Der Journalist Clemens Bomsdorf führt durch die Ausstellung „Erró. Porträt und Landschaft“ und gibt sowohl Einblicke in das Werk des Künstlers als auch in das Land Island, wie er es als Nordeuropa-Korrespondent kennen und schätzen gelernt hat.

Seine erste Begegnung mit Erró hatte Bomsdorf bereits vor Jahren: „Es war – beinahe natürlich – auf Island. Und zwar im Hafnarhus.“ Dieses Museum für zeitgenössische Kunst in Reykjavik ist im Besitz einer umfangreichen Erró-Sammlung. „Wie heute, faszinierte mich auch damals die visuelle Vielfalt in seinem Werk, die mannigfachen politischen und kulturhistorischen Bezüge und die frische plakative Darstellung, die jedoch nie in Plattitüden abdriftet.“

Ein versteckter Hinweis auf die Heimat

Ein wichtiger Bestandteil von Errós Werk sind die in der SCHIRN ausgestellten „Scapes“. Sie bestehen vor allem aus einer abstrakten Landschaft mit niedrigem Horizont. Es sind Welten, in denen sich zahlreiche Individuen einer Art versammeln. Von inneren Organen über Flugzeuge bis hin zu Comic-Helden findet sich darin eine unüberschaubare Vielfalt ein und desselben Motivs. So reihen sich in „Birdscape“ farbenfrohe Vogelscharen aneinander. Zwischen ihnen hat ganz im Bildvordergrund auch der bekannteste Vogel Islands seinen Platz gefunden – der Papageitaucher. Wie in diesem Bild verhält es sich mit vielen Bildern Errós: immer wieder lässt sich ein versteckter Hinweis auf seine Heimat Island finden.

Jenseits der Grenzen

Errós motivische Vielfalt spiegelt sich auch in seiner Arbeitsweise wider, die jenseits der klassischen Genregrenzen liegt. In seinem Œuvre finden sich Film, Collage und Zeichnung. Wie Bomsdorf erklärt, ist das typisch für Island: „So wie viele Isländer mehrere Jobs haben, sind auch die isländischen Künstler in Musik, bildender Kunst und Theater zu Hause. Auf einer Insel mit so wenigen Einwohnern muss jeder notgedrungen mehrere Aufgaben übernehmen.“ Aufgrund dieser Notwendigkeit werden die strengen künstlerischen Genregrenzen gar nicht erst gezogen. Eine Freiheit, die sich auch Erró nimmt.

Vorbild statt Konkurrent

„Erró, der zwar stets als isländischer Künstler bezeichnet wird, hat seine Heimat als junger Mann verlassen und lebt seit Ende der 1950er-Jahre in Frankreich“, sagt Bomsdorf. „Zur Ausbildung verließen und verlassen nach wie vor viele isländische Künstler ihr Land, doch üblicherweise kehren sie irgendwann wieder dauerhaft zurück. Nicht so Erró. Er ist seiner Heimat zwar bis heute verbunden, aber, anders als etwa der isländische Maler Kjarval, im Grunde genommen ein echter Auswanderer.“ Jóhannes Sveinsson Kjarval (1885-1972) ist wohl der einzige, dessen Erfolg in Island mit dem Errós vergleichbar ist. Erró hat sich allerdings nicht nur in Island einen Namen gemacht, sondern erlangte internationalen Ruhm. Trotz der starken Präsenz Errós muss sich jedoch kein isländischer Künstler hinter ihm verstecken. Bomsdorf geht davon aus, „dass jeder Erró und sein Werk kennt, aber gleichzeitig die räumliche Distanz hilft, gar nicht erst in seinen Schatten zu geraten.“

Ein kleiner Exkurs zu Island

Überschrieben hat Bomsdorf seinen Rundgang durch die Ausstellung mit „ErroRscapes – zwischen Pop, Goebbels und Schlaraffenland“. „Und darum wird es gehen. Um Errós Motive, Bezüge und seinen Bildaufbau. Und natürlich gibt es einen kleinen Exkurs zu Island.“ Es wird viel zu entdecken geben!

Clemens Bomsdorf ist Kunstkritiker, seine Artikel erscheinen unter anderem in der ZEIT, in ART und in The Art Newspaper.