Kuratorin Martina Weinhart besuchte mit den SCHIRN Freunden die angesagtesten Orte in der russischen Hauptstadt in Sachen Kunst.

Nicht nur durch drei große Ausstellungen bewiesen, ist die SCHIRN Kunsthalle dem Russischen stets auf das Engste verbunden. Was also liegt näher als mit den SCHIRN Freunden nach Moskau zu fahren? Das kulturelle Angebot ist riesig, die Themen mannigfaltig: russische Avantgarde, konstruktivistische Architektur, Stalins Zuckerbäckerklassizismus, überhaupt der Sozialistische Realismus, der Moskauer Konzeptualismus – und heute natürlich eine wachsende Galerieszene mit zeitgenössischen Ausstellungen.

Garage Center for Contemporary Culture, Moskau, Foto Martina Weinhart

Los geht es: Sprechen wir über die zeitgenössische Szene in Moskau. Zwei Orte sind hier vor allem mit großen Schritten voran gegangen. Zunächst einmal die Гараж – korrekt, das Garage Center for Contemporary Culture (GCCC). Roman Abramovičs gigantische Yacht kennen wir vom Anleger bei der Venedig-Biennale, wo „the bigger the better“ immer noch eine valide Maxime darstellt. In Moskau betreibt seine Partnerin Daria Zhukova mit der Ausstellungshalle Garage einen Kulturdampfer der etwas anderen Art. Verdienstvollerweise haben sie ein altes Busdepot restauriert, das der Meister des Konstruktivismus Konstantin Melnikov in den 1920er Jahren im Rahmen des Aufbruchs der Avantgarde mit den Bauplänen für den Neuen Menschen realisiert hatte. Diese Gebäude sind heute in der Regel im Ausland höher angesehen als bei den zuständigen Baubehörden in Russland. Melnikovs Wohnhaus, ein absolutes Hauptwerk der Architekturgeschichte, sieht heute einer ungewissen Zukunft entgegen. Ebenso wie sein fantastischer, beinahe dekonstruktivistischer Klub Rusakov oder auch Moissej Ginzburgs und Ignati Milinis Narkomfin-Gebäude, in dem die Utopie eines kollektiven Wohnens verwirklicht werden sollte.

Isaac Julien, Derek, 2008, Filmstill

Nun, das Depot scheint gerettet und mehr als lebendig. Ein Media Center zeigt unter dem Titel „Expanded Cinema. Part II“ Filminstallationen von Isaac Julien oder Yang Fudong – beide haben wir übrigens vor einigen Jahren in der SCHIRN in unserem Projekt „3 Minuten“ gezeigt. Im Zentrum ist eine große James Turrell-Ausstellung zu sehen. Großartig, seine Ganzfeld Installation „Purusha“, die Turrell aus seiner Beschäftigung mit der Wahrnehmungspsychologie entwickelt hat und die den Betrachter der Erfahrung der Leere überantwortet. Die Garage bringt Ausstellungen nach Moskau, die dort sonst nicht zu sehen sind.

Fabio Viale, Il vostro sarà il nostro, 2008, White marble, Courtesy Gagliardi Art System, Torino

Eine zweite Ausstellung im GCCC zeigt den Turiner Fabio Viale – eher im Sinne der Gegensätze, die sich ergänzen. Seit David Cronenbergs „Eastern Promises“ wissen wir, was es mit den Tätowierungen und der russischen Mafia auf sich hat. Viale scheint das auch zu beschäftigen. Kühle, beinahe klassische Marmorskulpturen überzieht er mit solchen Tätowierungen – das ist nicht sehr subtil, aber sein Sujet ist das ja auch nicht.

Roman Sakin, from the project „3rd Degree Specialist“, 2011, Installation view, Courtesy artist and M&J Guelman Gallery

Weiter geht es nach Winzavod, dem zweiten großen Moskauer Zentrum für das Heutige. In einer alten Weinkelterei in einem Moskauer Industrieviertel ist – ganz im Londoner- oder auch im Chelsea-Stil, je nach Perspektive – ein hippes Galerienzentrum entstanden. Vintage-Designläden wechseln sich ab mit Fotogalerien, Graffiti mit einem szenigen Café. Im Hof lungert man auf Hängematten aus Netzen herum wie man sie von Fußballtoren kennt. Also alles sehr „hip to the beat“. Man findet hier aber auch die großen international operierenden Moskauer Galerien, die man von der Londoner Frieze Art Fair kennt: die Regina Gallery oder die XL Gallery. Auch die Marat Guelman Gallery unterhält hier einen Raum. Sie zeigt den jungen Kandinsky-Preisträger Roman Sakin mit einer sehr interessanten Installation – das begehbare Modell seines Ateliers, das wie ein UFO in den Galerieräumern gelandet zu sein scheint.