Reich an Bezügen: Die Rüsselsheimer Opelvillen zeigen Arbeiten von Daniela Kneip Velescu, die auf den Ort zugeschnitten sind.

Das T-Shirt und die Jeans sind universale Kleidungsstücke. Getragen werden sie von Männern und Frauen aller Alters- und Einkommensschichten. „Sie sind eine Form des persönlichen Ausdrucks“, erzählt die Künstlerin Daniela Kneip Velescu beim Aufbau ihrer Ausstellung in der „Schleuse“ der Rüsselsheimer Opelvillen. Mehrere Tage und Nächte lang hat Kneip Velescu auf einer Kleiderstange hängende Arrangements aus T-Shirts und Jeans gezeichnet. Dazu verwendete sie graue Filzmarker und schwarze Eddingstifte. Als Untergrund diente ihr eine besonders robuste, unbrennbare Plastikfolie. Kneip Velescu hat sich bewusst für die Arbeit vor Ort in Rüsselsheim entschieden: „Man baut eine Beziehung zum Raum auf .“ Dort konnte sie fokussiert und konzentriert zeichnen. 

Daniela Kneip Velescu, Ausstellung "Die Zeit der Poster ist vorbei", 2015

Seit 2005 wird der obere Verbindungstrakt der beiden Opelvillen für Ausstellungen junger, zuweilen noch studierender Künstler genutzt. In der Mitte der länglichen „Schleuse“ sind in einer Reihe Steinbänke aufgestellt, links findet sich eine Rampe, rechts ist der Boden eben. So ergeben sich Höhenunterschiede. „Die Architektur ist fantastisch“, erzählt Kneip Velescu, fügt aber auch an: „Der Raum ist eine Herausforderung.“ Mit ihrer Installation möchte die 1982 geborene Absolventin der Städelschule und Meisterschülerin von Willem de Rooij auf den Raum eingehen, ihn betonen. Zwei lange Folienstücke, die jeweils acht Zeichnungen beherbergen, hat Kneip Velescu auf dem Boden, links und rechts der Steinbänke platziert. Die Bänke dienen als Steg. Als Besucher ist man gezwungen, die Ausstellung vom Steg aus zu besichtigen. 

Daniela Kneip Velescu, Ausstellung "Die Zeit der Poster ist vorbei", 2015

„Die Zeit der Poster ist vorbei“ heißt die Ausstellung. Der leicht sonderbare Titel geht auf eine Begebenheit aus dem Jahr 2004 zurück, noch vor Beginn von Kneip Velescus Kunststudium. Beim Besuch ihres Zahnarztes habe sie mit dessen Gattin gesprochen, erzählt die Künstlerin. Die Dame berichtete von ihrem Jura studierenden Sohn, der Kunst sammele. Die Zeit der Poster sei ja schließlich vorbei! Der zynisch anmutende Ausspruch blieb bei Kneip Velescu haften. Nun spielt sie damit. Anders als gewöhnliche Poster, hängen Kneip Velescus Arbeiten nicht an den Wänden. Zugleich seien Poster genau wie Mode Teil einer Selbstkonstruktion, einer Identifikation, betont die Künstlerin.

Was sind Ikonen? Hat man heute noch Idole?

Daniela Kneip Velescu

Für Daniela Kneip Velescu sind ihre Zeichnungen von T-Shirts und Jeans auch Porträts einer Person. „Sie stehen stellvertretend für ein Idol, einen Star“, sagt sie. Es war der Schauspieler Marlon Brando, der 1951 durch seine Rolle im Film „Endstation Sehnsucht“ die beiden Kleidungsstücke salonfähig machte. Kneip Velescu hat sich eingehend mit Brando beschäftigt. „Brando hat einen neuen Typus Mann – animalischer Sex-Appeal gepaart mit Sensibilität – in den Film reingebracht“, erzählt sie. So ist es auch kein Zufall, dass man in der gleichzeitig eröffnenden Hauptausstellung der Opelvillen eine Aufnahme Brandos sieht. Die Schau ist dem amerikanischen Fotografen Sam Shaw (1912–1999) gewidmet, der viele Filmstars, einschließlich Marilyn Monroe, ablichtete. Sich auf diese Nachbarschaft beziehend, fragt sich Kneip Velescu: „Was sind Ikonen? Hat man heute noch Idole?“

Daniela Kneip Velescu, Aufbauansicht "Die Zeit der Poster ist vorbei" in den Rüsselsheimer Opelvillen

Der serielle Charakter der Zeichnungen ist charakteristisch für Kneip Velescus Werk. Für einige frühere Serien hat sie auf Spiegeln gearbeitet. In der Ausstellung „New Frankfurt Internationals: Solid Signs“, die Anfang 2015 im Frankfurter Kunstverein zu sehen war, begegnete man ihren „Pillow Problems“ aus der Serie „Pairs Of Pants“. Auch Videos gehören zu Kneip Velescus Œuvre. In der „Schleuse“ sind die Zeichnungen jeweils auf den langen Folienstücken aufgetragen. Indes finden sich in Abständen von etwa einem Meter gestrichelte Linien. Entlang der Linien könnten die einzelnen Zeichnungen für mögliche Käufer rausgeschnitten werden, erzählt die Künstlerin. Interessanterweise variieren die abgebildeten T-Shirts und Jeans in der Größe. So ist von XXS bis XXXL alles im Angebot. Nicht zuletzt hier zeigt sich Daniela Kneip Velescus Hang zu Ironie und Systematik. Ihre Kunst ist reich an Bezügen, so dass selbst die einfachsten Kleidungsstücke zu vielfach aufgeladenen Bedeutungsträgern werden.

Titelbild: Daniela Kneip Velescu, 2015, Copyright the artist 

Die Künstlerin Daniela Kneip Velescu