Vielfach zu Unrecht als reines Kunsthandwerk abgestempelt, kann die Druckgrafik durchaus als künstlerisches Medium der Emanzipation verstanden werden - für Künstler und Publikum. Aktuell bietet Frankfurt gleich mehrere Ausstellungen, die sich dem Thema auf unterschiedliche Weise nähern.

Schon beim Kartoffeldruck fängt es an: Dieses vielleicht simpelste aller Hochdruckverfahren gehört wohl zur Sozialisation der allermeisten irgendwo im Westen Aufgewachsenen, ebenso wie die Resultate aus den entsprechenden Kreativtagen im Kindergarten oder auf dem – Geburtstag: T-Shirts und Jutebeutel mit Sternen oder Blumen, meistens aber eher und noch schlichter Dreiecken, Kreisen und Quadraten, die Konturen leicht verschmiert, lagern in mancher Garderobe.

Über Ästhetik lässt sich streiten, über künstlerischen Anspruch eh, aber fest steht: Neben dem Ergebnis ist es auch die Technik selbst, die eine große Faszination mit sich bringt. Zwischen Idee und Resultat, so simpel beides auch sein mag, liegt eine Vermittlungsebene, die von Möglichkeiten und Grenzen des jeweiligen Druckverfahrens bestimmt wird. Dies gilt vom Kartoffeldruck bis zu Linol- und Holzschnitt, und ergo auch für Siebdruck oder für Tiefdruckverfahren wie Radierung und Kupferstich.

„For the many rather than the few“

Warum die Druckgrafik als Medium und Technik so spannend ist, weiß Tim Mara: Der britische Künstler (1948-1997) war ein Virtuose auf diesem Gebiet und verstand simpelste analoge Technik als ebenbürtig zum digitalen Print, weshalb er die verschiedenen Verfahren gern miteinander kombinierte. Im Netz findet sich ein ganzer Fundus an Zitaten, die Maras Leidenschaft für die Druckgrafik, im Englischen Printmaking, widerspiegeln. Ein besonderer Vorteil von Drucken, so Mara, bestehe darin, dass sie an vielen Orten gleichzeitig ausgestellt werden könnten: „By the very nature of their process, they are a popular art form - for the many rather than the few."

Nathaniel Sheppard, Ke Dezemba Boss, Linolschnitt, 2015, Ausstellung "The Labour of Love. Kunst aus Südafrike", Weltkulturen Museum Frankfurt, Foto: Wolgang Günzel

Und das gilt für beide Seiten gleichermaßen: Der Künstler kann seine Werke nicht nur zeitgleich an unterschiedlichen Orten ausstellen lassen, sondern auch mehrere Exemplare – die zumindest bei Handdrucken niemals identisch sind – an unterschiedliche Sammler, Museen, Käufer vergeben. Die zahlen in der Regel deutlich weniger für den einzelnen Druck, der in der Regel in einer Edition von mehreren Exemplaren erscheint, als für ein nicht reproduzierbares Gemälde. Der Druck multipliziert das künstlerische Werk und demokratisiert es, ohne das es deshalb an Einzigartigkeit einbüßen müsste.

Einfach zu vervielfältigen

Von diesem Spezifikum profitierten auch die Künstler, die aktuell im Weltkulturen Museum Frankfurt ausgestellt werden. Noch bis zum 24. Juli präsentiert „A Labour of Love. Kunst aus Südafrika – Die 80er Jetzt“ eine gute Auswahl der insgesamt rund 600 Werke umfassenden Sammlung schwarzer Künstler aus Südafrika, einst vom evangelischen Pastor Hans Blum für das Haus zusammengestellt. Ein Großteil davon: Drucke. Die waren auch in den 80er Jahren in den Townships ohne größeren Aufwand leicht herzustellen und ebenso simpel zu vervielfachen, so dass sie zumindest einen bescheidenen Nebenerwerb ermöglichten.

Chad Cordeiro, Ohne Titel, 2015, Linolschnitt auf Papier, Foto: Wolgang Günzel

John Muafangejo beispielsweise fertigte oft gleich 100 Blätter eines einzigen Motivs an, so dass sich der auch für damalige Verhältnisse lächerlich günstige Verkaufspreis von wenigen Südafrikanischen Krugerrand immerhin in der Summe auszahlte. Heute zahlt man für Muafangejos Werke ein Dutzendfaches ihres damaligen Preises, dasselbe gilt für die ausgestellten Werke von Künstlern wie Peter Tosh oder Sam Nhlengethwa. „A Labour of Love“ präsentiert somit gleichzeitig ein künstlerisches Zeitzeugnis der Apartheid wie auch der zumindest zeitweiligen Emanzipation aus dieser – und nicht zuletzt eine großartige stilistische Vielfalt an Linoldruck, Holzschnitt und Radierungen, was einen Besuch schon allein aus diesem Grunde lohnenswert macht.

Spiel mit der Banalität

Ebenfalls im Weltkulturen Museum zeugt eine weitere Ausstellung vom Emanzipationspotential der Drucktechniken: „LUKIM GEN – EIN RÜCKBLICK. Kunst und Unabhängigkeit in Papua Neuguinea“ versteht sich als Korrespondenz auf die Nachbarschau. Auch hier spielen die politischen Umstände der Kunstproduktion, namentlich die gesellschaftlichen Umwälzungen in Papua-Neuguinea zwischen den 60er- und 70er-Jahren eine wichtige Rolle, und auch hier sind neben Zeichnungen und Gemälden vielfach Drucke das künstlerische Medium der Wahl. Sie transportieren die typisch grafischen Elemente der traditionellen Volkskunst, die sich in zahlreichen Arbeiten widerspiegelt.

Timothy Akis, Kasuar, 1974, Siebdruck auf Papier, Ausstellung "Lukim Gen - Ein Rückblick.", Weltkulturen Museum Frankfurt, Foto: Stephan Beckers

Gerade dank ihrer leichten Zugänglichkeit hängt der Druckgrafik natürlich auch der Ruf des Trivialen an. Sigmar Polke dürfte dieses Medium nicht zuletzt deshalb zu einem seiner liebsten auserkoren haben: Seine frühen Drucke, die er gleich nach Abschluss der Düsseldorfer Kunstakademie anfertigte und bald erfolgreich verkaufte, spielen mit dem Charakter des Banalen, können die hohe Kunstfertigkeit ihres Autoren dabei aber kaum verdecken. Das Städel Museum widmet sich in einer Ausstellung speziell den frühen Offsetdrucken Polkes, die sich nicht zuletzt als ironisches Statement auf die biederen BRD-Zeiten der späten 60er-Jahre lesen lassen.

Auch der bald anlaufende Ausstellungssommer in der SCHIRN steht im Zeichen der Druckgrafik: Sowohl die Schau "Pioniere des Comic" (ab 23. Juni) als auch die künstlerischen Sphären des farbigen Holzschnitts in "Kunst für Alle" (ab 6. Juli) wären ohne die Erfindung dieser künstlerischen und kunsthandwerklichen Verfahren nicht denkbar.