Sie legt im Berghain auf, veröffentlichte ihr Debütalbum beim New Yorker Kultlabel DFA und am 22. August ist sie beim SCHIRN Sommerfest zu Gast. Ein Gespräch mit der Musikerin Perel über Berliner Taxifahrer, ihre Lieblingsmelodie und Schlagershows.

Annegret Fiedler hat eine dieser wunderbaren Lebensgeschichten, in denen es ein Mädchen aus der Provinz auf die Bühnen der Welt schafft. Aufgewachsen im Erzgebirge, da stand die Mauer noch, sang sie im Kirchenchor und verliebte sich als Teenie in die Backstreet Boys. Während des Studiums spielte sie in Bands, Indie-Rock, auch Punk, und machte sich dann in Berlin als House-DJ einen Namen. Im Frühjahr 2018 veröffentlichte sie als Perel beim New Yorker Kultlabel DFA ihr Debütalbum „Hermetica“, eine Platte irgendwo zwischen Techno und Pop. Vor ihrem Auftritt beim Schirn Sommerfest am 22. August erzählt sie, welche Melodien funktionieren, warum sie auf Deutsch singt und was ihr Song des Sommers ist.

Ich habe überlegt, wie man deine Musik beschreiben kann. Sie klingt ein bisschen, als stünde man auf der dunklen Tanzfläche eines Clubs, etwas Treibendes, Elektronisches läuft, und von irgendwoher wehen Melodien und Gesangsfetzen herüber.

Naja, das klingt, als sei es nichts Halbes und nichts Ganzes. Für mich macht meine Musik schon Sinn. Ich kann sie manchmal auch nur schwer einordnen, aber das ist ja das Schöne an Kunst.

Sie ist ein Dazwischen. Wie erklärst du Leuten, die noch nie deine Musik gehört haben, was du machst?

Der Klassiker sind Taxifahrer. Man kommt ins Gespräch, und irgendwann fragen sie: „Was machst du denn so für Musik?“ Puh. Ich sag‘ dann immer: eine Mischung aus Techno, Depeche Mode und The Cure. Und bisschen Giorgio Moroder ist auch noch drin. Dann fragen sie immer, wo ich das mache. Im Berghain. Ah. Da wissen sie einigermaßen Bescheid, Berliner Taxifahrer halt.

Ich sag‘ dann immer: eine Mischung aus Techno, Depeche Mode und The Cure. Und bisschen Giorgio Moroder ist auch noch drin.

Perel

PEREL

Alles

Du arbeitest als DJ, Produzentin und Sängerin und hast alle möglichen Musikgenres ausprobiert. Vom Kirchenchor im Erzgebirge über Auftritte mit einer Indie-Rock-Band und als House-DJ bis zu deinem Debütalbum im Frühjahr mit jenen schwer beschreibbaren Songs zwischen Techno und Pop. Gibt es auch ein Genre, das du furchtbar findest?

Eigentlich nicht, das ist total witzig. Letztens bin ich sogar vorm ZDF-Fernsehgarten hängengeblieben. Parallel lief dazu in der ARD was mit Stefan Mross. Das ist so eine faszinierend andere Welt. Was bringt die Menschen dazu, das zu hören? Wie ticken die? Klar ist es Horror, aber ich finde es zugleich so faszinierend. Lehrreich.

Foto: Nora Heinisch

Du hast mal gesagt, die Melodie ist alles. Was macht eine gute Melodie aus?

Ich unterscheide nicht zwischen guten und schlechten Melodien. Für mich ist eine Melodie brauchbar, wenn sie mich berührt. Wenn ich fühle, dass ich in diesem Moment mit dieser Melodie etwas von mir preisgebe. Ich mache Musik in erster Linie für mich selbst. Nur wenn sie authentisch ist und mich berührt, ist eine Melodie brauchbar, in Anführungsstrichen „gut“.

Was ist deine liebste Melodie, auf die du gekommen bist?

Ich glaube, meine persönlichste Melodie ist die zu „Alles“, einer der Singles von meinem Album. Ich weiß gar nicht genau, warum. Klar, a-Moll, ein Klassiker, berührt jeden. Aber das ist es nicht nur. Es geht darum, dass ich etwas sage, was ich lange nicht verstanden habe, aber für mich so aussagekräftig ist wie wenig sonst. Mir ging’s nicht so gut in der Zeit, im Spätsommer war das, August oder September 2016. Da saß ich im Schlafzimmer und habe „Alles“ komponiert. Nach ganz langer Zeit war das mal wieder ein Song, bei dem ich das Bedürfnis hatte, Vocals draufzupacken, auf Deutsch.

Ich unterscheide nicht zwischen guten und schlechten Melodien. Für mich ist eine Melodie brauchbar, wenn sie mich berührt.

Perel

Die Vocals sind ein schöner Kontrast. Du sprichst sie eher, als dass du sie singst, und sie haben eine Härte, die der Leichtigkeit der Produktion entgegensteht. Hast du dich deshalb entschieden, auf Deutsch zu singen, weil es härter ist als Englisch?

Jein. Zuerst mal habe ich gemerkt, dass ich keine tiefgründige Poesie auf Englisch schreiben kann. Ich krieg‘ das nicht hin. Fließend Englisch kann ich, aber auf Songs klingt das wie der letzte Schlager. Ich bin großer Fan von deutscher Dichterei. Das muss man sich mal wieder trauen, hab ich mir gedacht. Lang war ich dann wirklich unsicher: Ist das cool oder ist das Scheiße? Aber ich bin nach meinem Gefühl gegangen. Denn es stimmt, die Produktion ist ein bisschen smoother, ich bin halt ein Softie. Aber ich habe auch meine Kanten. Englisch ist da zu weich für mich. Der Kontrast zwischen der Smoothness der Produktion und der Härte des Deutschen repräsentiert mich besser.

Deine Stimme ist hart, sie hat aber auch etwas Sphärisches, Unwirkliches. Als würde sie durch Rauchschwaden zu einem dringen. Wie kriegst du das hin?

Weiß ich ehrlich gesagt auch nicht. Ich lasse mich halt auf die Stimmung ein und nehme meine Stimme als Instrument, als mein persönlichstes Instrument. Sie bettet sich dann ganz automatisch in die Musik ein. Wahrscheinlich gleicht sich die Stimme unbewusst der Stimmung an. Vielleicht habe ich auch nur Glück gehabt, dass es sich cool anhört. 

Verrat‘ mal noch dein Lied des Sommers. 

Das klingt jetzt total schlimm. Aber es ist tatsächlich „Alles“. Weil ich das so oft spiele und noch immer nicht genervt davon bin. Und ich hab noch einen: von Charlotte Gainsbourg „Sylvia Says“ im Mind-Enterprises-Remix, so eine wunderbare Sommernummer.