Mit dem Mauerfall explodierte die Berliner Clubszene. Doch nur wer zum inneren Kreis gehörte, durfte Fotos machen. C/O Berlin gibt nun Einblick in die letzten 30 Jahre des berüchtigten Nachtlebens.

Bar 25, Farbfernseher, Kater Holzig, Horst Kreuzberg, Rosi‘s, Stadtbad Wedding: Die Liste der Berliner Clubs, die in den letzten Jahren schließen oder auf einen anderen Ort ausweichen mussten, ist lang – selbst in der Hauptstadt des Hedonismus werden die Freiräume immer weniger. Was im laufenden Betrieb nicht so sehr auffällt, denn weiterhin entstehen auch neue Projekte, kann im Rückblick mitunter zu Melancholie führen. Trotzdem geht es in der Ausstellung „No Photos on the Dancefloor! Berlin 1989 – Today“ nicht nur um ein nostalgisches „Ach, was war das früher schön“, sondern ebenso um den Blick auf die aktuelle Szene.

26 internationale Künstlerinnen und Künstler wurden von den beiden Kuratoren Felix Hoffmann und Heiko Hoffmann ausgewählt, teilweise sind diese seit drei Jahrzehnten eng mit der Technoszene der Stadt verbunden. Denn auch wenn Techno nicht in Berlin erfunden wurde: Hier habe es 1989 einen „Urknall“ gegeben, der der Musikszene den Weg bereitet habe, sind die Kuratoren überzeugt.

Foto­gra­fie­ren und Filmen durfte nur, wer zum inne­ren Kreis dazu­ge­hörte

Mit dem Fall der Mauer stand plötzlich ein ganz neue Stadt als riesiger Spielplatz zur Verfügung, auf dem man sich nach Herzenslust austoben konnte: Alte Industriegelände, vermoderte Keller, verlassene Fleischereien, Ladengeschäfte oder Tresorräume, die meisten davon im ehemaligen Ost-Berlin, dienten in den kommenden Jahren als Orte für Parties; sie zogen sich über Tage und ließen die Grenzen zwischen Kunst und Musik, Wachzustand und Traum verschwimmen. Fotografieren und Filmen durfte nur, wer zum inneren Kreis dazugehörte – für den Rest war das strikt verboten. Eine Regel, die auch heute noch in den meisten Clubs der Stadt streng durchgesetzt wird: Niemand soll sich beobachtet fühlen, im Vordergrund steht das selbstvergessene Versinken im Bass. Wer das Nachtleben dokumentieren will, braucht das Vertrauen der Tanzenden.

Marco, Insel der Jugend, 1991 © Tilman Brembs

„What happens in the club stays in the club!“ So zeigen die Dia-Aufnahmen von Tilman Brembs, der Anfang der 1990er Jahre im „Tresor“ arbeitete, verklärte Gesichter und zuckende Körper im Rave-Rausch; er habe viele Filme und mehrere Kameras in den durchtanzten Nächten verloren, erzählt er lachend und setzt hinzu: „Es war uns damals nicht bewusst, was das für eine Zeit ist und, dass sie sich bald ändern würde“. Seit über zwanzig Jahren ist auch Sven Marquardt mittendrin in der Berliner Clubszene. Er ist nicht nur als berüchtigter Türsteher des „Berghain“, sondern auch als Fotograf bekannt Seine schwarz-weißen Porträts von Kolleginnen und Kollegen bringen zum Ausdruck, was die Berliner Technoszene ebenfalls ausmacht: Ein Sinn für Ästhetik und Sex.

Auch im Kurzfilm „After Hours“ von Steffen Köhn & Phillip Kaminiak spielt das Berghain die Hauptrolle. Anstatt schwitzender Leiber bewegen sich hier aber scheue Tiere durch die monumentale Architektur des ehemaligen Heizkraftwerks an der Grenze zwischen Kreuzberg und Friedrichshain: Ein Dachs im Darkroom, ein Reh vor dem Zigarettenautomat, ein weißes Pferd hinter der Bar lassen in den Räumen eine völlig andere Atmosphäre entstehen.

Es war uns damals nicht bewusst, was das für eine Zeit ist und, dass sie sich bald ändern würde.

Tilman Brembs
o.T., 2015 © Sven Marquardt

Die Technoszene hat einen Großteil dazu beigetragen, dass Berlin heute das ist, was es ist, sind sich die Kuratoren sicher. Die Clubs sind zum Anziehungspunkt für Partygänger aus aller Welt geworden, daran können auch die schwindenden Brachen und Industrieruinen nichts ändern. Die Clubkultur wird also weiterleben: „Ein alternativer Titel für die Ausstellung wäre ‚We haven‘t stopped dancing yet‘ gewesen“, erzählt Heiko Hoffmann. Getanzt wird im Rahmen der Ausstellung auch an mehreren Nächten im Museum. Fotografieren ist trotzdem weiterhin verboten.

DJ Keokie, Tresor 1991 © Tilman Brembs
Stadtbad Wedding, 2014 © Giovanna Silva