Der Portikus zeigt noch bis zum 6. September die Ausstellung „Crumbling Through Powdery Air“ der nigerianischen Künstlerin Otobong Nkanga.

Wie eine dreidimensionale Kartographie erstreckt sich „Crumbling Through Powdery Air“, die aktuelle Ausstellung der in Antwerpen lebenden Künstlerin Otobong Nkanga, im Portikus. Die Künstlerin hat mit knapp acht Tonnen Sand flächendeckend den Boden des Ausstellungsraums befüllt. Durch die Beimischung von Vermiculit, Granit- und Schwermineralsand glänzt und schimmert der Sand. Es sind genau diese Eigenschaften der Materialien, die Nkanga hinterfragt und deren versteckte Bedeutungen, problematische Herkunft und Funktionen sie entschleiert.

In dieser glänzenden Sandwüste stehen verteilt sieben große, inselartige Skulpturen ("Solid Maneuvers", 2015) auf Stahlstäben. Ihre reliefartigen Strukturen verweisen deutlich auf eine vom Bergbau gezeichnete Landschaft. Alle in der Ausstellung verarbeiteten Materialien sind Produkte der industriellen Gewinnung von Rohstoffen.

Ausgangspunkt der Thematik ist Nkangas Aufenthalt in Namibia, wo sie nach den Spuren des "Green Hills" suchte, eines aufgrund seines reichen Erzvorkommens mythisierten Hügels. Während eines Aufenthalts in Berlin im Rahmen des DAAD Künstlerprogramms erforschte sie die Verwendung von glänzenden und schimmernden Materialien in der Architektur, wie etwa das allgegenwärtige Kupfer in europäischen Kirchen. Dabei entdeckte sie die namibische Gegend Tsumeb, eine 1905 von Deutschen gegründete Bergbaustadt, die Erze nach Europa lieferte.

Nkanga setzt sich mit der Verbreitung und Verwendung dieser Mineralien in der monumentalen Architektur auseinander: Nicht nur stellt sie die Frage, warum diese Art architektonischer Ornamente mit solcher Vorliebe verwendet werden, sondern auch, woher die dafür benötigten Baustoffe stammen. Mit vielen offenen Fragen reiste Nkanga zum "Green Hill" in Tsumeb, fand dort allerdings keinen aktiven Bergbau mehr vor. Stattdessen verwiesen sie die Einwohner an ein klaffendes Loch, die monumentale Ruine des einstigen grünen Hügels.

Während schimmernde Denkmäler und architektonische Elemente hoch aufragend auf den Spuren der Vergangenheit wandeln, thematisiert Nkanga, wie diese Denkmäler wiederum durch die bei ihrer Entstehung der Erde entnommenen Materialien selbst Spuren hinterlassen. Kann man diese vom Menschen geschaffenen Löcher nicht als Abwesenheit, sondern als unterirdische Denkmäler lesen? Diese Fragestellung bildete den Ausgangspunkt für eine Reihe von Workshops an der Frankfurter Städelschule. Als Gastprofessorin lud Nkanga interessierte Künstler dazu ein, Orte in Frankfurt auszuwählen und gemeinsam mit ihr in Diskussionen deren möglichen Denkmalcharakter zu erforschen.

Die Künstler dieses Workshops hat Nkanga nun in einem seltenen demokratischen Gestus eingeladen, mit ihr gemeinsam die Ausstellung im Portikus zu gestalten und umgeht damit das Format der Einzelausstellung. Für die Künstlerin waren der Workshop, seine Inhalte und Ergebnisse, elementar für ihre künstlerische Auseinandersetzung mit dem Thema des Denkmals, seiner Definition und Bedeutung. Erst aus dem Zusammenspiel mit den sehr unterschiedlichen und facettenreichen Perspektiven der neun anderen Künstler ergab sich ein stimmiges Gesamtbild der Problematik.

Den Ausstellungstitel entleiht die Künstlerin dem Roman „The Great Gatsby“ von F. Scott Fitzgerald. „Crumbling through powdery air“, so werden die Bewegungen der Menschen im Roman beschrieben, die durch das „Valley of Ashes“, eine öde Industrielandschaft zwischen New York und West Egg, ziehen. Die verwüstete Einöde entstand durch die Entsorgung industrieller Asche und bildet den Gegenpol zum dekadenten Exzess und rasanten Konsum der glänzenden Stadt.

Auf der ersten Ebene thematisiert die Ausstellung den ausbeuterischen und unverantwortlichen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Am deutlichsten wird dies wohl in Nkangas Arbeit „The Apparatus“ (2015), eine für die Ausstellung geschaffene Zeichnung, die eine Konstellation von topographischen, den Konturen der Skulpturen ähnelnden Silhouetten abbildet. Die Formen grenzen aneinander, sind miteinander verwoben und werden von fünf Armen gehalten, die an einen Marionettenspieler erinnern. Versteht man die Zeichnung als eine Kartographie der Ausstellungsinhalte, thematisiert sie auf einer weiteren Ebene die über kulturelle und nationale Grenzen hinausreichende Eigenart der Menschen, ausgewählten Ressourcen einen beliebigen Wert zuzuschreiben und die Konsequenzen des Abbaus für Mensch und Umwelt schlicht zu ignorieren.

Die Infragestellung des allgegenwärtigen Scheins und Glanz in unserer Architektur, der aus unter kritischen Umständen abgebauten und weiterverarbeiteten Materialien gewonnen wird, ist ein Versuch der Künstlerin, die materielle Komplexität eines ästhetischen Phänomens zu enthüllen. Durch die Öffnung der Fragestellung und der Ausstellung für jene neun Künstler des Workshops verdeutlicht sie, dass sich eine aus sowohl geologischer als auch inhaltlicher Sicht vielfältige Problematik erst durch eine ebenso polyperspektivische Auseinandersetzung angemessen verarbeiten lässt. Dennoch gelingt es ihr, die vielschichtigen und vielstimmigen Werke in „Crumbling Through Powdery Air“ mit einer starken eigenen Stimme zu präsentieren.