Sarah Schoderer und Xue Liu bespielen die Weißfrauen Diakoniekirche im Frankfurter Bahnhofsviertel mit Malerei und Skulptur.

Das Foto löste einige Irritationen aus. Darauf zu sehen sind die Künstler Sarah Schoderer und Xue Liu, in feierlicher (Hochzeits-)Kleidung, vom Regen überströmt am Main stehend, beide rauchend. Im Hintergrund zeichnet sich Frankfurts Hochhauskulisse ab, die Stimmung ist eher melancholisch. Auf Facebook wurde den beiden eifrigst zur Heirat gratuliert, die in Wirklichkeit nie stattfand. Das Foto ziert die Einladungskarte zu Schoderers und Lius Ausstellung in der Weißfrauen Diakoniekirche im Frankfurter Bahnhofsviertel. Einen Romantitel von Goethe abwandelnd, haben sie die Schau „Malverwandtschaften“ genannt. Tatsächlich haben Sarah Schoderer und Xue Liu zur gleichen Zeit, von 2007 bis 2010/11, Malerei bei Christa Näher an der Städelschule studiert.

Foto: Thomas Weyand

Die beiden Künstler zeigen vor allem Arbeiten auf Leinwand, in einer gemischten Hängung an den Wänden des Kirchenraums. Schoderer und Liu nutzen dabei die großzügige Wandfläche aus. „Wir wollten in die Höhe gehen“, betont Schoderer. Ihre Gemälde baut Sarah Schoderer zuerst aus abstrakten Farbfeldern auf. Im zweiten Schritt setzt sie einen Alltagsgegenstand ins Bild. So begegnet man beispielsweise Proteinshake-Behältern, einem Eimer, Stühlen und Leuchten. Die gegenständliche Komponente dient Schoderer als „Zweifel“ und hilft gegen das Abgleiten in Formalismus. Die Farbfelder korrespondieren bestens mit den abstrakten Kirchenfenstern der Weißfrauen Diakoniekirche. Immer, wenn Sonnenlicht durch sie fällt, ergeben sich interessante Reflexionen und Lichtspiele.

Einfühlen in den Raum

Sarah Schoderer und Xue Liu haben eigens für die Ausstellung neue skulpturale Arbeiten entwickelt. „Es ist ein fantastischer Raum für Skulptur“, sagt Schoderer. Sie hat teils schon bemalte Leinwände mit Epoxidharz übergossen und dadurch gehärtet. Die entstandenen Objekte sind ein eigentümlicher Blickfang. Liu hat bildhauerisch mit Holzbalken gearbeitet. Zudem zeigt er eine neue Serie von Gemälden, bei denen klassische Skulpturen als Motivvorlagen dienten. Xue Liu malt mit einem leichten, lockeren und gleichzeitig sicheren Strich. Er präsentiert vor allem große Formate, die „inhaltlich und atmosphärisch zur Kirche passen“. Es macht Freude zu sehen, wie gut die beiden Künstler auf den Ort der Ausstellung eingehen, ohne ihre Arbeitsweise zu verfälschen.

Ausstellungsansicht Malverwandtschaften, Foto: Katharina Gecht
Skulpturen von Sarah Schoderer und Xue Liu, Foto: Katharina Gecht

Der Ort selbst hat indes eine interessante Geschichte zu erzählen. Seit 2005 wird die Weißfrauen Diakoniekirche für klassische diakonische Arbeit mit Wohnsitzlosen sowie für Ausstellungen und Veranstaltungen genutzt. Der Raum kann auch für Tagungen und Kongresse gemietet werden. Das Kirchengebäude stammt aus den 1950er-Jahren. Der markante Leuchtschriftzug „MENSCH“ krönt den Bau und erstrahlt bei Dunkelheit. Der Künstler Mirek Macke, auch bekannt als Mitgründer und Leiter des „Kunstverein Familie Montez“, realisierte den Schriftzug 2008. Dafür nutzte er Leuchtbuchstaben des ehemaligen Kaufhauses M. Schneider auf der Zeil.

Arbeiten im Bahnhofsviertel

In den 2011/12 sanierten Kirchturm integrierte die Künstlerin Andrea Büttner ein Turmzimmer. Der holzvertäfelte, kompakte Raum bietet ein Bett und einen Tisch, und er öffnet den Blick herunter auf die Gutleutstraße. Auf Anfrage kann das Turmzimmer für eine Nacht gebucht werden. Pro Jahr finden im Kirchenraum etwa 4-5 Ausstellungen statt, erzählt Thomas Kober, seit 2012 Kurator an der Weißfrauen Diakoniekirche. Kober folgte Gerald Hintze nach, der an den Folgen eines schweren Fahrradunfalls starb. Nach seinem Studium der Sozialarbeit wechselte Kober in den 1990er-Jahren an die Städelschule, wo er bei Hermann Nitsch studierte. Anschließend arbeitete er für das Diakonische Werk.

Ausstellungsansicht Malverwandtschaften, Foto: Katharina Gecht
Weissfrauen Diakoniekirche, Foto: Katharina Gecht

Um Künstler für die Weißfrauen Diakoniekirche zu finden, schaut sich Thomas Kober regelmäßig in Ausstellungen um, auch folgt er Empfehlungen. „Ich gucke schon darauf, dass die Künstler sich auf den Kirchenraum, die Kirche, die Umgebung und das Viertel einlassen“, betont Kober. Sarah Schoderer und Xue Liu arbeiten im Bahnhofsviertel, ihre Ateliers liegen im benachbarten Atelierhaus „basis“ in der Elbestraße und der Gutleutstraße. Zudem porträtierte Liu vor einigen Jahren Männer und Frauen aus dem Wohnsitzlosen-Treff des Diakonischen Werks unterhalb der Kirche.

Websites der Künstler

sarahschoderer.com
xueliu.de

Kurator Thomas Kober, Foto: Eugen El