Die Schriftstellerin Silke Scheuermann lebt und arbeitet in Offenbach. Sie schreibt Romane, aber auch Lyrik. In Frankfurt hat sie studiert und lange gelebt, vor einigen Jahren hat es sie dann in die Nachbarstadt gezogen.

Alles ist voller Bücher, nicht nur in den Regalen. Das neue Buch von Thomas Glavinic. Kunstkataloge. Ein Buch über Bienen. Ovid. Zadie Smith. Stephen King. Oscar Wilde. Ein schönes Durcheinander. Sie liest viel, sagt Silke Scheuermann. Und schnell. Manchmal schafft sie zwei kürzere Bände an einem Tag. „Ich scanne die Bücher ein“, sagt sie. Es läuft ein Mix-Tape, Heavy Metal, Indiepop, Techno, genauso wunderbar durcheinander. Die Decken sind hoch, unterm Schreibtisch döst Tao, der Hund der Autorin, ihr treuer Begleiter. Eine alte Schaufensterpuppe lehnt an der Wand, es ist gemütlich hier.

 

Silke Scheuermann greift ein Buch, das noch eingeschweißt ist, von einem der Stapel. Sie hat es gemeinsam mit dem Fotografen Alexander Paul Englert gemacht. „Traumdiebstähle“ heißt es, ist gerade im Frankfurter Kleinverlag Edition Faust erschienen, ein Liebhaberstück in kleiner Auflage. Beim Blättern sieht man die Fotos von Englert, Bäume, Schiffe, Pfützen, das Meer. Silke Scheuermann hat eine Erzählung zu Englerts Bildern geschrieben. Und dann liegt da auch noch ein Leseexemplar ihres neuen Romans, der dieser Tage erscheint. „Wovon wir lebten“ heißt er. Das Buch ist eine starke Coming-of-Age-Geschichte auf über 500 Seiten, erzählt von einem sozialen Außenseiter, der in die Drogensucht schlittert und nach dem Entzug zum erfolgreichen Szene-Koch aufsteigt. Es ist eine Geschichte, die man förmlich verschlingt, die schnell erzählt ist, die einen starken Spannungsbogen hat.

Keine Cup-Cake-Läden in Rosa

Will man da hin, wo Marten, der fiktive Held aus Scheuermanns neuem Buch, aufgewachsen ist, muss man von ihrer Wohnung aus keine fünfzig Schritte laufen. Nur eine breite Straße liegt zwischen ihrem Zuhause und dem Mathildenviertel, dem Offenbacher Stadtteil, der in Zeitungen meistens „Problemviertel“ genannt wird. Scheuermann ist 2008 in die Nachbarstadt Frankfurts gezogen. Sie sagt, dass sie sehr gerne hier ist. „Es gibt hier keine behäkelten Verkehrsschilder und auch keine Cup-Cake-Läden in Rosa, das gefällt mir“, sagt sie. Später laufen wir mit Tao durch die Straßen. Der schöne Wilhelmsplatz, wo sich die Offenbacher auf dem Markt treffen, liegt um die Ecke, direkt gegenüber, mit der großen Glasfront, die kleine Kaffeebar, die die Schriftstellerin manchmal besucht.

 

Scheuermann, geboren 1973 in Karlsruhe, ist nach Frankfurt gekommen, um Theaterwissenschaften zu studieren. Die Stadt begeistert sie, sie geht viel ins Theater, ins TAT im Bockenheimer Depot. Sie schwärmt von den Stücken, die sie dort gesehen hat, vom Avantgarde-Theater des Jan Fabre etwa. Für ein Semester zieht es sie nach Leipzig, ein Erasmus-Stipendium bringt sie nach Paris. Dort beginnt sie – „aus Einsamkeit“ – damit, Gedichte zu schreiben. Sie veröffentlicht erste Texte, arbeitet auch, wieder in Frankfurt, als Journalistin, schreibt für die Rhein-Main-Zeitung der FAZ. 2001 erhält sie den renommierten Leonce-und-Lena-Preis der Stadt Darmstadt, mit dem Nachwuchslyriker ausgezeichnet werden. Ihr erstes Buch, ein Band mit Gedichten, veröffentlicht sie bei Suhrkamp, später wird sie zum Schöffling-Verlag wechseln.  

Schublade „Fräuleinwunder“

Sie macht schnell Karriere – und landet genauso schnell in einer Schublade. Als „Fräuleinwunder“ wird sie kategorisiert, es ist die Zeit, in der die Geschichten von Autorinnen wie Judith Herrmann oder Elke Naters für viel Wirbel sorgen. Die schreibenden Frauen werden „alle in einen Topf“ geworfen. „Als Schriftstellerin hatte ich einen leichten Anfang, es war aber schwer, aus dem Klischee wieder herauszukommen“, beschreibt Silke Scheuermann den Beginn ihrer Laufbahn.

Heute wird sie als eigenständige Autorin wahrgenommen: Dass ihr Werk ein besonderes ist, darüber sind sich die Kritiker in den Feuilletons einig. Gerade hat sie auch wieder einen wichtigen Preis erhalten: den mit 12.000 Euro dotierten Robert-Gernhardt-Preis des Landes Hessen. Mit ihm werden Werke ausgezeichnet, die noch im Entstehen sind. Scheuermann hatte sie mich einem Lyrikprojekt beworben.

Ganz oder gar nicht

„Wenn ich schreibe, dann mache ich nichts anderes, dann treffe ich keine Freunde, dann erlebe ich nichts“, sagt sie. Nur den obligatorischen Spaziergang mit Tao. Ganz oder gar nicht, das ist ihr Wahlspruch, nicht nur beim Schreiben. Silke Scheuermann erzählt, dass sie sich als Gaststudentin an der Offenbacher Hochschule für Gestaltung eingeschrieben hatte, um bei Manfred Stumpf das Zeichnen zu lernen. Als sie feststellte, dass sie nur „ein mittelgroßes Talent“ dazu hat, lässt sie es wieder sein. Genauso mit dem Yoga. Da ist sie entweder viermal in der Woche hingegangen – oder eben gar nicht. „Wenn ich etwas mache, dann will ich es hundertprozentig machen“, sagt Silke Scheuermann.   

Sie denkt kurz nach. Dann sagt sie: „Schreiben, das ist meins.“