Mirek Macke ist der Leiter des Kunstvereins Familie Montez. Wir haben mit ihm über seine wilde Vergangenheit als Partymacher wider Willen und Lieblingsschüler von Hermann Nitsch gesprochen. Außerdem erfahren wir, warum auch ein lässiger Ort Struktur braucht.

Manchmal werde er als Direktor des Kunstvereins Familie Montez vorgestellt. Das passt nicht, findet er. „Ein Direktor ist jemand, der viel Geld verdient“, sagt Mirek Macke. „Das habe ich nie.“ Außerdem sei er jemand, der überall mit anpackt, der auch putzt und den Müll rausbringt, wenn es nötig ist. „Koordinator oder Macher, das trifft es viel besser“, findet er.

Sein Büro liegt etwas versteckt unter den Bögen der Honsellbrücke, die sich im Osthafen über Ausstellungsräume und ein Café spannt. Macke ist aber meist lieber mittendrin im Geschehen Deshalb sitzen wir an einem Tisch direkt gegenüber des Eingangs. Mit den vielen Teppichen und Sofas ist das Café des Kunstvereins besonders im Winter sehr gemütlich. Auf einem der Sofas hat es sich Mackes Podenco-Hündin Emmy bequem gemacht.

Mirek Macke, Foto: Neven Allgeier

Klassische Musik und Staubsaugergeräusche liegen in der Luft. „Wir mögen hier Klassik“, sagt Macke. „Außerdem muss man dafür kein Geld an die Gema zahlen“, fügt er hinzu und lacht. Hinter uns wird gerade eine Bühne aufgebaut. Am Abend findet eine Ausgabe der Konzertreihe „Jazz Montez“ statt. Am Vormittag wurde eigens dafür ein Flügel angeliefert. Neben rund zehn Kunst-Ausstellungen pro Jahr, gehören Abende mit Jazz, Klassik und Poetry Slam zum Programm. Außerdem werden Yoga-Kurse angeboten. Demnächst gibt es vielleicht auch eine Big Band und einen Chor, erzählt Macke.

Kunst, kein Satanismus

Eine Dauerausstellung in den hinteren Räumen ist dem Künstler Hermann Nitsch gewidmet, der als einer der berühmtesten Vertreter des Wiener Aktionismus gilt. Macke bezeichnet ihn als seinen Mentor. „Er war es, der mich an der Städelschule durchgeboxt hat.“ Zutritt ab 16 Jahren, rät ein Schild am Eingang. Ein in roter Farbe getränktes Leichenhemd hängt an der Wand. Videos zeigen Performances, bei denen viel Tierblut fließt. „Leute, die sich nicht mit Kunst auskennen sind manchmal verstört und fragen, ob wir hier einer satanischen Sekte huldigen.“

Foto: Neven Allgeier

Macke fand über Umwege zur Kunst. Zunächst lernte er den Beruf des Bautechnikers. Mitte der Achtzigerjahre zog er aus Polen zu seiner Tante nach Hamburg. „Mein Deutsch war nicht besonders gut und ich wusste nicht, was ich mit meiner Zeit anfangen sollte. Meine Tante hat mir zur Beschäftigung Knetmasse gegeben. Daraus habe ich Köpfe für die Marionetten geformt, die sie damals gebastelt hat.“

Vom Töpfern aus Langeweile zum Lieblingsschüler an der Städelschule

Später holte er das Abitur nach, um die Sprache besser zu beherrschen. „Aus Langeweile habe ich mich für einen Töpferkurs an der Volkshochschule eingeschrieben und Vasen modelliert.“ Schließlich bewarb er sich an er Hochschule für bildende Künste in Kassel. „Die Keramikleute, zu denen ich eigentlich wollte, haben gesagt, ich soll lieber zu den Bildhauer*innen gehen.“ Macke wurde als Gaststudent aufgenommen. In Salzburg bewarb sich Macke für die Sommerakademie. „Eigentlich wollte ich in den Bildhauerkurs, doch da waren keine Plätze mehr frei. Bei der Malerei bin ich nur gelandet, weil es bei Nitsch, von dem ich zuvor kaum etwas wusste, noch freie Plätze gab.“ Sogenannte Schüttbilder waren damals gerade angesagt: „Wir haben Stunden damit verbracht, riesige Leinwände mit weißer Farbe zu grundieren“, erinnert sich Macke. „Alles nur, um dann in wenigen Minuten rote und schwarze Farbe drüberzuschütten.“

Foto: Neven Allgeier

Als Nitsch als Dozent an die Städelschule berufen wurde, wollten viele seiner Schüler*innen ihrem Meister folgen. Macke traute sich zunächst nicht, zu fragen, ob er auch ihn mitnehmen würde. „Andere aus seinem Kurs waren so viel besser als ich. Doch schließlich hat Nitsch zu mir gesagt: Wenn ich jemanden mitnehmen würde, dann dich.“

Wie das Lola Montez zur Familie Montez wurde

Nach dem Abschluss an der Städelschule bezog Macke ein Atelier in der Straße Am Städelshof in der Frankfurter Innenstadt. Zusammen mit seiner ehemaligen Kommilitonin Anja Czioska gründete er das „Lola Montez“ – eine Art Vorläufer des heutigen Kunstvereins. Namensgeberin war eine irische Tänzerin, die einst die Geliebte des bayrischen Königs Ludwig I. war. „Erst haben wir unsere Freunde von der Städelschule ausgestellt. Einige sind dann zum Beispiel nach Berlin gezogen und haben dort neue Kontakte geknüpft. Auf diese Weise ist unser Netzwerk ständig gewachsen.“ Um Profit sei es ihnen dabei nie gegangen, erzählt Macke. Auch heute gibt es in der Regel freien Eintritt zu den Ausstellungen. Bei Auftritten von Musiker*innen kreist manchmal ein Hut durchs Publikum, um ein wenig Geld einzusammeln. Wenn Künstler*innen hier ein Werk verkaufen, verdient der Verein nicht daran. „Wir freuen uns höchstens über eine kleine Arbeit als Spende für unsere Sammlung.“

Foto: Neven Allgeier

Bald fanden im Lola Montez auch wilde Partys statt, die bis sechs Uhr früh dauerten. „Ich habe damals von der Presse das Image eines Clubbetreibers verpasst bekommen“, sagt Macke. „Das hat mir eigentlich nie gepasst.“ Diese Zeiten sind ohnehin längst vorbei. Das Gelände in der Innenstadt wurde verkauft. 2007 war man innerhalb des riesigen Areals noch einmal umgezogen, Breite Gasse lautete ab da die Adresse. Im selben Jahr wurde aus dem Lola Montez der „Kunstverein Familie Montez“. Die Mitglieder kamen aus dem Umfeld der Städelschule, hatten also einen gemeinsamen Background. „Wir waren praktisch eine Familie." 2014 bezog der Kunstverein im Osthafen Quartier. Das Publikum hat sich verändert. An den Wochenenden schauen viele Familien mit Kindern vorbei. Das Mainufer vor der Tür lockt Ausflügler*innen an.

Von prominenten Couchbesuchen und Weihnachtsmärkten

Wir drehen eine Runde durch verwinkelte Räume, in denen sich die Sammlung des Hauses befindet. Kaum eine Stelle an den Wänden, die frei von Kunst ist. Sogar auf der Toilette hängen Bilder. Wir entdecken neun Poster, die einen Starschnitt bilden: Mirek Macke in einem schwarzen Kleid von Nina Hollein. „Ich sehe aus wie Rasputin“, kommentiert er. Die Poster sind nacheinander im „Montez Express“ erschienen – einer Zeitung, die der Kunstverein alle zwei Monate herausgibt. Um die Ecke steht das orangefarbene Sofa, auf dem zum Beispiel schon Dirk Nowitzki und Annalena Baerbock gesessen haben, wie Fotos im „Montez Express“ beweisen. „Manchmal vermieten wir die Räume an externe Veranstalter*innen“, erklärt Macke. „Wenn interessante Leute kommen, schnappe ich sie mir, um auf dem Sofa Bilder zu machen.“

Foto: Neven Allgeier

Im großen Ausstellungsraum wird es am 9. und 10. Dezember einen Weihnachtsmarkt geben. Schon seit einigen Jahren ist das hier Tradition. Außerdem findet noch bis zum 31. des Monats eine Ausstellung mit dem Titel „Anonyme Kunst“ statt.“ Der Clou: Sämtliche Werke kann man kaufen – ohne dabei zu wissen, wer sie geschaffen hat. Das Geheimnis wird erst Anfang Januar bei einer Art Meet and Greet mit den Künstler*innen gelüftet.

Der Kunstverein Familie Montez ist ein sehr cooler, ein lässiger Ort. Die angenehme Unkompliziertheit soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass genau dieser Eindruck das Ergebnis von harter Arbeit ist: „Es sind große Räume, die wir hier bespielen und alles hat seinen Platz“, sagt Macke. „Struktur ist mir sehr wichtig. Ich hasse äußeres Chaos, weil es sich sofort auf meinen Kopf überträgt.“

Image via kvfm.de

KUNSTVEREIN FAMILIE MONTEZ

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