...

Niki de Saint Phalle im „Plastic Age“
Der Plastik-Hype erfasst in den 60er-Jahren die Kunstwelt, in der man vom sogenannten „Plastic Age“ spricht. Insbesondere die Pop Art macht sich den...

Mund auf, Augen zu
Kunst will mit den Augen gesehen werden. Trotzdem nimmt der Mund als vielseitiges Wahrnehmungsorgan in der Kunst eine größere Rolle ein, als weithin...

Parents: Zwischen Kochen, Kunst und Care-Arbeit
Ein eigenes Unternehmen führen, dabei selbst kreativ sein und parallel drei Kinder großziehen? Badia Ouahi und Teimaz Shahverdi schaffen diesen Spagat...

„WE ARE CHORUS/ WE KNOW“
2020 entstanden vier Video-Lectures, in denen Elizabeth Price die Heterogenität, das Potenzial und die Relevanz des gotischen Chors für ihre...

Elizabeth Price und die Musik
Elizabeth Price fühlte sich lange Zeit der Musikwelt verbundener als der Kunstwelt. Hat sich das grundlegend geändert? Im neuen SCHIRN PODCAST...

NIKI DE SAINT PHALLE: ICH WOLLTE DIE WELT
Im neuen SCHIRN PODCAST blicken drei Frauen auf Niki de Saint Phalle: Was macht das vielseitige Werk der provokanten Künstlerin heute noch so...

Zwischen Fakt, Fiktion & KI
Was haben ChatGPT, GPS-Systeme und Digitalarbeiten von Elizabeth Price gemeinsam? Pamela C. Scorzin reflektiert über die Aktualität der Ausstellung...

Der Film zur Ausstellung: Elizabeth Price. Sound of the break
Welche Themen treiben Elizabeth Price in ihrem künstlerischen Schaffen an? Und wieso hat sich PowerPoint zu einem ihrer wichtigsten Arbeitswerkzeuge...

Einmal um die Welt mit Niki de Saint Phalle
Von Paris bis Hannover, von San Diego bis Jerusalem: Mit ihren Arbeiten macht Niki de Saint Phalle die Kunst demokratischer und öffentliche Räume...