Für das Ausstellungsprojekt „State of the City“ etablierten Antwerpen, Rotterdam und Frankfurt einen Künstleraustausch. Die Frankfurter "basis" zeigt nun die Vielfalt der entstandenen Arbeiten.

In das Tönen der Schiffe, die Schreie der Möwen und das Lärmen der Baumaschinen mischt sich das Krähen eines Hahns. Die Tiere leben im Industrie- und Hafengebiet Maashaven in Rotterdam. Es sei „ein sehr physischer, sehr lauter Ort“, sagt Levent Kunt. Der Frankfurter Künstler verbrachte dort drei Monate im Rahmen des Projekts „State of the City“. Je zwei Künstler aus Antwerpen, Frankfurt und Rotterdam entwickelten in je einer der anderen Städte Werke. Die Ergebnisse des Künstleraustauschs zwischen den drei Handelsmetropolen sind nun in der Ausstellungsplattform „basis“ zu sehen.

Levent Kunts zehnminütige Videodokumentation zeigt zunächst das Industrieareal, auf dem sich sein Atelier befand. Die raue Atmosphäre des Orts ist spürbar. In direkter Nachbarschaft knüpfte Kunt Kontakt zu Azad Arif, einem aus dem Nordirak stammenden Hühnerzüchter, der eine ehemalige Garage zu einem Stall umfunktioniert hat. Die Videodokumentation rückt im weiteren Verlauf das Geschehen im und rund um den Hühnerstall in den Fokus. Die Tiere geben ihrem Besitzer, der schon im Irak einen ähnlichen Stall hatte, ein Gefühl von Heimat, sagt Levent Kunt.

Versuchsanordnung mit Huhn

Für seine Arbeit „Lamp“ übersetzt Kunt die Geräuschkulisse des Rotterdamer Hühnerstalls in gleißendes Licht. Drei in eine Aluminiumkonstruktion eingepasste LED-Lichter reagieren, je nach Uhrzeit auch live, auf die dortigen Töne. Von der Tonhöhe abhängig, leuchtet das weiße, gelbe oder orangene Licht auf. Das Objekt lässt an Lichteffekte in einer Diskothek denken. Die gleiche Versuchsanordnung probierte Kunt schon in Rotterdam aus. Dort transformiert eine umgebaute Laterne die Geräusche der Hühner in LED-Licht.

Levent Kunt bei "State of the City", Ausstellungsraum basis e.V., Frankfurt, 2016

Karl Philips kommt aus Antwerpen und verbrachte drei Monate in Frankfurt. In der „basis“ zeigt er unter anderem die Videoarbeit „eta“. Philips baute die Logos der Logistikunternehmen DHL, FedEx und TNT dreidimensional nach und ließ sie von Antwerpen nach Frankfurt transportieren – von dem jeweiligen Unternehmen. Philips filmte die Anlieferung. Nun kann man einem verdutzten DHL-Mitarbeiter dabei zusehen, wie er „sein“ Firmenlogo durch den Eingang der „basis“ zu wuchten versucht. Seinen Kollegen erging es nicht besser.

Autoduftbäume belgischer Provenienz

Einen ironischen Unterton hat auch Karl Philips' Arbeit „ECB Study“. Aus Styropor formte er ein Modell des Frankfurter Hochhauses der Europäischen Zentralbank. Der Künstler beklebte das Modell mit Visitenkarten mehr oder minder dubioser Autohändler. Ein Zaun aus Zahnstochern „sichert“ das EZB-Modell. Umgeben ist es von Autoduftbäumen deutscher und belgischer Provenienz.

Karl Philips bei "State of the City", Ausstellungsraum basis e.V., Frankfurt, 2016

In zwei Kabinetten zeigt der Rotterdamer Künstler Ghislain Amar, der ebenfalls für drei Monate nach Frankfurt kam, seine Arbeiten. Amar druckt selbst aufgenommene Fotografien großformatig auf Leinwände und übermalt sie mit Schrift, aber auch mit malerischen Gesten. Die Arbeiten dokumentieren vor allem den Ausstellungsraum „Peach“, den Ghislain Amar in seiner Wohnung in Rotterdam betreibt. Ergänzt werden die bisweilen privat anmutenden Aufnahmen durch eine Slideshow der Hochzeit seines Bruders in Casablanca.

Naturschutzgebiet und Chemiefabrik

Die Frankfurter Künstlerin Ani Schulze entwickelte in Antwerpen eine Rauminstallation aus mehreren Filmprojektionen und Foliendrucken. „Fecund Soil“ wurde in einem Naturschutzgebiet in Antwerpen gefilmt, das an eine große Chemiefabrik grenzt. Die Erzählung bleibt im Abstrakten. Schulzes Zugang ist nicht dokumentarisch. Ein zweiter Film inszeniert einen vom Architekten und Designer Ferdinand Kramer gestalteten Regenschirm als kostbares Objekt. Auf transparente Folien ließ Ani Schulze zudem Zeichnungen von Händen und Körperfragmenten sowie Reifen drucken. Thematisch nur lose verbunden, ergeben die Arbeiten dennoch ein Ensemble.

Ghislain Amar bei "State of the City", Ausstellungsraum basis e.V., Frankfurt, 2016
Ani Schulze bei "State of the City", Ausstellungsraum basis e.V., Frankfurt, 2016

Auf Recherche basiert die künstlerische Arbeit von Mirte van Duppen. Die Rotterdamer Künstlerin reflektiert die wachsende Bedeutung des Wassers für das Leben in der Stadt. In ihrem Dreikanalvideo „View of the/from the Waterside“ demonstriert van Duppen diesen Wandel am Beispiel des Stadtteils 't Eilandje in Antwerpen, früher Teil des Antwerpener Hafens. Dort sind in den letzten Jahren exklusive Wohnbauten entstanden. In klaren Bildern zeigt Mirte van Duppen, wie der Blick auf das Wasser privatisiert wird. Die Nähe zum Fluss ist ein beliebtes Marketinginstrument gehobener Immobilienprojekte.

Die spielerische Aneignung der Nachbarschaft

Den Ausstellungsbesuch kann man mit Stijn van Dorpes eingängiger wie heiterer Videoarbeit „Shortcut Terwewijk“ ausklingen lassen. Der Antwerpener Künstler initiierte in Rotterdam eine Performance. Etwa zweihundert Bewohner des Wohnbezirks Terwewijk folgten dem Aufruf des Künstlers. Sie unternahmen einen halbstündigen Spaziergang durch das Viertel. Die Route zeichnete Stijn van Dorpe auf den Stadtplan: Es war ein gerader Strich. So führte der Spaziergang mitten durch Wohnhäuser, Schulen und Kirchen, private Wohnräume und Hinterhöfe. Das Video erzählt von der spielerischen Aneignung der Nachbarschaft. Es ist vor allem die Vielfalt der künstlerischen Zugänge zu den jeweiligen Städten, die diese Schau interessant macht.

Mirte van Duppen bei "State of the City", Ausstellungsraum basis e.V., Frankfurt, 2016
Stijn van Dorpe bei "State of the City", Ausstellungsraum basis e.V., Frankfurt, 2016