Der Städel-Absolvent Moritz Grimm zeigt ab 12. Mai seine großflächigen Edding-Skizzen im Frankfurter Bahnhofsviertel.

Eine angebissene Laugenbrezel, deren vertrocknete Überbleibsel unschwer als Buchstabe „G“ zu erkennen sind. Das verschmähte Backwerk schmiegt sich an ein schwungvoll mit schwarzem Edding auf die Wand gehuschtes „M“. Die beiden Initialen gehören dem Frankfurter Künstler Moritz Grimm und hängen normalerweise als originelles Türschild am Eingang seines Ateliers. Momentan sind sie allerdings Teil von Grimms Ausstellung „Kokett“, die am 12. Mai in der Galerie „Privateoffspace“ im Bahnhofsviertel eröffnet. Wer sich die Arbeiten von Moritz Grimm anschauen will, muss bei Jean-Claude Yves Maier an der Haustür klingeln, der seine Galerie in einer Privatwohnung betreibt.

Eine gute Starthilfe

„Die Brezel habe ich mir von meinem letzten Euro, den ich in der Tasche hatte, an einer Tankstelle gekauft, dann aber trotzdem in einer Ecke liegen lassen“, erzählt Grimm bei unserem Treffen. 2014 machte er seinen Abschluss an der Städelschule. Sein Lehrer Tobias Rehberger wählte ihn im Anschluss als allerersten Stipendiaten für das „Black Sheep Studio“-Programm aus, das damals ins Leben gerufen wurde. Ein Jahr lang bekam Grimm unter dem Dach des Künstlerhauses „Aterlierfrankfurt“ einen Raum finanziert. „Das war eine prima Starthilfe“, sagt er.

Moritz Grimm, Ausstellungsansicht Kokett, Privateoffspace, Frankfurt am Main, 2016

Fünf der sechs großformatigen Skizzen, die im „Privateoffspace“ ausgestellt werden, sind von Aktmalereien aus dem 18. Jahrhundert inspiriert. Eine besonders drastische Darstellung zeigt eine Frau, der es gelingt, sich oral selbst zu befriedigen. Die Pornografie ist für Grimm dabei aber kein Selbstzweck. Die rohe Nacktheit und die unperfekten Körper stehen gewissermaßen im Dienste eines Konzepts von Echtheit, das ihm in seiner Kunst wichtig ist. „Eine Skizze hat etwas Ehrliches. Man kann nichts verbergen, nichts retuschieren. Vieles in der Kunst ist mir heute zu glattgebügelt und zurechtgemacht. Man sieht oft gar nicht mehr, ob ein Maler einen tollen Strich hat“, sagt Grimm.

Eine Persiflage auf Luxus-Labels

Vier seiner Aktbilder hat Grimm mit Edding auf in Keilrahmen eingespannte Lackfolie gezeichnet. „Das Material ist so glatt, dass der Stift nur so drüberflitzt“, erzählt er. Auf den ersten Blick erinnern die Arbeiten an Modeskizzen. Mode ist generell ein großes Thema in Grimms Werk. Für eine frühere Ausstellung hat er zum Beispiel ein Designerhemd von Versace nachgeschneidert und mit Seidenmalereien sowie irritierenden Verfremdungseffekten versehen. Das Ganze war eine Persiflage auf Luxus-Labels.

Moritz Grimm, Ausstellungsansicht Kokett, Privateoffspace, Frankfurt am Main, 2016

„Meine Freundin ist Schneiderin. Vor einiger Zeit habe ich für sie eine Ledertasche entworfen. Die Henkel hatten die Form eines ausgestreckten Mittelfingers und sollten fremde Jungs fernhalten. Ich war zu der Zeit wohl ziemlich eifersüchtig“, sagt Grimm und grinst. „Über die Schnittkonstruktion haben wir uns ständig in die Haare bekommen, weil meine Freundin eine Perfektionistin ist und ich für ihre Verhältnisse eher unsauber arbeite“. Als Reaktion auf die Debatte mit seiner Freundin zeichnete Moritz Grimm mit blauer Schneiderkreide ein absurdes Schnittmuster auf eine Leinwand aus Kunstleder, das nur auf den ersten Blick als Vorlage für ein Hemd taugt. Das mit Bommeln aus Wolle gespickte Bild gehört neben einer Tonskulptur ebenfalls zur „Kokett“-Ausstellung.

Zuerst eine Problemstellung

„Als ich mich an der Städelschule bewarb, habe ich nur gemalt und gezeichnet. Bei Tobias Rehberger bekam ich Zugang zu einer konzeptionellen Herangehensweise. Meine Malerei hat sich dadurch verändert“, erzählt Grimm, der auch Skulpturen, Installationen und Videokunst macht und nicht viel von Genregrenzen hält. „Bei mir kommt nun immer zuerst eine Problemstellung oder Idee, dann überlege ich mir mit welchen Techniken und Materialien ich ans Werk gehe.“

Moritz Grimm, Ausstellungsansicht Kokett, Privateoffspace, Frankfurt am Main, 2016